Es ist noch gar nicht so lange her, da stand eine Eishockey-Meisterschaft auf festem Grund. Einerseits war da die Wahrung der Chancengleichheit: Nicht nur gleich viele Spieler für alle. Sorgsam achtete Spielplan-Chef Willi Vögtlin auch darauf, dass ein Klub bei zwei aufeinanderfolgenden Spieltagen (Freitag/Samstag oder Samstag/Sonntag) nicht zweimal auswärts antreten musste. Gelang ihm das nicht, erhob sich sogleich Geschrei beim betroffenen Sportchef. Benachteiligungen wurden allenthalben gewittert. Spielverschiebungen waren stets ein heikles Politikum.
Es ging um den Grundsatz der Chancengleichheit. Romantiker nennen es auch Fairplay. Zyniker sagten schon immer: Der moderne Sport ist in England erfunden worden. Chancengleichheit, Fairplay braucht es bloss, damit die Sportwetten auf einer soliden Grundlage stehen.
Die Kulturgeschichte dieser Chancengleichheit, auf der die Glaubwürdigkeit des Sportes ruht, reicht in unserem Hockey weit zurück. Die heftigen Diskussionen bei der Einführung der Playoff-Formel (seit 1986) sind heute fast vergessen: Die Gegner sagten damals, es sei unfair, wenn der Titel lediglich in ein paar Playoff-Partien im Frühjahr vergeben werde. Das Publikum werde doch nicht von September bis März zu bedeutungslosen Spielen kommen.
Heute wissen wir: Die Puritaner lagen falsch. Der Zuschauerschnitt in der Qualifikation ist inzwischen gut doppelt so hoch wie einst in der Meisterschaft ohne Playoffs, in der jedes Spiel zählte. Nur eines ist unangetastet geblieben. Eigentlich das, was die Magie des Sportes ausmacht: die unerbittliche Macht von Sieg und Niederlage. Die Schicksalshaftigkeit des Sportes. Sie machte auch vor grössten Namen nicht halt. Der ZSC, der SC Bern, Biel, Lausanne, Langnau und sogar der HC Davos und Kloten mussten seit Einführung der Playoffs absteigen. Davos und Langnau sogar bis ins Amateurhockey.
Der Versuch, die höchste Liga nach den gemeinsamen Abstiegen der Zürcher und Berner im Frühjahr 1982 subito von acht auf zehn Teams aufzustocken, um die wirtschaftlich wichtige Präsenz der grossen Städte im Hockey zu wahren, war völlig chancenlos. Der SCB-Wiederaufstieg konnte 1986 nur manipuliert werden, weil Arosa freiwillig in der höchsten Liga Platz machte.
Das Eishockey konnte sich diese Lauterkeit lange Zeit leisten. Es hatte seine Seele noch nicht verkauft. Ein Meisterteam kostete in den 1990er Jahren weniger als zwei Millionen und ein Spielersalär von 80'000 Franken galt schon fast als unmoralisch. Im letzten Jahrhundert sind in der Regel nur Playoff-Partien live im Fernsehen übertragen worden.
Die Zeiten haben sich geändert und wir uns in ihnen. Dieser berühmte lateinische Spruch (Tempora mutantur, nos et mutamur in illis) gilt auch fürs Hockey. Inzwischen können wir jedes Spiel live am Fernsehen verfolgen. Die Budgets sind in den letzten 30 Jahren von fünf auf über 20 Millionen erhöht worden. Auch die Erweiterung der höchsten Liga von sechs auf acht, zehn und schliesslich zwölf Teams und die Aufstockung von zwei auf vier Ausländer ist der Entwicklung der Zeit geschuldet.
Erst die Pandemie hat das Eishockey politisiert und korrumpiert. Nicht aber den Fussball. Unser Fussball hat seine Seele auch in der Pandemie nicht verkauft, den Modus nicht geändert und den Auf- und Abstieg beibehalten.
