Ist Dan Tangnes (39) ein grosser Trainer? Nein, ist er nicht. Er scheiterte zuletzt mit Linköping dreimal hintereinander in den Viertelfinals. So gesehen passt er zur Hockey-Wohlfühloase Zug.
— Louis Liesch (@LouisLiesch) 24. April 2018
Aber eine solche Einschätzung ist polemisch. Wofür sich der Chronist gleich entschuldigt. Eine neue Herausforderung ist immer eine neue Chance. Ein dynamischer, junger skandinavischer Trainer passt durchaus zum «Ausbildungsclub» Zug – auch wenn die vorbildliche Nachwuchsförderung inzwischen eine wunderbare, pädagogisch wertvolle Ausrede für die fehlende Leistungskultur in der ersten Mannschaft geworden ist.
Und wir sollten Sportchef Reto Kläy nicht unterschätzen. Er hat seinerzeit als Sportchef beim SC Langenthal mit Jason O’Leary in Österreich einen in der Schweiz zuvor unbekannten Meistertrainer gefunden.
Zugs Sportchef ist ein grosser Hockey-Diplomat. Grosses Kino, wie er den freundlichen Harold Kreis ohne Aufsehen zu erregen und in Umgehung jeder Polemik kostengünstig aus dem noch ein Jahr gültigen Vertrag nach Düsseldorf «transferiert» hat. Einen Trainer mit gültigem Vertrag nahezu kostenlos und ohne Hilfe von Rechtsanwälten und zur allseitigen Zufriedenheit und in Harmonie wegzuschicken ist so ziemlich die höchste Kunst eines Sportchefs.
Mit der bereits vorzeitig aus Schweden vermeldeten Anstellung von Dan Tangnes ist Reto Kläy wieder ein Meisterstück gelungen. Sogar eines mit Erfolgsgarantie. Erfolgsgarantie? Die gibt es im Sport nicht. Selbst bei höchstdotieren skandinavischen Trainern wissen wir nicht, ob sie sich in unserer ganz speziellen Hockeykultur durchsetzen können.
Kari Jalonen ist in Bern erfolgreich (zweimal Qualifikation gewonnen, einmal Meister). Der mehrfache schwedische Meistertrainer Hans Wallson ist hingegen in Zürich kläglich gescheitert.
Fachlich sind skandinavische Trainer ohne Fehl und Tadel. Eine «Verlotterung» der ihnen anvertrauten Mannschaft ist nicht zu befürchten. Ob sie erfolgreich sind, hängt weitgehend davon ab, ob sie arrogant einfach ihr Ding durchziehen, und davon ausgehen, dass die Spieler in der Schweiz gleich «funktionieren» wie daheim oder ob sie dazu in der Lage sind, ihre Methoden an unsere speziellen Verhältnisse anzupassen.
Vor allem bei Skandinaviern, die nie ausserhalb ihres Kulturkreises gespielt oder als Trainer gewirkt haben, ist die Gefahr gross, dass sie auf die Eigenverantwortung der Spieler setzen wie zuletzt Hans Wallson. Dass sie vergessen, dass Spieler ja junge Männer sind, die fürs Spielen und nicht fürs Arbeiten bezahlt werden, und dass sie die Feinarbeit zwischen «Ego-Flattieren» und «Schleifpapier-Psychologie» vernachlässigen.
Aber im Fall von Dan Tangnes und Zug gibt es doch eine Erfolgsgarantie. Ein Scheitern eines skandinavischen Trainers muss nämlich kein sportliches Unglück sein. Inzwischen haben wir ein sehr schönes Beispiel, dass es dann nur darauf ankommt, den richtigen Zeitpunkt für die Amtsenthebung zu finden. Und dass sich Nordamerikaner nach wie vor am besten als «Nottrainer» eignen, um eine Mannschaft von der «skandinavischen Grippe» zu heilen. Hans Kossmann hat als Nachfolger von Hans Wallson die ZSC Lions soeben bis ins Finale geführt.
Hans Kossmanns Amtszeit läuft bekanntlich am Ende dieser Saison aus. Die ZSC Lions haben bereits im Dezember Serge Aubin als neuen Trainer für die nächsten zwei Jahre unter Vertrag genommen.
Und so hat Reto Kläy in der Trainerfrage sozusagen den Batzen und das Weggli: entweder wird Dan Tangnes in Zug ein grosser Bandengeneral. Dann ist alles gut. Und sollte der Norweger scheitern, dann kopiert Zugs tüchtiger Sportchef einfach die ZSC Lions und holt in der Weihnachtspause – richtig – Hans Kossmann. Auf, dass es in Zug in den Playoffs rockt wie diese Saison bei den ZSC Lions.
Hans Kossmann kann sich also im Sommer gut von seinem ZSC-Abenteuer erholen, sich um die Renovation seiner Liegenschaften in Vancouver kümmern und sich mit den modernen, global funktionierenden Kommunikationsmitteln über die Gänge und Läufe in Zug auf dem laufenden halten. Ein Deal wäre im Falle eines Falles rasch gefunden: sein Agent Dani Giger verfolgt die Partien der Zuger meistens im Stadion in der firmeneigenen Loge.
Natürlich wäre Hans Kossmann die naheliegende Trainer-Lösung gewesen. Zugs Hockeykultur ist stark nordamerikanisch geprägt. Aber Zug ist eines der führenden Hockeyunternehmen im Land. Hier gibt man sich nicht einfach mit einer handgestrickten, profanen, einfachen Lösung zufrieden.
Es muss eine überraschende Lösung sein. Und ein zu sehr auf Erfolg programmierter, rauer Bandengeneral, der die beschauliche Ruhe zu sehr stört, mögen in Zug weder der kluge Präsident noch der besonnene Geschäftsführer noch der nette Sportchef und erst recht nicht die freundlichen Spieler. Die Führung eines Opernhauses wird schliesslich auch nicht einem Rockstar überlassen.