Die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman hat einst einen Bestseller geschrieben: «Die Torheit der Regierenden». Hätte sie unser Hockey gekannt, wären die aktuellen Geschehnisse ein zentraler Bestandteil ihres Buches geworden.
Die National League war – bzw. ist noch ein Jahr lang – eine der besten Ligen der Welt. Die höchsten Zuschauerzahlen nach der NHL, sportlich die Nummer drei hinter der nordamerikanischen NHL und der grossrussischen KHL und erst noch ausgeglichen.
Nun sind «Reformen» im Gang, die aus unserer National League eine Operettenliga für dritt und viertklassige Spieler aus Nordamerika, Skandinavien und den ehemaligen Kronländern der Donaumonarchie machen werden: 10 Ausländer, kein Auf-/Abstieg und obendrauf noch eine längst zur Wirkungslosigkeit verwässerte Lohnbeschränkung («Financial Fairplay»).
Noch nie seit den Lebzeiten von Karl Marx und Friedrich Engels hat es in der freien Marktwirtschaft so viel Arroganz gegenüber der zahlenden Kundschaft gegeben: Gut 90 Prozent aller Fans lehnen die Neuerungen (10 Ausländer, kein Abstieg) ab. Und das in einer Zeit, in der die Klubs mehr denn je auf ihre Kundinnen und Kunden angewiesen sind und eigentlich alles tun müssten, um die emotionale Bindung des Publikums zu hegen und pflegen. Dazu gibt es einen wunderbaren Spruch des belgischen Sozialisten Paul-Henri Spaak: «Dummheit ist die sonderbarste aller Krankheiten. Der Kranke leidet niemals unter ihr. Aber die anderen leiden.»
So ist die Frage: Welches Rezept gibt es gegen die unfassbare Beschränktheit der Liga- und Klubgeneräle, gegen diese grösste Torheit unserer Sportgeschichte? Es gibt nur noch drei.
Die Captains aller 12 Teams der National League verlangen einen Termin bei ihrem Präsidenten (bzw. ihrer Präsidentin) und machen einen Vorschlag: Wir sind bereit, über weiteren Lohnverzicht zu verhandeln. Wenn die Anzahl Ausländer nicht erhöht wird. Kommt es jedoch zu einer Erhöhung der Ausländerzahl, gibt es keinen Verzicht mehr und alle Verträge werden bis auf den letzten Rappen und das letzte Komma erfüllt.
Im Sommer beginnen die konkreten Gespräche über den neuen TV-Vertrag. Heute kosten die TV- und Vermarktungs-Rechte der Liga pro Saison rund 35 Millionen. Wer für die TV-Rechte an einer Liga, die sich gerade mit Reformen selbst «zerstört» noch einmal 35 Millionen bezahlt, ist nicht mehr bei Sinnen. Vielleicht geht den Einfaltspinseln der Liga im Laufe dieser Verhandlungen doch noch ein Lichtlein auf.
Walter Frey, der einzige Klubpräsident, dem die Tragweite der Dummheit der Reformen klar ist, lädt alle seine Präsidentenkollegen zu einer Sitzung ein und macht allen klar, um was es geht. Er ist wahrscheinlich inzwischen der einzige, der diesen bösen Spuk noch beenden könnte und übernimmt so die Aufgabe, die eigentlich Sache des Verbandspräsidenten wäre. Den aber nimmt niemand ernst: der Verband hat mit Michael Rindlisbacher den mit grossem Abstand führungsschwächsten Vorsitzenden der Geschichte (seit 1908). Die Verantwortung für die «Zerstörung» unserer Liga liegt letzten Endes nicht bei den Managern und Sportchefs und auch nicht beim Verband. Sie liegt einzig und allein bei den Klub-Präsidenten.
Fanproteste helfen leider nicht: Arroganz und Ignoranz der Klub- und Ligageneräle sind inzwischen so gross geworden, dass sie davon ausgehen, dass die Fans trotz allem ins Stadion kommen werden. Und den Henriks, Jespers, Jakubs und Karels ebenso freudig zujubeln werden wie den Simons, Tinos, Juliens, Flurins, Sébastiens oder Fabians.
Wenn es nicht mehr gelingt, diese «Selbstzerstörung» unseres Hockeys aufzuhalten, dann eröffnen sich immerhin Chancen. Eine Lösung finden wir in der Geschichte unseres Eishockeys. Von 1916 bis 1933 wurde zusätzlich zur Nationalen Meisterschaft – hier galt eine Ausländerbeschränkung – eine Internationale Meisterschaft ohne Ausländerbeschränkung ausgetragen. Die Clubs konnten an beiden Konkurrenzen teilnehmen. Wobei heute für die Meister-Statistik nur die Titel der Nationalen Meisterschaft gelten.
