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Eismeister Zaugg

Ganz einfach hundert Prozent Leonardo Genoni – sein Mythos lebt wieder

Zugs Torhueter Leonardo Genoni, links, kaempft um den Puck gegen Zuerichs Denis Hollenstein, rechts, im sechsten Eishockey Playoff-Finalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug  ...
Gemäss Eismeister Zaugg hat Leonardo Genoni das letzte Spiel der Geschichte im Hallenstadion allein gewonnen. Ganz allein.Bild: keystone
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Ganz einfach hundert Prozent Leonardo Genoni – sein Mythos lebt wieder

Das letzte Spiel in der Geschichte des Hallenstadions ist ein veritables Drama. Die ZSC Lions dominieren Zug wie nie in diesem Final und müssen doch mit einer Niederlage (0:2) vom Eis. Sie haben das Spiel nicht verloren. Sie haben es einfach nicht gewonnen. Die Titelentscheidung fällt nun am Sonntag im 7. Spiel in Zug. Vorteil ZSC Lions.
30.04.2022, 07:1801.05.2022, 15:18
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Manchmal wird selbst ein Mannschaftsspiel, für das sich 44 junge Männer auf das Matchblatt eintragen lassen, auf einen einzigen Mann reduziert. Das passiert sehr selten. Vielleicht alle drei oder vier Jahre einmal. Am Freitagabend war es wieder einmal so weit.

Leonardo Genoni, einst bei den ZSC Lions ausgebildet, hat das letzte Spiel der Geschichte im Hallenstadion allein gewonnen. Ganz allein. Er hat kein Tor zugelassen und seine Vordermänner haben keines erzielt. Wir ignorieren bei dieser Behauptung also Grégory Hofmanns 2:0. Dieses Tor war nämlich nicht mehr nötig. Das 1:0 war die Entscheidung.

Das letzte Eishockeyspiel im Hallenstadion statt, beim Eishockey Playoff-Finalspiel, Spiel 6, der National League zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug am Freitag, 29. April 2022 im Hallenstadion in Z ...
Ein veritabler Hockey-Tempel war es nie: Das Zürcher Hallenstadion hat sein letztes Eishockey-Spiel hinter sich.Bild: keystone

Der Siegestreffer wird zwar in der Statistik Fabrice Herzog zugeschrieben. Weil es im Eishockey keine Eigentore gibt. Aber ZSC-Stürmer Justin Azevedo hat den Puck ins eigene Tor abgelenkt (4. Min.). Und weil es im letzten Spiel im Hallenstadion dramatisch sein muss: via Pfosten. Diese Szene mag künftig jedem Stürmer als Ausrede dienen, der vom Trainer wegen fehlender Lust zur Defensivarbeit zusammengefaltet wird: «Trainer, wir Stürmer haben vor dem eigenen Tor nichts zu suchen. Erinnere dich daran, was am 29. April 2022 im 6. Finalspiel im Hallenstadion passiert ist.»

Wer zum Pessimismus neigt und gerne kritisiert, schreibt das Scheitern der ZSC Lions der Abschlussschwäche zu. 36:21 Torschüsse und kein Treffer. Kein anderes Finalspiel haben die Zürcher so klar dominiert.

Wer hingegen das Gute sieht und gerne lobt, rühmt Leonardo Genoni. «Grosse Spieler spielen ihre grossen Partien dann, wenn es drauf ankommt», hat Zugs Trainer Dan Tangnes im Laufe dieser Finalserie einmal gesagt. Nun präzisiert er: «Wir haben mehrere Spieler, die dazu in der Lage sind. Zuvor war es Dario Simion.» Der Stürmer hatte beim 4:1 am Mittwoch dreimal hintereinander getroffen. Einmal sogar in Unterzahl.

Wir können diese 6. Finalpartie in drei Worten zusammenfassen, die uns die ganze Wahrheit sagen: «Hundert Prozent Genoni.» Der sechsfache Meister, der noch nie einen Final verloren hat, liess keinen Treffer zu. Ergibt eine Fangquote von hundert Prozent. Als er ein guter Goalie war, siegten die ZSC Lions zum Finalauftakt dreimal hintereinander. Seit er wieder ein grosser Goalie ist, haben die Zuger nun ihrerseits dreimal hintereinander gewonnen und der Final steht 3:3. Im letzten Spiel der Hallenstadion-Geschichte ist der «Mythos Genoni», der schon zu verblassen schien, wiederbelebt worden. So ganz nebenbei hat er auch den «Fluch des 1:0» gebannt: Die ersten fünf Partien hat jedes Mal die Mannschaft verloren, die das 1:0 erzielt hatte.

Die Zürcher zelebrieren im Mitteldrittel ihr bestes Hockey dieser Saison (17:1 Torschüsse). Eine Einschätzung, die Trainer Rikard Grönborg teilt. Aber sie vermögen Leonardo Genoni einfach nicht zu überwinden. Er hält, stoppt, wehrt, pariert, blockt alle 36 Pucks, die während des ganzen Spiels gegen sein Gehäuse fliegen. Es sind nicht einmal die Reflexe und Fangkünste, die Leonardo Genoni an einem guten Abend zum besten Schweizer Goalie machen: Es ist seine Spielintelligenz. Keiner vermag das Spiel so gut zu lesen wie er, und so ist er oft mit dem Schoner, dem Stock oder dem Fanghandschuh schon dort, wo der Puck hinkommt.

