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Erst Buchli, jetzt Billeter – ein Wendepunkt in unserer TV-Geschichte

Swiss sport moderators Jann Billeter, left, and Steffi Buchli, right, are pictured during a media tour in the SRG TV-Studio at Ipanema beach, in Rio de Janeiro, Brazil, prior to the Rio 2016 Olympic S ...
Jann Billeter und Steffi Buchli haben dem SRF den Rücken gekehrt.Bild: KEYSTONE
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Erst Buchli, jetzt Billeter – ein Wendepunkt in unserer TV-Geschichte

Moderatorinnen und Moderatoren kommen und gehen – aber unser staatstragendes Fernsehen bleibt bestehen. Doch nach Steffi Buchli verlässt mit Jann Billeter schon wieder ein bekanntes Sport-Gesicht den nationalen Sender und wechselt zu «MySports». Unsere TV-Landschaft steht vor den grössten Veränderungen der Geschichte. Eine Polemik.
01.06.2021, 09:4001.06.2021, 13:21
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Der klassische helvetische TV-Markt ist klein. Er entspricht vom Volumen her ungefähr der Stadt München. Sozusagen ein gallisches Dorf im gesamteuropäischen TV-Business.

Dieser Markt war jahrzehntelang für private TV-Stationen zu wenig interessant. Es lohnte sich nicht, zu investieren und unser staatstragendes Farbfernsehen herauszufordern. Die lokalen TV-Sender konnte Leutschenbach getrost ignorieren. Live-Rechte konnte sich jahrzehntelang nur unser öffentlich-rechtliches Fernsehen leisten. Und umgekehrt galt und gilt bis in die heutigen Tage: ein Sport, eine Veranstaltung existiert nur durch Präsenz auf den staatstragenden Bildschirmen. Die Verbreitung der privaten TV-Sender war zu gering. Kein Sportartverband, kein Veranstalter wagte es, zu viel Geld für Übertragungsrechte zu verlangen. Nach dem Grundsatz: Ich komme im staatstragenden Fernsehen, also bin ich.

Damit war auch klar: TV-Star wird man nur bei SRF. Nur auf dem nationalen Bildschirm ist die Bekanntheit zu erreichen, die es Moderatoren oder Moderatorinnen ermöglicht, ihre Haut für private Veranstaltungen zu Markte zu tragen und zusätzlich und richtig Geld zu verdienen. Dass dabei womöglich die journalistische Unbefangenheit auf der Strecke bleibt, ist wiederum ein anderes Thema.

Und so war der Lebenstraum aller TV-Schaffenden bei den lokalen Sendern ein Wechsel zum staatstragenden Fernsehen. Einerseits lockte die Bedeutung, ein Vertreter der nationalen TV-Anstalt zu sein und andererseits eine gute Bezahlung und bäumige Pension. Ein umgekehrter Wechsel weg vom Leutschenbach zu einem privaten Sender war gerade im Sport lange Zeit völlig undenkbar.

Aber nun wechselt nach Steffi Buchli (inzwischen Sportchefin der Blick-Gruppe) mit Jann Billeter schon wieder eines der bekanntesten TV-Gesichter vom Zwangsgebühren-Fernsehen zum Privat-TV. Zu «MySports». Die technische Revolution eröffnet privaten TV-Stationen, Medien- und Kommunikations-Konzernen neue Möglichkeiten der Verarbeitung, Verbreitung, Vernetzung und Vermarktung. Eingebettet in international operierende Firmenstrukturen fordern nun private Stationen im helvetischen Markt das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Sport-Business heraus.

Das bedeutet: Diese private Sport-TV-Station bietet für Sportmoderatorinnen und Moderatoren immer bessere finanzielle und journalistische Bedingungen. Was noch vor ein paar Jahren völlig unmöglich schien. Der Wechsel von Star-Moderatorinnen und -Moderatoren wirft auch die Frage auf: Hat das staatstragende Fernsehen gewisse Entwicklungen im Sport verschlafen?

Technisch gibt es an den Sport-Sendungen nichts auszusetzen. Die TV-Produktionen – also die Herstellung der Bilder – haben Weltklasse-Niveau. Dafür ist allerdings nicht die Sport-Redaktion zuständig, sondern eine unabhängige Tochterfirma. Was aber nichts an der hohen Qualität ändert.

Aber die Grundstruktur der Berichterstattung mahnt heute immer noch ein wenig an die Naturkunde-Sendungen von Hans A. Traber in den 1960er-Jahren. Die ewig gleichen oder ähnlichen fantasielosen Sendegefässe. Mit braven, freundlichen Experten, die sich weitgehend vor klaren Meinungen oder gar Polemik hüten und so analysieren und erklären wie einst Hans A. Traber die heimische Natur. Weit entfernt von den unterhaltsamen, streitbaren Formaten der Privatsender.

