Wer so siegt wie der SCB gegen Langnau hat die Hockeygötter auf seiner Seite. Chris DiDomenico verpasst mit einem Penalty den Anschlusstreffer zum 2:1 und der Ausgleich zum 2:2 wird von den Schiedsrichtern dank einer neuen Regelauslegung annulliert. Seit dieser Saison dürfen die Schiedsrichter auch nachprüfen, ob einem Tor ein hoher Stock oder ein Handpass vorausgegangen ist. Also Vergehen, die zwar nicht eine Strafe, aber einen Spielunterbruch nach sich ziehen. Und zwar dürfen sie die Entstehung des Tores so lange zurückverfolgen wie die angreifende Mannschaft in der Angriffszone im Puckbesitz war. In diesem Falle holte Julian Schmutz im Spielzug, der mit dem Tor zum 2:2 endete, den Puck mit einem zu hohen Stock herunter. Ein seltener Fall. Aber regeltechnisch hundertprozentig korrekt.
Die Hockeygötter waren also mit dem Meister und mit dem neuen Trainer Hans Kossmann. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass die Hockey-Götter diese Saison hin und wieder auch gegen den SCB waren. Es ist jetzt vor der Nationalmannschaftspause und der Schlussphase der Qualifikation nicht die Zeit der Polemik. Die kommt dann noch früh genug, wenn die Entscheidungen gefallen sind. Nun ist die Zeit der nüchternen Analyse um sich in der turbulentesten Schlussphase seit Einführung der Playoffs (Saison 1985/86) zurechtzufinden.
Die zentrale Frage ist ja: wer schafft die Playoffs? Fünf Teams (Lugano, Langnau, der SCB, Ambri und Gottéron) spielen um die letzten zwei Playoff-Plätze. Um die Chancen beurteilen zu können, müssen wir erst einmal wissen, wie viele Punkte es überhaupt braucht. Mit einer einfachen Formel können wir einen theoretischen Wert errechnen.
68 Punkte können im besten Fall für die Playoffs reichen. Wie kommen wir auf diesen Wert? Die SCL Tigers stehen auf dem 8. und letzten Playoffrang mit 57 Punkten. Das bedeutet, dass sie bisher pro Partie 1,36 Punkte geholt haben. Hochgerechnet werden sie also nach 50 Partien auf dem 8. Platz stehen, wenn sie diesen Punkteschnitt durchhalten – und wenn sie dies schaffen, dann erreichen sie eben diese 68 Punkte. So einfach ist das. Allerdings sind auch Konstellationen möglich, die 69 oder noch mehr Punkte erfordern. Aber um alle möglichen Varianten auszurechnen, wären grössere Computer-Kapazitäten als bei der ersten Mondlandung erforderlich. Zumal ja nicht alle fünf Teams gleich viele Spiele ausstehend haben.
Die Ausgeglichenheit ist diese Saison so gross wie noch nie seit der Einführung der Playoffs. Also helfen uns auch die vergangenen Punktzahlen nicht weiter. Bisher gingen die Playoffs am billigsten mit 57 Punkten weg (im Frühjahr 2011 kam Biel mit 56 Punkten auf den 9. Platz, es waren also mindestens 58 Punkte notwendig). Am meisten Punkte brauchte es bisher 2019. Die ZSC Lions erreichten mit 74 Punkten Rang 9, es brauchte also mindestens 75 Punkte.
Unsere Rechnung, dass 68 Punkte reichen, ist die einfachste, um die Playoffchancen einigermassen abschätzen zu können.
Wir müssen nun herausfinden, wie die fünf «Strichteams» diese 68 Punkte erreichen können. Lausanne und Biel fehlen zwar noch drei Punkte (sie haben aktuell 65), werden diese drei Zähler aber holen und werden bei unserer Aufstellung nicht mehr berücksichtigt. Gehen wir die fünf Kandidaten der Reihe nach durch.
