Für einmal ausnahmsweise keine Polemik. Keine tendenziösen Einschätzungen. No Bullshit. Nur Fakten. Nichts als Fakten.
Der SC Bern verliert am 13. Oktober in Langnau 1:3 (0:1, 1:1, 0:1). Leonardo Genoni (32) erreicht bei 19 Schüssen auf sein Tor eine Abwehrquote von 84,21 Prozent. Es ist ein grosses Spiel der Langnauer.
Die ZSC Lions gewinnen am 7. Dezember in Langnau 4:3 (0:2, 2:0, 1:1) nach Penaltys. Niklas Schlegel (24) erreicht bei 25 Schüssen auf sein Tor eine Abwehrquote von 88,00 Prozent. Es ist ein grosses Spiel der Langnauer.
Niklas Schlegel obsiegt also im Direktvergleich mit Leonardo Genoni mit 88,00:84:21. Dieser Direktvergleich ist deshalb interessant, weil Niklas Schlegel Kandidat für Leonardo Genonis Nachfolge in Bern ist. Entweder er oder ein Ausländer. Andere valable Schweizer Goalies mit auslaufenden Verträgen gibt es nicht.
Aus einem einzigen Spiel Schlüsse zu ziehen, mag unseriös sein. Doch diese zwei Partien lassen sich durchaus miteinander vergleichen. In beiden zeigt Langnau eine formidable Leistung. In jeder Beziehung auf Augenhöhe mit dem Gegner.
Es ist eines dieser hochstehenden, intensiven, mitreissenden Spitzenspiele, die eigentlich keinen Verlierer verdienen. Aber auch ein Spiel, das ein Torhüter entscheiden kann. Niklas Schlegel tut es schliesslich im Penalty-Schiessen. Er stoppt Nolan Diem, Chris DiDomenico, Alexei Dostoinov und Eero Elo.
Dieser Direktvergleich sagt nicht, dass Niklas Schlegel besser ist als Leonardo Genoni. Diese Behauptung wäre erstens polemisch und zweitens gegenüber dem SCB-Schlussmann respektlos.
Aber wir dürfen aus dieser Gegenüberstellung mit gutem Gewissen die Schlussfolgerung ziehen, dass Niklas Schlegel gut genug ist, um nächste Saison beim SC Bern die Nummer 1 zu sein. Oder beim HC Davos.
Er mahnt in seinem Auftreten neben dem Eis ein wenig an den WM-Silberhelden. Ein ruhiger, unaufgeregter Musterprofi. Er bestätigt Berns Avancen und sagt, dieses Interesse sei eine grosse Herausforderung.
Aber er mag sich nicht vertieft zum Thema äussern. Erstens ist ja bereits am nächsten Tag wieder ein Spiel (im Hallenstadion gegen Servette) und zweitens will er sich die Sache gut überlegen.
«Ich habe mir keine Frist für meine Entscheidung gesetzt. Während der Nationalmannschaftspause werde ich mit Rufi (seinem Agenten André Rufener – die Red.) zusammensitzen und alles in aller Ruhe besprechen. Ich konzentriere mich auf mein Spiel, er kümmert sich um das Drumherum. Dafür hat man ja einen Agenten …»
Vor einem Jahr hatte Niklas Schlegel noch darauf verzichtet, in Kloten die Nummer 1 zu werden. Wie sich inzwischen gezeigt hat, war das ein weiser Entscheid. Es war ein Entscheid für die ZSC Lions, nicht gegen Kloten. Er wisse das sehr gute Umfeld bei den ZSC Lions sehr zu schätzen. Hier hat er die gleiche Grundschulung durchlaufen wie Leonardo Genoni.
Die Partie in Langnau sagt uns nicht nur, dass Niklas Schlegel gut genug für den SCB ist. Sie gibt uns auch eine Antwort auf die Frage, ob die ZSC Lions in einer Krise stecken. Die Antwort lautet: «Nein».
Die Defensive (66 Gegentreffer) ist zwar nicht so gut organisiert wie die SCB-Verteidigung, die beste der Liga (44 Gegentore). Was sich auch an einer leicht höheren Anzahl Schüsse pro Spiel aufs eigene Tor (21) als beim SCB (15) zeigt. Da sind noch ein paar taktische Handgriffe des Trainers gefragt.
Aber Serge Aubin ist in Zürich in seiner ersten und Kari Jalonen in Bern bereits in seiner dritten Saison. Die Zürcher gehen insgesamt im Spiel höhere Risiken ein. Was für eine Mannschaft mit so viel Talent logisch ist.
Die Mannschaft «lebt», zeigt Emotionen und keinerlei Zerfallserscheinungen. Die Zürcher haben viel Selbstvertrauen und wissen, dass die Meisterschaft weder im Oktober noch im November oder Dezember, sondern erst im März und April entschieden wird. Das mag phasenweise zu einer gewissen Nachlässigkeit führen.
Die Spielweise wirkt im Vergleich etwa zum «fliegenden» Biel konservativ (polemisch: vongestern) und eher unspektakulär. Aber es ist der Stil von Meistermannschaften. Wichtig auch: die ZSC Lions sind robust, kräftig und physisch «unkaputtbar» und dazu in der Lage, einen Gegner vom Eis zu arbeiten. Wenn sie wollen. Manchmal wollen sie nicht ganz so fest. In Langnau wollten sie ganz fest und haben so den Ausgleich erzwungen.
Trainer Serge Aubin in Gefahr? Nein. Höchstens dann, wenn die Playoffs in Gefahr geraten – und wenn ein Trainer mit dieser Mannschaft die Playoffs nicht erreicht, muss er sogleich nach der Partie gefeuert werden, nach der feststeht, dass die Playofffs verpasst worden sind. Ganz egal, wie er heisst und wie viele Jahre sein Vertrag noch läuft.
Serge Aubin ist zwar (noch) kein charismatischer, grosser Bandengeneral. Aber hinter ihm steht mit Sven Leuenberger ein charismatischer grosser Sportchef und Architekt von mehreren Meisterteams.
Der Meister hat noch viel Reserven. Im Unterschied zum SC Bern, Biel oder zu Langnau sind die ZSC Lions auf den vier Ausländerpositionen weniger gut besetzt. Sie haben keine so dominanten Stürmer wie Harri Pesonen und Chris DiDomenico. Das Tor zum 2:0 sieben Sekunden vor dem Ende des ersten Drittels hat Chris DiDomenico magistral vorbereitet und Harri Pesonen wuchtig vollstreckt. Es war wie Blitz und Donner. Der Finne donnerte ins Tor, was der Kanadier vorher spielerisch geblitzt hatte.
Mit zwei ausländischen Stürmern dieser Kragenweite hätten die ZSC Lions mindestens zehn Punkte mehr auf dem Konto – und dann wären sie auf gleicher Tabellenhöhe wie Leader Bern.
Bis zu den Playoffs wird Sportchef Sven Leuenberger auf den Ausländerpositionen nachrüsten. Die ZSC Lions sind ein heisser Kandidat für die Titelverteidigung.