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Der SC Bern wirft Kari Jalonen raus: Der Trainer, der zu erfolgreich war

SC Bern Cheftrainer Kari Jalonen kuesst den Pokal nach dem Sieg im fuenften Eishockey Playoff-Finalspiel der National League zwischen dem SC Bern und dem EV Zug, am Samstag, 20. April 2019, in der Pos ...
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Jalonen mit dem Meisterpokal.Bild: KEYSTONE
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Kari Jalonen – der Trainer, der zu erfolgreich war

Kari Jalonen ist gefeuert worden. Wenn die Resultate nicht stimmen, muss der Trainer gehen. So ist das nun mal und wir könnten eigentlich zur Tagesordnung übergehen. Aber diese Entlassung ist mit keiner bisherigen Amtsenthebung beim SC Bern vergleichbar. Weil der SCB nicht nur ein Trainerproblem hat.
28.01.2020, 11:2529.01.2020, 06:09
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Dreimal Qualifikationssieger und zweimal Meister. Kari Jalonen kann Erfolg. Aber er kann nicht Misserfolg. Noch im Herbst hatte die sportliche Führung den Vertrag mit dem Finnen vorzeitig um ein Jahr verlängert.

Kari Jalonen ist gescheitert, weil er zu erfolgreich war. Weil er die Misswirtschaft der sportlichen Führung auf schon fast wundersame Weise kompensiert hat. Seit Sven Leuenberger den SC Bern verlassen hat und im Sommer 2017 Sportchef bei den ZSC Lions geworden ist, fehlt dem SCB eine starke sportliche Führung. Nach innen, um die sportlichen Interessen innerhalb des 50-Millionen-Franken-Konzerns durchzusetzen, und nach aussen, um durch kluge Transfers den Umbau einer meisterlichen Dynastie mit drei Titeln in vier Jahren einzuleiten.

Verheerende Transferbilanz

Der Spruch stammt von Enzo Ferrari, dem grossen Motorsport-General. Er pflegte zu sagen, es sei wichtig zu wissen, warum man verliere. Aber noch viel wichtiger sei es, zu wissen, warum man gewonnen habe. Wer nicht weiss, warum er gewonnen hat, macht im Erfolg Fehler, für die er später bitter büssen muss. Das hat in der Neuzeit selten ein Klub so erfahren müssen wie der SC Bern.

Die Transferbilanz der sportlichen Führung seit dem Wegzug von Sven Leuenberger ist verheerend. Ein Erfolgsgeheimnis der Berner war es in der Vergangenheit, das Geld zur richtigen Zeit gezielt in grosse Transfers zu investieren. In Christian Dubé, in Martin Plüss, in Simon Moser, in Leonardo Genoni, in Eric Blum beispielsweise. Diese Transfers signalisierten, dass in Bern nur das Beste gut genug ist. Dass der SC Bern ein ganz besonderes Hockey-Unternehmen ist. Dass die Besten nach Bern gehören. Exzellenz ist das Produkt von Taten, nicht von Worten.

Unter der aktuellen sportlichen Führung wird konzeptlos zusammentransferiert, was halt noch zu haben ist. Ohne Strategie. Inti Pestoni, Daniele Grassi, Matthias Bieber oder Grégory Sciaroni. Gute Mitläufer, aber keine Leitwölfe. Der absolute Tiefpunkt in der SCB-Transfergeschichte war diese Saison die temporäre Verpflichtung von Andri Spiller. Er ist inzwischen nach Kloten abgeschoben worden. Eine solche wirre Transferpolitik ist einst den Rapperswil-Jona Lakers zum Verhängnis geworden. Im gleichen Zug ist das Potenzial der eigenen Jungen nicht erkannt worden. Marco Müller, Samuel Kreis und Luca Hischier haben es bei der Konkurrenz bereits bis in die Nationalmannschaft gebracht.

Meistertitel 2019 war ein Wunder

Mit sehr guten oder doch guten Ausländern hätte die Transfer-Misswirtschaft noch einigermassen kompensiert werden können. Weil der SCB noch immer über eine Kerngruppe erfahrener Spieler verfügt, die Meister können. Aber wer den eigenen Nachwuchs und wer die Spieler in der Liga nicht richtig einschätzen kann, ist im internationalen Eishockey erst recht verloren. Die Bilanz der ausländischen Spieler unter der aktuellen sportlichen Führung spottet schlichtweg jeder Beschreibung. Ich will jetzt nicht noch Salz in die Wunden reiben und begnüge mich mit den Statistiken der ausländischen Verteidiger in dieser Saison: Miika Koivisto: null Tore, zwei Assists. Andrew MacDonald: null Tore, ein Assist.

L'attaquant lausannois Joel Vermin, gauche, lutte pour le puck avec le gardien bernois Tomi Karhunen, centre, et le defenseur bernois Andrew MacDonald, droite, lors de la rencontre du championnat ...
Offensiv kommt von Verteidiger MacDonald (auf dem Eis) rein gar nichts.Bild: KEYSTONE

Unter diesen Voraussetzungen ist der Meistertitel im letzten Frühling ein Wunder. Eigentlich Kari Jalonens mit Abstand grösster Erfolg. Er hat es geschafft, mit einer Mannschaft, die nominell keine meisterliche mehr war, die Meisterschaft zu gewinnen. Weil er ein grosser Taktiker ist. Sein zweiter Titel in Bern war viel mehr noch als jener von 2017 ein Titel der Taktik, der Spielorganisation («Schablonen-Hockey») als einer des Talentes. Wir können es auch so sagen: Kari Jalonen war zu erfolgreich.