Was von 1916 bis 1933 möglich war, kann ab der Saison 2022/23 wieder eingeführt werden: eine Internationale Meisterschaft und eine Nationale Meisterschaft. Die National League wird zur Internationalen Meisterschaft. Die Swiss League – der Name sagt es ja schon! – wird zur Nationalen Meisterschaft.
Diese Möglichkeit ist umso realistischer, weil sich ja die Swiss League inzwischen juristisch selbständig und von der National League unabhängig gemacht hat. Sobald die «Selbstzerstörung» der National League ab der Saison 2022/23 im Gang kommt, werden zwischen 50 und 100 Schweizer Spieler plus die besten jungen Talente auf den Markt kommen und können von den Teams der Swiss League zu günstigen Konditionen verpflichtet werden. Die Swiss League wird dann beides: eine spektakuläre Meisterschaft und eine Ausbildungs-Liga. Sie ist jetzt schon die drittbeste zweithöchste Spielklasse der Welt.
Es ist nun an den Managern der Swiss League, Strukturen zu schaffen, die einen Halbprofi-Spielbetrieb ermöglichen. Die Löhne werden zwar tief sein, aber der Spielbetrieb kann so organisiert werden, dass die Jungs nebenher arbeiten können. Die Sponsoren sorgen für gute Ausbildungs- und Arbeitsplätze im richtigen Leben.
Die Swiss League wird so zu einer Meisterschaft der Schweizer Spieler. Der Sieger der Swiss League ist der echte Schweizer Meister. Für die Aufstiegskandidaten Kloten, Olten und Ajoie wird es sportlich und wirtschaftlich viel attraktiver sein, in der Swiss League ein Spitzenteam mit eigenen Spielern zu bleiben als in der National League ein Operetten-Team mit zehn Ausländern zu werden. Es ist an Swiss League-General Jean Brogle, in den anstehenden TV-Verhandlungen die Swiss League als glaubwürdige, bessere Alternative zur Operetten-Liga National League anzupreisen. Und die Swiss League kann auch für die Fans und Sponsoren eine Alternative werden: für besseren Sport, viel mehr Dramatik und Spannung und bessere regionale Verankerung für viel weniger Geld.
Die Swiss League ist jetzt schon mit zwei Teams im bevölkerungsreichen zentralen Mittelland (Olten, Langenthal), Mannschaften im Grossraum Zürich, in der Ostschweiz, im Wallis und im Welschland regional bestens verankert. Mit der Aufnahme von Arosa und Basel wird die Marktabdeckung optimal. Zudem ist es möglich, mit der höchsten Amateurliga den sportlichen Auf-/Abstieg weiterzuführen.
Um beim Beispiel Kloten zu bleiben: Wenn sich die Zürcher doch dazu verführen lassen, aufzusteigen oder sich in die National League einzukaufen, dann gibt es ein erfolgsversprechendes Konzept: ganz auf Ausländer verzichten, die «Swissness» pflegen und als Schweizer Mannschaft antreten. Ein cooles, ja geiles Logo gibt es schon: von den «Helvetics», die einst mit Sportchef Lars Weibel die KHL erobern wollten. Ein Logo, das sich auch für die Vermarktung der Swiss League eignen würde.
Die Sponsoren, Zuschauerinnen und Zuschauer werden ein Konzept «Kloten Helvetics» honorieren. Mit Klugheit und Geduld ist es möglich, in drei Jahren eine konkurrenzfähige Mannschaft mit Schweizer Spielern aufzubauen.
Dieses «helvetische Konzept» eignet sich auch bestens für Langnau und Ambri. Ambri übernimmt einfach die durch zehn Ausländer überzählig gewordenen Routiniers und Talente von Lugano und Langnau jene, die in Bern aus dem gleichen Grund überzählig werden.
P.S. Sobald die zehn Ausländer pro Team definitiv beschlossen sind, werde ich mich als Spieleragent registrieren lassen. Nicht um Geld zu verdienen. Sondern um als Berner meinen Beitrag zu Kulturförderung im Bernbiet zu leisten, indem ich meine Dienste dem SCB gratis offeriere und so vor Schaden bewahre. Es ist ja niemandem gedient, wenn sich die sportliche SCB-Führung ausländisches Personal aus Island, der Mongolei, China, Australien, Japan, Spanien oder Südafrika andrehen lässt.
Der Riesenaufwand im Nachwuchs wird nicht mehr gleich konsequent betrieben. Man hat ja 10 Ausländer und falls man noch Schweizer braucht, holt man sie in der Swiss League. Die Identifikation mit dem Club schmilzt.
Man sieht es ja jedes Jahr, wie gross das Interesse an der Champions Hockey League ist.
Ich hoffe immer noch, die Herren kommen zur Vernunft.