Hans A. Traber erklärt Engelspiel.Video: YouTube/SRF Archiv

Natürlich hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen für Übertragung und Aufarbeitung des Sportgeschehens nicht die gleiche Sendezeit zur Verfügung wie private Sender. Das Versäumnis ist aber ein anderes: Es ist über die Jahre nie gelungen, im Sport ein vertiefendes Hintergrundmagazin im Programm zu verankern. Die Möglichkeiten zu Dokumentationen sind nie ausgeschöpft worden. Solides Handwerk jederzeit. Aber wahrscheinlich war das Bundesamt für Statistik fast so kreativ, frech und innovativ wie die SRF-Sportabteilung. Verständlich. Für die Finanzierung spielen Quoten keine Rolle. Die Gebühren werden zwangserhoben. Journalistischer Ehrgeiz ist für eine schöne SRF-Karriere womöglich weniger förderlich als kluges Taktieren bei den Palastintrigen im Leutschenbach.

«MySports», im September 2017 gegründet, hat hingegen neben den Hockey-Liveübertragungen schon mehrere sehenswerte und journalistisch gute TV-Dokus produziert. Die Gestaltungsfreiheit ist offensichtlich. Es hat also auch eine journalistische Logik, dass Jann Billeter zu diesem Sportsender wechselt.

Unsere TV-Landschaft verändert sich gerade fundamental. Früher richteten wir unser Leben nach dem TV-Programm ein. Um uns rechtzeitig vor den Bilderkasten setzen zu können.

Inzwischen bringen die TV-Stationen das Volk mehr und mehr nur noch mit Live-Inhalten zu bestimmten Zeiten vor das Gerät. Die mit grossem Abstand besten Live-Inhalte bietet der Sport. Gut verteilt rund ums Jahr. Nach festem Zeitplan und mit garantierter Spannung.

Unser staatstragendes Fernsehen kann beim Einkauf der Sport-Liverechte mit den privaten TV-Anbietern immer weniger mithalten. Soeben hat «MySports», eingebettet in einen globalen Medien- und Kommunikationskonzern, die Live-Rechte am nationalen Hockey erworben. Leutschenbach sitzt künftig beim nationalen Hockey ebenso am Katzentisch wie beispielsweise bei der Champions League im Fussball.

ARCHIVBILD ZUR EINIGUNG BEI DEN LAUBERHORN-RENNEN --- Italy's Dominik Paris in action during the men's downhill race run at the Alpine Skiing FIS Ski World Cup in Wengen, Switzerland, Saturd ...
Bleibt dem SRF bleibt nur noch das Lauberhorn als TV-Highlight?Bild: keystone

Langfristig wird sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Live-Rechte im sportlichen «Big Business» – dazu gehören u.a. auch unsere nationalen Meisterschaften im Hockey und Fussball, Champions League, Titelturniere im Fussball, Olympische Spiele, Tennis, Formel 1 – nicht mehr leisten können.

Es bleiben mehr und mehr «nur» die nationalen Highlights (Lauberhorn, Eidgenössisches Schwingfest) und die Live-Rechte für Randsport-Ereignisse. Politisch wichtig und dem Informationsauftrag («Swissness») geschuldet. Aber einige wohl von so geringem Interesse, dass sich bei einer Live-Übertragung die Einschaltquote womöglich verdoppelt, wenn der Kommentator heiratet.

Der Transfer von Jann Billeter macht eine Entwicklung sichtbar, die langfristig dazu führen kann, dass unser öffentlich-rechtliches Fernsehen im grossen Sport nur noch eine Nebenrolle spielt und zu seinen Ursprüngen zurückkehrt: Zur nüchternen, sachlichen Berichterstattung heimischen Schaffens und Erfüllung der Informationspflicht. Ganz nach dem Vorbild des TV-Urgesteins Hans A. Traber. Ende der Polemik.

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57 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Amadeus
01.06.2021 09:46registriert September 2015
Ich persönlich mag nüchterne, sachliche Berichterstattung und finde das Staatsfernsehen ganz ok. Ich bin auch nicht bereit, ständig Abo's bei Privatsendern zu lösen für ein Paket wo mich die Hälfte der Sportevents kaum interessiert. Aber ich bin da wahrscheinlich auch nicht die Zielgruppe.
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MikeT
01.06.2021 09:31registriert Januar 2016
Es ist zu befürchten, dass der Eismeister nicht Unrecht hat.
Ich möchte aber betonen, dass SRF gerade eine sehr gute Abdeckung der Hockey WM bietet. Die Experten sind sowohl kompetent wie auch mehrheitlich unterhaltsam.
Daher ist es schade, dass sich alles zu den Privaten verschiebt.
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bokl
01.06.2021 10:00registriert Februar 2014
Die Frage ist einfach, ob die Privaten den ROI erreichen, sprich genügend zahlende Zuschauer finden werden. Während beim SRF der Spardruck spürbar wird, sprudelt das Geld bei den Privaten (noch) kräftig. Es ist auch nicht verwunderlich, dass zuerst die grössten Selbstdarsteller die Seiten wechseln. Wenn es mit der Refinanzierung nicht klappt und die Privaten in 2-3 Jahren den Stecker ziehen, wird das Jammern dann gross sein.
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