Lugano fehlen für die rettende Punktezahl noch sieben Zähler. Die Tessiner benötigen also aus den sieben ausstehenden Runden zwei Siege nach 60 Minuten und einmal müssen sie die Verlängerung erreichen. Das müsste eigentlich ohne grössere Schwierigkeiten möglich sein. Zumal ja der SCB Lugano mit dem Transfer von Niklas Schlegel das Torhüterproblem versehentlich gelöst hat. Und wenn es die Hockeygötter so wollen, kommt es womöglich gar zur Mutter aller Verschwörungstheorien: was, wenn im letzten Spiel gegen Ambri beispielsweise Lugano noch einen und Ambri noch zwei Zähler benötigen? Oder Lugano keinen Punkt mehr braucht, aber Ambri mit drei Zählern in die Playoffs rutscht? Dann könnten die beiden Teams das Resultat absprechen. Ach, wäre das eine wunderbare Ausgangslage.
Luganos restliche Partien:
Lugano – Ambri
Lausanne – Lugano
Lugano – Servette
Gottéron – Lugano
Lugano – SCB
Lakers – Lugano
Lugano – Ambri
Langnau fehlen noch 11 Punkte zur theoretischen Playoffqualifikation. Dafür sind beispielsweise vier Siege notwendig: drei nach 60 Minuten und einer nach Verlängerung oder Penaltys. Als einziges Team der Liga haben die Langnauer diese Saison gegen die Lakers keinen einzigen Punkt eingebüsst. Da dürfen wir polemisch sein und schon mal sagen: wenn Langnau die Lakers nicht zum vierten Mal schlägt, ist es die Playoffs nicht wärt. Der Wiederauftakt nach der Nationalmannschafspause mit der Heimpartie gegen das Schlusslicht ist also bereits ein Schicksalsspiel. Die Prognose sei gewagt: wenn die SCL Tigers gleich in der ersten Partie nach der Pause gegen die Lakers nicht drei Punkte holen, dann werden sie die Klassierungsrunde bestreiten. Langnau hat zwar rein rechnerisch die bessere Ausgangslage als der SCB. Aber die Emmentaler haben weniger Talent. Sie stehen hockeytechnisch und finanziell auf dünnerem Eis als der Meister.
Die restlichen Partien der SCL Tigers:
Lakers – Langnau
Langnau – ZSC Lions
Servette – Langnau
Davos – Langnau
Langnau – Gottéron
Lausanne – Langnau
Zug – Langnau
Langnau – Biel
Dem Meister fehlen noch 12 Punkte zur theoretischen Playoffteilnahme. Da ist die Rechnung einfach: vier Siege nach 60 Minuten. Der SCB muss also mindestens die Hälfte der ausstehenden Partien (oder die restlichen Heimspiele) gewinnen. Das Management hat alle klassischen Krisen-Szenarien durchgespielt: unter anderem ist ein neuer Torhüter (Tomi Karhunen) verpflichtet und der grosse Meistertrainer Kari Jalonen gefeuert und durch Hans Kossmann ersetzt werden. Mit einer Playoff-Qualifikation kann der SCB Geschichte schreiben: noch nie ist ein Team, das 9 Runden vor Schluss auf dem zweitletzten Platz war, noch in die Playoffs gekommen. Und sollte es nicht reichen, so darf niemand mehr behaupten, der SCB habe uns gelangweilt – so viel Unterhaltung war in Bern noch nicht oft.
Die restlichen Partien des Meisters:
SCB – ZSC Lions
SCB – ZugBiel – SCB
SCB – Lakers
Lugano – SCB
Davos – SCB
SCB – Gottéron
Lausanne – SCB
Ambri braucht für die rettende Punktzahl (68) 13 Zähler aus 7 Spielen. Beispielsweise vier Siege nach 60 Minuten und muss dazu noch mindestens einmal die Verlängerung erreichen. Oder noch anders gesagt: Von den ausstehenden Partien sollte Ambri nicht mehr als zwei nach 60 Minuten verlieren. Dass es vielleicht möglich sein wird, in der letzten Partie ein «Päckli» mit Lugano zu machen, haben wir schon erwähnt. Trotzdem hat Ambri von allen fünf «Strichteams» die schwierigste Ausgangslage.
