Wer behauptet, Lugano habe ein Problem auf der Position des Sportchefs, riskiert keine Verleumdungsklage. Wer sagt, kein anderes Hockeyunternehmen zeige bei der Besetzung des Traineramtes so viel Unverstand wie Lugano, kommt der Wahrheit recht nahe. Noch selten ist während Jahren im Sport so viel Geld, so viel Leidenschaft, so viel Talent so unglücklich gemanagt worden. Lugano ist drauf und dran, die Eishockeyantwort auf YB zu werden.
Auf eine Aufzählung der Irrtümer von Sportchef Roland Habisreutinger und eine vollständige Liste der Trainer, die seit dem letzten Titelgewinn von 2006 in Lugano gescheitert sind, verzichtet der Chronist. Erstens aus Höflichkeit und zweitens aus Bequemlichkeit: Er mag nicht einen ganzen Tag für eine solch umfangreiche Arbeit investieren und zudem würde eine solche Aufzählung den Rahmen dieser Kolumne bei weitem sprengen.
Fragen wir ganz einfach unpolemisch: Was braucht der HC Lugano, um wieder das «Grande Lugano» zu werden, das wir einst so bewundert haben? Gar nicht so viel. Bloss einen erfahrenen Sportchef mit formidabler Erfolgsbilanz, der das Geld klug investiert, und einen Trainer, der weiss, wie man mit einer grossen Mannschaft unter maximaler Belastung eine Meisterschaft gewinnt. Im Idealfall haben dieser Sportchef und dieser Trainer in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet oder Lugano gar schon kennen gelernt.
Sind drei Titel, zwei weitere Finals und drei Qualifikationssiege in zehn Saisons eine Erfolgsbilanz für einen NLA-Sportchef? Zweifelsfrei. Zufall können wir als Erfolgsfaktor definitiv ausschliessen.
Ist ein Trainer, der den SC Bern, das Bayern München des Eishockeys, erst auf dem 8. Platz in die Play-offs bringt und dann nacheinander Marc Crawford, Arno Del Curto und Doug Shedden auscoacht und Meister wird, ein Erfolgstrainer? Zweifelsfrei.
Wir dürfen also Berns ehemaligen Sportchef Sven Leuenberger und seinen Bruder, den letztjährigen SCB-Meistertrainer Lars Leuenberger, als Erfolgstrainer bezeichnen.
Nehmen wir nun an, die Leuenbergers wären Kanadier. Die «Mountainlions-Brothers» würden in den Medien als «Hockey-Berglöwen», als Siegfried & Roy, als Hindenburg & Ludendorff oder als Simon & Garfunkel des Hockeys gefeiert. Sie müssten in Lugano nicht mehr verhandeln und um das Salär feilschen. Sie dürften die Lohnsumme nach ihren Wünschen selber im Vertrag eintragen.
Lars und Sven Leuenberger sind zu haben. Lars ist zurzeit ohne Job. Sven hat beim SCB als strategischer Leiter der Sportabteilung einen jederzeit kündbaren Vertrag. Beide könnten ihre Arbeit in Lugano in nützlicher Frist aufnehmen. Sven kennt das besondere Hockey-Reizklima im Tessin. Er verteidigte von 1992 bis 1994 für den HC Lugano. Lars ist nicht nur ein Meistertrainer. Er versteht es auch, junge Spieler zu fordern und zu fördern. Er gewann auch mit den Elite-Junioren des SC Bern die Meisterschaft. Nachwuchsarbeit liegt Lugano am Herzen.
Wer nun sagt, das sei eine nette, aber unrealistische Polemik, hat wohl recht. Wir müssen davon ausgehen, dass weder Sven noch Lars Leuenberger je in Lugano arbeiten werden. Den Mut zum meisterlichen SCB-Doppelpack haben die Tessiner wahrscheinlich nicht.
Das ist einerseits schade. Denn ein Titel wäre Präsidentin und Milliardärin Vicky Mantegazza zu gönnen. Andererseits freut es den Chronisten. Nichts ist unterhaltsamer als das Scheitern grosser Namen bei einem Klub, bei dem Geld keine Rolle spielt. Mögen die Hockeygötter daher geben, dass der unerbittliche Bob Hartley neuer Trainer in Lugano wird. Und Hand aufs Herz: Wen sollen die Medien im Tessin denn für anhaltenden Misserfolg schmähen, gegen wen wollen sie polemisieren, wenn nicht mehr Roland Habisreutinger als Sportchef schaltet und waltet? Am Ende gar Vicky Mantegazza?
Eine solche Ungeheuerlichkeit sei ferne von uns.
PS: Für Lars Leuenberger bleibt in der NLA nur noch die Hoffnung auf Ambri und Gottéron – in Konkurrenz mit Kevin Schläpfer.