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Die Einladung kommt um 08.55 Uhr. Medienkonferenz um 12.30 Uhr in der Amag-Lounge im neuen Hockeytempel. Dort, wo während des Spiels nur Donatoren zugelassen sind, die mindestens 6666 Franken per anno bezahlen. Das Thema, das besprochen werden soll, wird nicht genannt.
Vorne am Pult sitzen Präsident Andreas Blank, seine VR-Kolleginnen und Kollegen Stéphanie Merillat und Sandro Wyssbrod, Manager Daniel Villard, Sportchef Martin Steinegger und Trainer Kevin Schläpfer. Das ganze Bieler «Hockey-Rösslispiel». Es wird eine denkwürdige Medienkonferenz und es geht, natürlich, um Kevin Schläpfer.
Die Bieler Hockeymacher verkünden, dass Kevin Schläpfer in Biel bleibt, keine Freigabe bekommt und nicht Nationaltrainer werden darf. Dafür wird ihm per sofort, also bereits ab Oktober, der Lohn erhöht. «Wir haben die Offerte des Verbandes und den offerieren Lohn gesehen», sagt Manager Daniel Villard. «Wir können Kevin Schläpfer bei weitem nicht so viel bezahlen. Aber eine Lohnerhöhung als Zeichen der Wertschätzung.»
Als Kevin Schläpfer an der Reihe ist, um seine Sicht der Ding darzulegen, bricht er in Tränen aus, bricht ab und bittet um eine kurze Pause. Schliesslich hat er seine Emotionen wieder im Griff und erklärt, warum er in Biel bleibt. «Es ist für mich fast unglaublich, dass ich dieses Angebot erhalten habe. Man hat mir drei Varianten offeriert: Biel und die Nationalmannschaft ab sofort im Doppelmandat, per sofort in Biel aussteigen und Nationaltrainer werden oder per Ende Saison in Biel aufhören und Nationaltrainer werden.»
Ein sofortiger Ausstieg oder ein Doppelmandat sei für ihn nie in Frage gekommen. Aber per Ende Saison in Biel aussteigen und Nationaltrainer werden – das sei für ihn ein Thema gewesen. «Als Biel dazu nein gesagt hat, habe ich das sofort akzeptiert. Biel hat in den letzten Jahren so viel für mich getan, auch privat während meiner schwierigen Zeit, als ich in Scheidung war. Das zählt für mich mehr als alles Geld.»
Präsident Andreas Blank sagt, der Verband hätte es wohl nicht gewagt, in Bern oder Zürich oder Davos hinter dem Rücken der Führung dem Trainer eine Offerte zu machen. Er interpretiert das dreiste Vorgehen von Verbandsdirektor Florain Kohler und Nationalmannschafts-Direktor Raeto Raffainer als Geringschätzung. «Wir beklagen immer wieder, dass Spieler schon vor Vertragsablauf Verträge anderorts unterschreiben und ohne das Wissen der Klubführung verhandeln. Wenigstens müsste der Verband eine Vorbildfunkton haben.» Man sei schon erstaunt gewesen, dass Kevin Schläpfer hinter dem Rücken des Verwaltungsrates eine komplette schriftliche Offerte mit Lohn und allen sonstigen Details erhalten habe.
Verwaltungsrat Sandro Wyssbrod plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen und erhellt, wie unsere famosen Verbandsgeneräle funktionieren – und wie sehr auch der SCB in diese Sache verstrickt ist. «Wir haben Raeto Raffainer gesagt, dass es so einfach nicht geht. Da hat er uns in aller Unschuld erklärt, er habe doch vorher Sven Leuenberger (SCB-Sportchef – die Red.) gefragt wie er es machen solle.»
Es ist unfassbar: der Sportchef eines grossen, mächtigen Hockeyunternehmens berät einen völlig überforderten Nationalmannschafts-Direktor – und kein Schelm, wer jetzt denkt, dass beim SCB intern über die ganze Sache herzlich gelacht worden ist – mit Schadenfreude im Wissen, welches Theater in Biel losbrechen wird. Präsident Andreas Blank sieht es mit Humor: «Das gibt uns wenigstens Stoff für eine schöne Verschwörungstheorie.»
Das Vorgehen von Raeto Raffainer hat durchaus eine Logik: SCB-Manager Marc Lüthi und ZSC-Geschäftsführer Peter Zahner, die beiden «Schatten-Präsidenten» des Verbandes, haben die Anstellung von Florian Kohler und Raeto Raffainer orchestriert. Da ist es doch nur normal, dass man seinen Förderer bei heiklen Geschäften heimlich ins Vertrauen zieht. Die Verbandspolitik wird auf der Achse Bern – Zürich gemacht – zu Lasten der Konkurrenz.
Die Zustände bei der Verbandsführung spotten jeder Beschreibung. Präsident Andreas Blank sagt: «Wir werden diese Sache mit den Verbandsverantwortlichen besprechen und hoffen doch sehr, dass Kevin Schläpfer nun in Ruhe gelassen wird.»
Rein theoretisch haben die Klubs die Macht im Verband und daher theoretisch die Möglichkeit, das Verbandspersonal auszuwechseln. Manager Daniel Villard zweifelt an einem erfolgreichen politischen Vorgehen in dieser Sache. «Die Klubs, die nicht betroffen sind, interessieren sich kaum für diese Sache.»
Die Bieler gehen davon aus, dass das Thema erledigt ist. Dass nun wieder Ruhe einkehren möge und sich Kevin Schläpfer aufs Tagesgeschäft konzentrieren kann. Wohl eine Illusion. Denn der Geist des Nationaltrainer-Angebotes ist aus der Flasche. So wie es nicht möglich ist, die Zahnpasta wieder in die Tube zurückzudrücken, so ist es für Kevin Schläpfer fortan nicht möglich, ohne dieses unmoralische Angebot zu leben.
Wann immer es Schwierigkeiten in Biel gibt wird es eine Chronistin oder einen Chronisten geben, der dieses Nationaltrainer-Angebot thematisieren wird. Das ist sich Präsident Andreas Blank bewusst und er sagt: «Wir haben mit Kevin Schläpfer schon Krisen mit zwölf Niederlagen in Serie durchgestanden. Der Trainer ist für uns kein Thema.»
Es ist wohl das erste Mal in der Hockeygeschichte, dass ein Präsident diesen legendären Satz («der Trainer ist für uns kein Thema») sagt und es wirklich so meint und es nicht in der Not einer sich abzeichnenden Entlassung tut. Kevin Schläpfer ist nun, nach allem, was in den letzten Tagen passiert ist, praktisch unentlassbar geworden. Und er hätte eigentlich gerade jetzt eine prima Ausrede, wenn es nicht läuft.
Biels Schwierigkeiten haben nach einem guten Start (5 Spiele/4 Siege) ziemlich genau mit dem Nationaltrainer-Angebot begonnen. Aber er sagt: «Ich werde diese ganze Sache niemals als Ausrede heranziehen.» Rund um Biel, Kevin Schläpfer und dem verwaisten Posten des Nationaltrainers gibt es nun eine endlose Fortsetzungsgeschichte. Eine Seifenoper. Sozusagen die «Lindenstrasse des Eishockeys.»
Hoffe für den EHC-Biel, dass bald wieder Ruhe einkehrt.
p.s. guter bericht von "klausi"!