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Der SC Bern hat ein Problem, das auch mit einer Playoff-Qualifikation noch nicht gelöst ist. Gefordert sind nicht nur der Sportchef, die Trainer und die Spieler. Es geht nicht um Transfers oder Taktik. Es gibt auch Arbeit für die Marketingabteilung. Der SCB hat seine Aussenwahrnehmung ruiniert.
Um das Problem besser erklären zu können, machen wir einen kleinen Exkurs (= wissenschaftliche Abhandlung) über eine interessante Besonderheit der Hockeykultur.
Tiere symbolisieren Hockeyteams. In Nordamerika und in Europa. Sie sind Kreaturen aus der Marketing-Abteilung. Aber es gibt auch ein geheimes Wissen der Schamanen über «Krafttiere». Es ist interessant, was uns die alten Medizinmänner über die Bedeutung, über die mystische Kraft dieser Tiere sagen. In vielen indianischen Stammeskulturen lebt gar die Überzeugung, dass Menschen und Tiere seelenverwandt sind und sich lediglich eine Verkleidung (wie ein Hockeydress) anlegen, um eine Kraft sichtbar zu machen.
Der Löwe (ZSC Lions, Lausanne) steht für Stolz, Kraft, Siegeswillen, Tapferkeit, und Weisheit – aber auch für Ausschweifung, Selbstherrlichkeit, Selbstgefälligkeit, Autoritäts- und Machtgehabe.
Der schwarze Panther (Lugano) für Konzentration, Schweigen, Wissen und Einsamkeit – doch ebenso für Macht, Raubzüge, Egoismus und unlautere Absichten.
Der Tiger (SCL Tigers) ist in der Lehre der Schamanen weise, schweigsam – aber auch aufmüpfig, rücksichtslos, unberechenbar, tyrannische, jähzornig und aggressiv.
Der Drache (Gottéron) steht für Familie, Phantasie und Magie – allerdings auch für Intoleranz, Zerstörungswut, Erschütterung, Rache und Zorn.
Der Stier (Zug) symbolisiert Schönheit, Vitalität und Intuition – und ebenso Wildheit, Materialismus, Sturheit, Unberechenbarkeit, Angriffslust um des Kämpfens willen und Eitelkeit.
Der Steinbock (Davos) verkörpert Mut, Kraft, Verantwortungsbewusstsein - und Bockigkeit, Trotz, Gerechtigkeitswahn, Flucht und die Neigung, sich allem zu entziehen und die Gesetze zu brechen sowie Eigenabsichten als soziale hilfreiche Aktionen zu tarnen.
Der Adler (Servette) steht für Licht, Freiheit, Intelligenz und Klarheit – und halt auch für Habsucht, falschen Stolz, Arroganz, Einzelgängertum und extremes Machtstreben.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei dieser Tiersymbolik NICHT um eine boshafte Erfindung eines Chronisten handelt. Sie stammt aus der Literatur über «Krafttiere», die ich sehr empfehlen kann. Jede Ähnlichkeit der «Krafttiere» mit handelnden Figuren aus diesen Klubs wäre also rein zufällig und ungewollt.
Und nun kommen wir noch zum Bären. Dem Symboltier des SC Bern. Wohl kein Stand der Eidgenossen steht dem Wesen seines Wappentieres so nahe wie das Bernervolk mit seinen alten, harten Kriegern, schweren Bauern, blutvollen Dichtern und rauen Hockeyspielern. In der Häufung seiner unzähligen Verkörperungen, landauf, landab, findet der «Mutz» seinesgleichen nur noch im Adler der Habsburger und im Löwen der Briten.
Im Bären erkennen die Medizinmänner Schutz, Halt, Orientierung, triebhaftes und erdnahes Leben, Wildheit und Kraft – aber auch Unmut, Rohheit, Gier, Kompromisslosigkeit, Zerstörung und Gnadenlosigkeit. Wir sehen also, dass der SCB gegenüber seinem «Krafttier» eine ganz besonders grosse Verantwortung trägt.
Die respektvolle Bezeichnung «Big Bad Bears» des rumpelnden einschüchternden, meisterlichen SCB – sie stammt noch aus den späten 1980er und frühen 1990er Jahren des letzten Jahrhunderts – würde also selbst ein Schamane unterschreiben. Ursprünglich stammt der Ehrentitel «Big Bad Bears» aus der NHL. Die Boston Bruins der 1970er Jahre holten als «Big Bad Bruins» zwei Stanley Cups. Sie waren eines der rausten, wildesten Teams aller Zeiten. Bruin ist eine volkstümliche amerikanische Bezeichnung für Braunbären.
Dieser hart erarbeitete und über die Jahre emsig gepflegte Ruf, «böse» zu sein, dem «Krafttier» Bär würdig zu sein, ist ein wichtiger Teil des SCB-Erfolges in den letzten 30 Jahren. Die Medizinmänner lehren uns, dass das Auftreten eines Teams dem «Krafttier» auf dem Dress entsprechen muss.
Aber für welches «Krafttier» steht der SCB heute? Der Bär prangt immer noch auf dem schmucken Dress. Aber der Ruf, «böse» zu sein, ist dahin. Einst waren die Gegner froh, wenn sie ein Auswärtsspiel im Berner Hockeytempel halbwegs unbeschadet überstanden hatten. Aber den SCB fürchtet heute niemand mehr.
Die Reise zum Auswärtsspiel nach Bern ist nicht mehr beschwerlicher als eine Fahrt zu den Lakers. Noch schlimmer: Der SCB weckt im Februar 2016 nicht einmal mehr Schadenfreude. Dabei ist die Schadenfreude die allerhöchste Form von Anerkennung. Nur wer gross, mächtig, arrogant, erfolgreich und gefürchtet ist, darf in der Krise die bitteren Früchte der Schadenfreude oder doch wenigstens des beissenden Spottes ernten. Aber davon ist nichts mehr zu spüren.
Beim Spiel am Sonntag gegen die ZSC Lions nahm ich im Hallenstadion zum ersten Mal in 30 Jahren so etwas wie Mitleid mit dem armen SCB wahr. Mitleid mit dem SCB, der gegen diese mächtigen, reichen und sportlich erfolgreichen ZSC Lions völlig chancenlos war. Und zwar Mitleid von langjährigen, in der Wolle gefärbten ZSC-Anhängern. Mitleid! Ach, der arme kleine Lars! Was muss er sich da antun. Die SCB-Gegner sprechen mitleidig vom «kleinen Lars».
Gemeint ist der tüchtige Trainer Lars Leuenberger. «Lars, der kleine Eisbär.» Die vom Holländer Hans de Beer kreierte Hauptfigur ist ein kleiner Eisbär, der mit seinen Eltern am Nordpol lebt. Er schlittert von einem Abenteuer ins nächste und muss nicht selten von Erwachsenen gerettet werden.
So weit ist es also gekommen. Ohne jede Boshaftigkeit dürfen wir sagen: Nicht mehr die furchterregenden «Big Bad Bears» prägen die Aussenwahrnehmung des SC Bern. Sondern der «Lars, der kleine Eisbär».
Das ist wahrlich ein Grund zur Sorge.