Der Erfolg machte arrogant

Womit wir wieder beim Spruch von Enzo Ferrari sind: Die sportliche SCB-Führung weiss nicht, warum der SCB 2019 Meister geworden ist. Sie weiss nicht, dass der SCB schon lange keine meisterliche Mannschaft mehr hat. Der Erfolg hat sie arrogant gemacht und nach dem Motto «Wir sind Meister, wir wissen, wie es geht» hat diese Arroganz inzwischen auch Marc Lüthi, den allmächtigen obersten Chef, Verwaltungsrat und Mitbesitzer erfasst. Noch nie in ihrer Geschichte hat die SCB-Führung auf Kritik so empfindlich reagiert wie diese Saison.

Portrait vom CEO des SC Bern, Marc Luethi, am Montag, 13. August 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
SCB-Geschäftsführer Marc Lüthi ist nun gefordert.Bild: KEYSTONE

Ich bin oft für meine Kehrtwendung in diesem Herbst verhöhnt worden. Erst habe ich geschrieben, die sportliche Führung dürfe die Vertragsverlängerung mit Kari Jalonen nicht verpassen, und als es dann so weit war, habe ich diese Vertragsverlängerung als grossen Fehler kritisiert. Der SCB schien bei Saisonbeginn noch intakt und nur ein grosser Taktiker wie Jalonen war dazu in der Lage, diese Mannschaft in der Spitzengruppe zu halten. Also unbedingt verlängern.

Aber bald einmal zeigte sich, dass nicht einmal mehr sein «Schablonen-Hockey» genügt, um die Fehler der sportlichen Führung zu korrigieren. Diese sportliche Führung hat nichts anderes zu tun, als den Puls der Mannschaft zu fühlen und sich um den SCB zu kümmern. Aber sie hat nicht gemerkt, dass es mehr und mehr nicht mehr funktioniert, und den Vertrag verlängert. Dabei zeigte sich: Selbst «Schablonen-Hockey» und die Ausrichtung auf den Meistertitel wird nicht mehr funktionieren. Der SC Bern braucht spätestens ab nächster Saison eine andere Strategie und einen anderen Trainer. Keinen Meistermacher wie Kari Jalonen. Sondern einen krisenerprobten «Aufbautrainer».

Nichts setzt einem Trainer so zu wie Niederlagen. Selbst für den besten Trainer der Welt kommt die Niederlage, die eine zu viel ist, und die dazu führt, dass ihm die Kontrolle entgleitet. Warum eine Mannschaft verliert, spielt keine Rolle mehr. Wenn die Resultate nicht mehr stimmen, muss der Trainer immer gehen. Auch wenn er Kari Jalonen heisst.

Und jetzt: Hans Kossmann

Der Finne zahlt einen hohen Preis für die sportliche Misswirtschaft seines Arbeitgebers. So gesehen ist der Entscheid, den Trainer zu wechseln, zwar richtig. Weil unausweichlich. Die normative Kraft des Faktischen. Aber der SCB hat nicht nur ein Trainerproblem. Der SCB hat vor allem ein sportliches Führungsproblem.

Nun kommt also Hans Kossmann. Falsche oder richtige Entscheidung? Diese Frage können wir im Frühjahr beantworten. Es ist die naheliegende Lösung, auf die sogar die sportliche SCB-Führung kommt: Kossmann kennt den SCB (er war von 2009 bis 2011 Assistent von SCB-Trainer Larry Huras) und er kann in schwierigen Situationen Meister (als Nothelfer 2018 Titelgewinn mit den ZSC Lions). Aber es gibt einen grossen Unterschied zwischen den ZSC Lions von 2018 und dem SCB von 2020. Die ZSC Lions hatten damals tatsächlich ein Trainerproblem und waren nominell gut genug für den Titelgewinn. Der SCB von 2020 hat kein vergleichbares Trainerproblem und ist nominell nicht mehr gut genug für den Titelgewinn.

Der Zuercher Headcoach Hans Kossmann beim Eishockeyspiel der National League zwischen dem SCB Bern und den ZSC Lions, am Freitag, 12. Januar 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Lukas Leh ...
Kossmann führte die ZSC Lions 2018 zum Titel, zuletzt arbeitete er in Wolfsburg.Bild: KEYSTONE

Der SCB hat den Trainer gewechselt, aber sein grösstes sportliches Problem nach wie vor nicht gelöst. Der SCB braucht nicht einen Opportunisten als Sportchef, der um seinen Job bangt. Sondern einen Sportchef, der das Format hat, Marc Lüthi in sportlichen Fragen auf Augenhöhe zu begegnen und zu widersprechen wie einst Sven Leuenberger. Damit die Balance zwischen Sport und Kommerz im 50-Millionen-Hockeykonzern endlich wiederhergestellt werden kann.

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83 Kommentare
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länzu
28.01.2020 11:40registriert April 2014
Frage mich, wieso dieser Chatelain nicht längstens gefeuert wurde. Da gab es schon Kündigungen wegen nichtigerer Anlässe (larry Hurras zum Beispiel).
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Jüre51
28.01.2020 11:47registriert März 2014
Gut geschrieben Chlöisu! Es braucht ein Housecleaning in der sportlichen Führung! Aber ich frage mich, warum hat Kari der Welttrainer all diesen sinnlosen Transfers zugestimmt? Die sportliche Führung schließt doch den Trainerstaff mit ein! Ein Hockeyunternehmen wie der SCB muss in der Lage sein, den 4. Block mit eigenen Nachwuchskräften zu versehen.
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besserwisser#99
28.01.2020 11:53registriert September 2019
Miika Koivisto hat in Bern nicht funktioniert. Das stimmt. Ihn als schlechten Ausländer / Spieler zu bezeichnen ist aber billige Polemik. Koivisto ist aktueller Weltmeister und spielt jetzt in Schweden erfolgreich (20 Sp. 2/9 und +10).
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