Ambris restliche Partien:
Lugano – Ambri
Davos – Ambri
Ambri – Lausanne
ZSC Lions – Ambri
Ambri – Servette
Ambri – Davos
Lugano – Ambri
Gottéron braucht 15 Punkte für die theoretische Playoffteilnahme. Also am meisten von allen Kandidaten. Aber Gottéron hat auch noch am meisten Spiele ausstehend. Nämlich 10. Mit 5 Siegen nach 60 Minuten könnte es reichen. Oder anders gesagt: wenn Gottéron die Hälfte der verbleibenden Spiele gewinnt, müsste die Playoff-Qualifikation gelingen. Das ist möglich.
Trotzdem, Gottéron hat nach Ambri die schwierigste Ausgangslage:
Lausanne – Gottéron
Biel – Gottéron
Gottéron – Lakers
Zug – Gottéron
Lausanne – Gottéron
Gottéron – Lugano
Langnau – Gottéron
Gottéron – Zug
SCB – Gottéron
Gottéron – Servette
In der Schlussphase der Qualifikation werden die Partien noch unberechenbarer. Logisch wäre eigentlich, dass Spiele gegen Spitzenteams schwieriger sind. Aber dem ist nicht so. Die Schlussphase ist stets die Zeit der «Gratis-Punkte». Will heissen: die bereits für die Playoffs qualifizierten Teams trainieren anders. Sie bereiten sich in der Regel durch höhere Trainingsbelastung auf die Playoffs vor und sind nicht mehr ganz so frisch. Überraschende Resultate sind in den letzten Runden eher die Regel als eine Ausnahme.
Nie ist das unberechenbare Spiel auf einer rutschigen Unterlage so unberechenbar wie in der Schlussphase dieser Qualifikation. Aber wir können immerhin sagen, wer sich im Falle eines Scheiterns am meisten ärgern wird. Nämlich das Team, das wegen der gegen die Lakers verlorenen Punkte die Playoffs verpassen wird. Da ist Ambri mit 8 verlorenen Punkten Kandidat Nummer eins. Gottéron, der SCB und Lugano haben je 4 Punkte gegen das Schlusslicht eingebüsst. Nur die Langnauer bisher noch keines. Diese «Lakers-Formel» ist keine Respektlosigkeit. Ich verneigte mich vor den Fortschritten der Lakers so tief ich es vermag. Aber ein ganz wenig Polemik muss ja schon sein.
Eine Prognose ist eigentlich reine Lotterie. Wagen wir es trotzdem.
Die logische Variante: die SCL Tigers, Ambri, Gottéron und die Lakers verpassen die Playoffs. Der 50-Millionen-Konzern SCB und das von der Milliardärin Vicky Mantegazza alimentierte Lugano haben von den fünf Teams am meisten Geld zur Verfügung. Geld macht Playoffs. Oder?
Die gerechte Variante: der SCB, Ambri, Gottéron und die Lakers verpassen die Playoffs. Langnau hat von allen fünf «Strichteams» am wenigsten Substanz und aus einem Minium ein Maximum gemacht. Harte Arbeit sollte belohnt werden. Oder?
Die spektakulärste Variante: die SCL Tigers, der SCB, Ambri und die Lakers verpassen die Playoffs – dann gäbe es noch einmal zwei echte Berner Derbys und reichlich Stoff für Polemik. Oder?
Die romantische Variante: der SCB, Lugano, Gottéron und die Lakers verpassen die Playoffs. Geld ist doch nicht alles und die Aussenseiter Ambri und Langnau mögen schliesslich fast alle. Oder?
Wären die Playouts mit dem geringsten CO2 Ausstoss seit der Einführung der Playoffs! Ergo ein neuer Rekord.....
Das klingt zwar unglaublich gut und liest sich sehr dramatisch.
Die Wahrheit ist aber, dass bereits mein Hosentelefon dieses Kriterium bei weitem erfüllt.
Ja sogar ein etwas besserer Taschenrechner kann mehr als der damalige Board-Computer.
Bern, Fribourg, Lausanne, Servette
Ambrì, Davos, Lugano, Rappi
Biel, Langnau, Zug, Zürich
Dabei fällt auf, dass es Langnau wesentlich härter als Ambrì trifft. Ein Modus sollte keine solche Ungleichheiten vorgeben.