Beim Kongress in Bratislava werden die WM-Turniere für 2023, 2024 und 2025 nach Russland, Tschechien und Schweden vergeben. René Fasel (69), der Präsident des internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF) sagt: «Die Auflage wird sein, dass wir auf NHL-Eisfeldern spielen. Bereits bei der WM 2022 in Finnland und beim Olympischen Turnier im gleichen Jahr in Peking werden die Spielfelder NHL-Masse haben.» Die Umstellung betreffe auch die U20- und U18-WM.
Dabei geht es um vier Meter. Die Eisfelder in der NHL sind vier Meter schmäler als jene in Europa.
Päng! Dieser «Vier-Meter-Plan», so leichthin gesagt, wird noch viel zu reden und politisch zu ringen geben.
Eigentlich ist es ja gar keine Entscheidung. Das Regelbuch macht es theoretisch möglich, das Spielfeld ohne die Zustimmung aller 76 Mitgliederländer auf die NHL-Masse zu verkleinern.
Aber diese Umstellung ist mit Kosten verbunden. Nicht in Nordamerika. Dort weisen alle Eisfelder NHL-Masse auf. Wohl aber in Europa. SCB-Mitbesitzer und -Manager Marc Lüthi, Präsident der europäischen Profiklub-Vereinigung, sagt: «Die Umstellung auf die NHL-Masse kostet siebenstellig.» Also mehr als eine Million Franken. Deshalb ist er dagegen.
Eine Regeländerung mit solchen Auswirkungen könnte also theoretisch für die WM diktiert werden. René Fasel sagt, das Council – der IIHF-Exekutivrat, sozusagen der Bundesrat des Welteishockeys – sei dafür. «Aber es ist klar, dass ein Entscheid von solcher Tragweite von der Basis getragen werden sollte.» Deshalb werde er den «Vier-Meter-Plan» dem IIHF-Kongress unterbreiten. Dieser Kongress ist die Vollversammlung aller 76 Mitgliederländer.
In seiner Amtszeit hat René Fasel noch vier Kongresse, um diesen historischen Entscheid absegnen zu lassen.
René Fasel hat die sportlichen Argumente auf seiner Seite. Inzwischen ist es unbestritten, dass das Eishockey auf den NHL-Eisfeldern intensiver, besser ist. Er sagt: «Wir haben bei der WM hier in Bratislava wieder über 100 Spieler aus der NHL. Es kann eigentlich nicht sein, dass wir den besten Spielern der Welt für eine Weltmeisterschaft eine Umstellung auf ein anderes Eisfeld zumuten.»
Der internationale Eishockey-Verband (IIHF) hat nur die Hoheit über die WM- und Olympiaturniere. Den Ligen kann die Umstellung auf NHL-Eisfelder nicht vorgeschrieben werden. Betroffen sind nur die Eisfelder bei Titelkämpfen.
Aber es geht bei so einem Entscheid eben auch um Politik. Es ist keineswegs sicher, dass René Fasel seinen «Vier-Meter-Plan» beim Kongress durchbringen wird.
So oder so werden in Bratislava die WM-Turniere von 2023, 2024 und 2025 mit der Auflage vergeben, dass auf NHL-Eisfeldern gespielt wird. Oder besser: Offiziell ohne diese Auflage, inoffiziell aber schon. Die ganze Sache ist also ein brisanter hockeypolitischer Balanceakt. Fasel sagt: «Wir regeln das in Gesprächen. Den Organisatoren bleibt genug Zeit für die Umstellung». Und bei neuen Stadien würden ohnehin immer mehr NHL-Eisfelder gebaut.
Wir werden also ab 2022 die Eishockey-WM unabhängig von Kongressentscheiden auf NHL-Eisfeldern sehen. Und unabhängig von Kongressentscheiden werden die wichtigsten europäischen Ligen nach und nach umstellen. Denn die Eishockeywelt wird von der NHL regiert, die nicht einmal Mitglied des internationalen Eishockeyverbandes ist. Money talks. Die NHL setzt mehr Geld um als alle übrigen Ligen der Welt zusammen und beschäftigt die besten Spieler der Welt. Jeder Junior lebt den NHL-Traum. Nach der NHL strebt alles. Also passen sich alle, Kongressentscheide hin oder her, nach und nach der NHL an.
Neben dem «Vier-Meter-Plan» treibt noch eine Frage die internationale Eishockeywelt hier in Bratislava um. Was macht René Fasel, wenn er nicht mehr IIHF-Vorsitzender ist?
Nach dem Herbstkongress von 2020 in der Schweiz geht seine Amtszeit zu Ende. Kein anderer Präsident hat die IIHF so lange und so erfolgreich geführt wie René Fasel. Er hat das Amt im Sommer 1994 übernommen. Im «ewigen» Ringen mit dem übermächtigen Einfluss der NHL ist es Fasel gelungen, den Status der WM noch auszubauen und kommerziell zu festigen und die Bedeutung des Olympischen Turniers zu bewahren. Eishockey ist heute weltweit so erfolgreich wie nie.
