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Unter der neuen Führung von Sportdirektor Raeto Raffainer wird inzwischen auf die Möglichkeit verzichtet, die Nationalmannschaft während der Saison nach und nach aufzubauen wie einst unter Ralph Krueger. Nach dem «kanadischen Prinzip» werden erst nach der Meisterschaft die besten Spieler fürs WM-Team aufgeboten. Deshalb spielen die NHL-Stars eine zentrale Rolle.
Das Schicksal der WM-Expedition wird sich in Nashville entscheiden. Scheiden die Predators rechtzeitig aus den Playoffs aus oder verpassen die «Raubtiere» gar die Playoffs, dann kann Patrick Fischer auf Roman Josi zählen. Der Berner ist unser einziger Weltklassespieler und wird, wenn er denn fit ist und nach Moskau fliegen kann und darf, die Mannschaft zusammenhalten und auf dem Eis führen. So wie er uns schon an der letzten WM in Prag vor dem Abstieg bewahrt und auf wundersame Weise noch ins Viertelfinale geleitet hat wie Moses einst das auserwählte Volk durch die Wüste Sinai ins gelobte Land.
Wenn Roman Josi nicht zur Verfügung steht, dann wird es eng. Eine ganze Reihe von NHL-Spielern werden nicht nach Moskau fliegen: Beispielsweise Torhüter Reto Berra, Verteidiger Luca Sbisa sowie die Stürmer Sven Bärtschi und Sven Andrighetto.
Sven Bärtschi und Sven Andrighetto stehen in der besten Saison ihrer Karriere und setzen sich in der NHL durch. Sie hätten in einem WM Team eine zentrale Rollte und könnten unsere notorische internationale Offensiv-Schwäche erheblich mildern. Aber beide haben auslaufende NHL-Verträge.
Ihr Agent Andi Rufener sagt auf Anfrage nicht, dass seine Klienten nicht für die WM zur Verfügung stehen. Er drückt es vielmehr diplomatisch aus. «Es wäre verantwortungslos, ohne NHL-Vertrag eine WM zu bestreiten. Das Verletzungsrisiko ist zu gross.» Tatsächlich war Sven Bärtschis bisher einziges WM-Abenteuer 2014 in Minsk schon nach einem Spiel wegen einer Verletzung zu Ende.
Sven Bärtschi und Sven Andrighetto stehen in Vancouver bzw. Montréal vor einem wegweisenden Frühjahr. Bei einer WM können sie alles verlieren und nichts gewinnen. Eine Verletzung würde ihre Vertragschancen arg beeinträchtigen. Hingegen beeinflussen die Leistungen bei einer WM diese Vertragsverhandlungen nicht. Kürzlich sagte es ein einflussreicher NHL-Spieleragent so: «Die General Manager interessiert es nicht einmal, ob einer WM-Topskorer war.»
Torhüter Reto Berra und Verteidiger Luca Sbisa werden nach der Saison Verletzungen auskurieren. Zudem heiratet Luca Sbisa im Juli. Beide stehen für die WM ebenfalls nicht zur Verfügung.
Neben Roman Josi kann Patrick Fischer immerhin auf einen zweiten NHL-Spieler hoffen, der ihm helfen kann: Auf WM-Silberheld Nino Niederreiter. Er hat einen weiterlaufenden Vertrag. Nino Niederreiter wird, wenn Minnesota nicht in den Playoffs spielt und er fit ist, in Moskau für die Schweiz stürmen.
Oder könnte am Ende gar Kevin Fiala (19) unser Offensivspiel befeuern? So wie 2014 und vor allem 2015? Nun, diese Chance besteht. Aber die Frage sei erlaubt, ob es Nationaltrainer Patrick Fischer gelingen würde, diesen eigenwilligen Schillerfalter so ins Team zu integrieren, dass der «innere Friede» nicht gestört wird.
Nashvilles General Manager David Poile (66) ist einer der höflichsten und freundlichsten Persönlichkeiten im Hockeygeschäft. Es ist nicht bekannt, dass er in mehr als 30 Jahren Tätigkeit in den NHL-Chefetagen je mit unbedachten Aussagen eine Polemik entfacht hätte. Und so ist es schon bemerkenswert, dass er auf die Frage, warum er diese Saison Kevin Fiala aus dem Farmteam in die NHL geholt habe, so zitiert worden ist: «Verzweifelte Situationen verlangen nach verzweifelten Massnahmen.» Nashville kämpft auf ähnlich dramatische Art und Weise um die Playoffs wie der SC Bern.
Auch Yannick Weber wäre ein WM-Kandidat. Aber er hat sich im letzten Frühjahr arg verpokert. Nach seiner besten NHL-Saison (65 Spiele/21 Punkte) hatte er in Vancouver durchaus Chancen auf einen bescheiden dotierten Mehrjahresvertrag. Er unterschrieb nur für ein Jahr. Der Grund: Er wird mit 27 Jahren nun «unrestricted free agent». Will heissen: er kann den Arbeitgeber frei wählen und wer ihn verpflichtet braucht keine Transferentschädigung (Spieler, Draftrechte) zu leisten.
Solche Spieler haben einen hohen Marktwert. Mit gleichen Leistungen wie letzte Saison könnte Yannick Weber jetzt endlich einen Vertrag bekommen, der ihn zum mehrfachen Dollarmillionär macht. Aber er hat Pech: Vancouver setzt nicht mehr auf ihn. Sondern auf andere Verteidiger im eigenen System mit gleicher Kragenweite. Schon deshalb, weil Yannick Weber ja Ende Saison gehen kann ohne dass Vancouver für ihn auf dem Transfermarkt eine Gegenleistung erhält. In der aktuellen Verfassung muss der Berner froh sein, überhaupt irgendwo noch einen NHL-Vertrag zu bekommen.
Vielleicht wäre es bei ihm an der Zeit, sein Talent endlich richtig zu kapitalisieren – so wie bei Rafael Diaz, der seinen NHL-Traum aufgibt und nächste Saison zum EV Zug wechselt. Der Bedarf an guten Verteidigern ist nicht nur beim SCB inzwischen so gross, dass Yannick Webers Agent mit kluger Verhandlungstaktik in der NLA für einen Vierjahresvertrag mindestens drei Millionen herausholen könnte. Auch bei Yannick Weber ist bei dieser Ausgangslage ein WM-Abenteuer im vertragslosen Zustand verantwortungslos.
Halt, ist da nicht noch Mark Streit? Ja, gewiss, der erste NHL-Star mit Schweizer Pass ist nach wie vor ein Verteidiger, der einem WM-Team helfen kann. Ob der Captain der letztjährigen WM-Mannschaft überhaupt zur Verfügung stehen wird, ist nach wie vor offen. Es ist möglich, dass er von Philadelphia noch vor dem Ablauf der Transferfrist (29. Februar) zu einem Playoff-Team transferiert wird.
Mark Streit ist inzwischen 38 Jahre alt. Auf den grossen europäischen Eisfeldern ist er nicht mehr dazu in der Lage, eine offensiv dominierende Rolle zu spielen. Ein Ersatz für Roman Josi kann er nicht sein. Wie wir es auch drehen und wenden: Unser WM-Schicksal wird in Nashville entschieden. Überspitzt formuliert: Das WM-Team steht und fällt mit Roman Josi.