Chris Baltisberger, links, vom ZSC im Spiel gegen Torhueter Leonardo Genoni, rechts, von Zug beim Eishockey Playoff-Finalspiel, Spiel 6, der National League zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug am Fr ...
Leonardo Genoni bedeutet Endstation.Bild: keystone

Vom 0:3 zum 3:3. Was war die wichtigste Qualität bei dieser Wende? Trainer Dan Tangnes nennt die mentale Reife. «Es ist ein gesundes Selbstvertrauen. Wir haben nie die Konzentration verloren. Weil wir wussten, dass wir dazu in der Lage sind, jedes Spiel gegen jede Mannschaft zu gewinnen.» Und mahnt gleich eine Leistungssteigerung an: «Wir haben in diesem Final Spiele verloren, die wir hätten gewinnen müssen. Nun haben wir ein Spiel gewonnen, das wir auch hätten verlieren können. Wir müssen am Sonntag auf jeden Fall steigern.»

Diese Niederlage ist bitter, bitter, bitter für die ZSC Lions. Sie haben alles versucht, alles getan, alles gegeben, alles probiert, alles unternommen. Kurzum: alles, was menschenmöglich war. Sie haben so gut gespielt, dass wir sagen können: Sie haben dieses Spiel nicht verloren. Sie haben es bloss nicht gewonnen.

Am Sonntagabend (Spielbeginn 20:00 Uhr) kann Zug auf eigenem Eis ein Wunder vollbringen. Als erste Mannschaft in der Schweiz und als erste weltweit seit 1942 einen Final einer wichtigen Meisterschaft nach einem 0:3-Rückstand gewinnen. Alles klar? Nicht ganz. Im 7. Spiel auf fremdem Eis einen Titel gewinnen – das ist es, was die ZSC Lions am besten können. Sie haben es beispielsweise 2001 in Lugano (2:1 n.V), 2012 in Bern (3:2) und 2018 erneut in Lugano (2:0) geschafft. Und jetzt also 2022 das 7. Spiel in Zug. Vorteil ZSC Lions.

Die Rollen wechseln nun: Dreimal hintereinander hatten die Zuger nichts mehr zu verlieren und nur noch alles zu gewinnen. So haben sie ein 0:3 aufgeholt. Und nun sind es die Zürcher, die nach drei Niederlagen nichts mehr zu verlieren und nur noch alles zu gewinnen haben: Ein Sieg in Zug wird als grösster Triumph in ihre Geschichte eingehen. Eine Niederlage nicht als Schmach. Sondern als der dramatischste Untergang in der Klubhistorie.

ZSC-Sportchef Sven Leuenberger wird im Falle eines meisterlichen Triumphs in Zug eine schlaflose Nacht haben. Wegen der meisterlichen Festivitäten. Im Falle einer Niederlage werden es für ihn mehrere schlaflose Nächte. Er muss sich nämlich dann überlegen, ob er Trainer Rikard Grönborg (mit Vertrag bis zum Ende der nächsten Saison) behalten oder auszahlen soll. Die Ansprüche und Erwartungen sind in Zürich so hoch, dass schon Meistertrainer nicht bleiben durften.

Der grosse schwedische Bandengeneral, zweimal Weltmeister mit Schweden (2017 und 2018), ist in Zürich noch ohne Titel. Letzte Saison hat er den Cup-Final auf eigenem Eis gegen den SCB kläglich verloren und im Halbfinal folgte das schmähliche Scheitern gegen Servette.

Wenn dem grossen Napoléon ein Offizier zur Beförderung zum General vorgeschlagen wurde, erkundigte er sich nicht nach der fachlichen Kompetenz. Der grosse Korse pflegte nur zu fragen: «Hat der Mann auch Glück?»

Rikard Grönborg wäre bei Napoléon also nicht «Bandengeneral» geworden. Obwohl seine Kompetenz nicht zur Debatte steht. Aber er hatte bisher in Zürich einfach noch kein Glück.

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lindros88
30.04.2022 07:50registriert Februar 2014
„Genoni hat entschieden Meister zu werden!“
Nie war dieser legendäre Satz vom Eismeister zutreffender als gestern.
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Spi
30.04.2022 07:45registriert März 2015
Das 1:0 wurde hier ja eigentlich von einem ZSC-Spieler gemacht. Der 1:0-Fluch lebt weiter.
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eldo
30.04.2022 09:15registriert März 2014
Der Hauptunterschied dieser beiden Top-Teams findet man beim Coach.
Tangnes vom EVZ spürt sein Team besser und findet offensichtlich nach jedem Spiel die richtigen Worte. Das zeigt sich auch in seiner äusserst souveränen Art bei Interviews.
Dahingegen wirkt Grönborg genervt, missverstanden und nicht selten überheblich.
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