René Fasel gilt als einer der weltweit grössten Sportfunktionäre der letzten 20 Jahre. Sein Meisterstück – ein gemeinsames Frauen-Hockeyteam von Nord- und Südkorea bei den Olympischen Spielen von 2018 – ist in die Geschichte eingegangen.
Er ist einer der raren mächtigen internationalen Sportfunktionäre, die integer und vom Schwefelgeruch des Skandals verschont geblieben sind. Anders als so manchem seiner Kollegen ist es ihm vergönnt, in Anstand und höchsten Ehren in den Ruhestand treten. Wobei: Ruhestand wird es für ihn nicht geben. Er sagt: «Ich könnte gar nicht zu Hause bleiben. Eishockey ist mein Leben. So lange ich es vermag, bin ich bereit, meine Erfahrung zum Wohle unseres Sportes einzusetzen.»
Hinter dieser wohlüberlegten Formulierung verbergen sich interessante Pläne. Fasel ist ein exzellenter Kenner der russischen Geschichte und Kultur. Er wird oft als Napoléon des Hockeys bezeichnet. Aber anders als der echte Napoléon hat er nicht den Fehler gemacht, mit den Russen zu streiten. Er hat aus der Geschichte gelernt und pflegt seit Jahren beste Beziehungen mit den russischen Eishockey-Granden.
Nun wiederholt sich die Geschichte. Schon in den alten Zeiten dienten immer wieder westliche Spezialisten am Hof der russischen Zaren. Aus dem Westen kamen Käsermeister, Uhrenmacher, Soldaten und Generäle. Vor allem Offiziere aus dem Welschland (u.a. François und Pierre Lefort, Charles-Emanuel de Warney, Antoine-Henri Jomin) machten einst am Hofe zu St.Petersburg glänzende Karrieren.
Heute regiert in Russland nach einem 70-jährigen Unterbruch wieder ein Zar. Keiner aus dem Hause Romanow zwar, und erst noch ein demokratisch gewählter. Aber Wladimir Putin hat mindestens so viel Charisma und Machtwillen wie die letzten Zaren. Und auch er weiss die politische Klugheit der Schweizer zu schätzen.
Dem russischen Regierungschef liegt das Wohl des Eishockeys und der grossrussischen KHL am Herzen. Niemand hat mehr hockeypolitisches Geschick, niemand hat mehr Beziehungen in der Hockeywelt als René Fasel. Einige sehen ihn deshalb schon als künftigen Präsidenten der KHL. Doch er sagt: «Nein, ein Exekutiv-Amt werde ich nicht mehr übernehmen. Ich werde übrigens ganz sicher auch nicht Präsident von Fribourg-Gottéron. Dieses Amt wäre für mich definitiv zu schwierig.»
Nicht Präsident der KHL. Nicht Vorsitzender von Fribourg-Gottéron, dem Klub, aus dem er hervorgegangen ist. Der ehemalige Schiedsrichter wird einen anderen Weg gehen und sozusagen in den hockeydiplomatischen Dienst eintreten. Als Putins Hockey-Chefdiplomat. Er dementiert diese Möglichkeit nicht und sagt dazu lediglich: «Ich bitte doch darum, nicht Spekulationen anzuheizen. Aber für die Entwicklung des Eishockeys ist der russisch-asiatische Markt von grösster Wichtigkeit und dafür werde ich mich einsetzen.» Das grosse Fernziel sei eine KHL, die den chinesischen, koreanischen und japanischen Markt umfasse.
Bei der Regelung seiner Nachfolge hält er sich zwar staatsmännisch zurück, hat aber schon seine Wunschvorstellung. «Ich sähe am liebsten einen ehemaligen Spieler als Nachfolger.» Namen braucht er nicht zu sagen. Seine Favoriten sind Deutschlands Verbandspräsident Franz Reindl (64), ein ehemaliger Weltklasse-Stürmer, und der ehemalige tschechische Nationalgoalie Petr Briza (54). Beide haben bereits hohe IIHF-Ämter inne.
Wenn René Fasel als Präsident geht, wird die Schweiz im IIHF-Council nicht mehr vertreten sein. Es sei denn, ein Schweizer wird beim Herbstkongress 2020 gewählt. Verbands-Sportdirektor Raeto Raffainer, der künftige HCD-Sportchef, tritt zur Wahl an. Wie sieht Fasel diese Kandidatur? «Er hat gute Chancen. Er muss die WM im nächsten Jahr in der Schweiz für seinen Wahlkampf nützen.» Das Wohlwollen Fasels hat Raffainer also schon mal.
Kann das jemand erklären, warum dies abgesehen von neuen Banden und weniger Bandensponsoringeinnahmen so teuer sein soll?
Auf der anderen Seite gäbe es allenfalls Mehreinnahmen durch Ausbaumöglichkeiten der Stadionkapazitäten.