Kloten erholt sich sportlich erstaunlich schnell von der «Stunde null». Vom ersten Abstieg nach 53 Jahren. Der neue Sportchef Felix Hollenstein hat soeben mit der Verpflichtung des kanadischen Stürmers Ryan McMurchy das vorerst letzte Teilchen zum Aufstiegspuzzle gesetzt.
Was wird aus Kloten? Auf diese wichtigste Hockey-Frage des Sommers 2018 können wir jetzt zum ersten Mal eine Antwort geben. Aus Kloten ist ein Wiederaufstiegsanwärter geworden. Der neue Sportchef Felix Hollenstein hat fast alles richtig gemacht. Auf das «fast» kommen wir später zurück.
Aufstiegsteams müssen ähnlich zusammengesetzt werden wie NLA-Meisterteams. Es braucht Leitwölfe, Routiniers, aber auch dynamische junge Spieler plus exzellente Ausländer und einen grossen Torhüter. Die richtige Mischung halt.
Das Problem ist dabei, dass es nicht möglich ist, nach einem Abstieg Leitwölfe zu halten oder neu zu verpflichten, die für die NLA noch gut genug sind. Die Lösung des Problems ist die Eröffnung eines «Jurassic Park»: die Führung des Teams wird «Sauriern» anvertraut. Routiniers mit der Klasse und Schlauheit, aber nicht mehr den Beinen, der Härte und dem Schnauf für die NLA. Es ist dann Aufgabe der jüngeren Spieler, diese Graubärte energieschonend durch die Qualifikation in die Playoffs zu geleiten.
Die Verteidiger Philippe Seydoux (33, von Langnau) und René Back (35) sowie die Stürmer Fabian Sutter (36, von Biel), Thibaut Monnet (36, von Ambri), Ryan McMurchy (35, von Mannheim) und Steve Kellenberger (32) bilden das Rudel dieser grauen Leitwölfe, die mit ihrer Erfahrung in der Hektik und Dramatik der Playoffs die Differenz machen können. Steve Kellenberger ist jetzt der neue Denis Hollenstein. Auf dem Eis nicht so wirkungsmächtig wie der letztjährige Captain (neu bei den ZSC Lions). Aber eine Integrationsfigur.
Die Kadertiefe reicht, um sich in der zweithöchsten Liga in der Spitzengruppe zu halten ohne die besten Kräfte stark zu forcieren. Und im Laufe der Saison wird noch da und dort ein brauchbarer NLA-Spieler feilgeboten werden. Der Sportchef kann nachrüsten.
Mit Bernhard Starkbaum (32), Österreichs Antwort auf Jonas Hiller, hat Felix Hollenstein den grossen Torhüter gefunden, den es für den Wiederaufstieg braucht. Allerdings hätte er für die Torhüterposition nicht eine Ausländerlizenz opfern müssen. Mit etwas Geduld wäre es ihm gelungen, Dominic Nyffeler (den Bruder von Rappis Aufstiegshelden Melvin Nyffeler) doch noch aus dem laufenden Vertrag in Ajoie loszueisen.
Vieles spricht dafür, dass der zweite Ausländer Ryan McMurchy eine gute Wahl ist. Er hat die letzten vier Jahre in der «Rumpelliga» DEL durchgestanden. Wer gut genug für die DEL war, wird es auch in der bisweilen rauen, rustikalen Swiss League sein. Sollte der Kanadier doch nicht gut genug sein, bleibt Felix Hollenstein ausreichend Zeit, um bis zu den Playoffs einen besseren ausländischen Stürmer zu finden.
Kloten hat also fast ein perfektes Aufstiegsteam. Warum «nur» fast? Weil wir Trainer André Rötheli noch nicht ganz über den Weg trauen. Ist der freundliche Stoiker (stoisch = unerschütterlich, gleichmütig, gelassen) der charismatische Bandengeneral, der ein Team taktisch einschulen und im Frühjahr mit Emotionen aufladen kann? Er hat die Mannschaft während der Liga-Qualifikation geführt und ist abgestiegen. Der Abstiegstrainer bleibt. Das hat es in der Neuzeit noch nie gegeben. Nicht in Lausanne, nicht in Langnau, nicht bei Rapperswil-Jona.
Mit der Verpflichtung von Zugs ehemaligem Assistenten Waltteri Immonen hat Felix Hollenstein immerhin taktische Schwächen seines Trainers kompensiert. Der Finne wird in Kloten den taktischen Haushalt gut führen. Aber ein Mann der Emotionen ist auch er nicht.
Die Mannschaft ist nominell gut genug für den Titel in der zweithöchsten Liga. Die Rückkehr in die NLA in den nächsten 1000 Tagen (drei Jahren) ist ein realistisches Ziel – sofern es gelingt, die «Gewaltentrennung» im Gegensatz zur letzten Saison nun durchzusetzen. Will heissen: Der Präsident soll präsidieren, der Geschäftsführer die Geschäfte führen, der Sportchef sportcheffen, der Trainer trainieren und die Spieler spielen.
Biel brauchte dreizehn, Lausanne acht, Rapperswil-Jona drei und Langnau zwei Anläufe für den Wiederaufstieg. Kloten kann es mit Glück im ersten Anlauf schaffen. Aber eben: Wir zweifeln ein wenig, ob der letztjährige Abstiegstrainer aufstiegsfähig ist.
Sportchef Felix Hollenstein und Trainer André Rötheli sind seit Jahren befreundet. Kein Polemiker, wer orakelt, dass diese Männerfreundschaft in den nächsten Monaten auf eine harte Probe gestellt werden könnte und der Sportchef im nächsten Frühjahr nicht mehr mit dem Trainer befreundet sein wird.