Im Eishockey ist die Macht der Klubs grösser. Der Abstieg ist diese Saison bereits zum zweiten Mal hintereinander ausgesetzt worden. Auf den Aufstieg wollte und will man hingegen trotzdem nicht verzichten. So kommt es, dass wir diese Saison Ajoie als 13. Team in der höchsten Liga begrüssen durften, und der Sieger der Swiss League wird nächste Saison gar die 14. Mannschaft der höchsten Liga sein. Im Windschatten dieser Manipulation ist auch noch gleich für nächste Saison die Anzahl Ausländer von 4 auf 6 erhöht worden. Reformnarren konnten sich in Szene setzen, deren Anliegen in normalen Zeiten als das abgetan worden wären, was sie tatsächlich sind: Narreteien.
Das Eishockey hat in der Pandemie schweren Schaden an seiner Seele genommen. Ajoie ist in der höchsten Liga völlig chancenlos und einem allfälligen Aufsteiger dieser Saison (Kloten, Olten, Visp) wird es nicht anders ergehen. Wenn Niederlagen keine Rolle mehr spielen, weil man eh nicht absteigen kann, verlottert die Leistungskultur.
Langnau zahlt einen hohen Preis: Selbst mit den besten Ausländern der Klubgeschichte sind die Emmentaler völlig chancenlose Zweitletzte. Kommt dazu: Durch die Aufstockung von 12 auf 14 NL-Teams gerät die Leistungspyramide unseres Spitzenhockeys aus den Fugen und mittelfristig die wirtschaftliche Grundlage ins Rutschen.
Der Meisterschaftsbetrieb darf nicht stillstehen. Deshalb wird die Meisterschaft durchgezogen. Das ist den wirtschaftlichen Besonderheiten, dem Seelen-Verkauf geschuldet und geht nicht mehr anders. Die Kunden (Saisonkarten, TV-Rechte, Sponsoren) haben bezahlt und das Anrecht auf Spiele. Kohle und Spiele. Nicht Brot und Spiele.
So kommt es, dass nun die Glaubwürdigkeit arg strapaziert wird. Der Spielplan hat wegen der Pandemie keine Gültigkeit mehr. Mit ziemlicher Sicherheit werden am Ende der Saison erneut nicht alle Klubs gleich viele Spiele ausgetragen haben. Die Tabelle wird nach Punkten / pro Spiel errechnet. Die Glaubwürdigkeit ist dahin. Auch das ist den Erfordernissen der Zeit geschuldet.
Aber Spiele dürfen nicht zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Es ist gefährlich, wenn erst bei den Funktionären und dann beim Publikum der Eindruck aufkommt, eine Niederlage oder ein Sieg mehr oder weniger spiele ja keine Rolle. Hauptsache es wird gespielt. Geht die Ernsthaftigkeit, die Schicksalshaftigkeit eines Spieles verloren, verliert das Eishockey seine Magie. Dann wird es ein billiges Spektakel. Und dann wendet sich das Publikum ab. Die Zuschauerzahlen und das Interesse der Werber gehen zurück.
Das ist das gefährliche Erbe der Pandemie: Die Hockey-Manager und -Funktionäre haben sich inzwischen an die Manipulation ihres Sportes gewöhnt. Politische und wirtschaftliche Interessen stehen über dem Sport. Ein wenig die Anzahl Ausländer erhöhen, mal den Abstieg abschaffen, zwischendurch den Modus ändern oder die Tabelle halt nach Punkteschnitt machen und der Spielplan ist sowieso ein Wunschkonzert. Es ist völlig unerheblich, wer wann gegen wen spielt.
Wenn wieder Normalität einkehrt, darf es so nicht weitergehen. Anders als unser Fussball, der seine Seele während der Pandemie nicht durch Modus-Manipulationen verkauft hat, steht das Hockey vor einer schmerzhaften und schwierigen Rückkehr zur Ernsthaftigkeit und zur Glaubwürdigkeit. Weil die Rückkehr zur Normalität – zwölf Teams in der höchsten Liga, Reduktion der Ausländer – fast nicht mehr machbar ist. Aber sie wird erforderlich sein.
Unser Hockey wird nach der Pandemie die Rechnung für das selbst verordnete Motto «Kohle und Spiele» mit turbulenten Zeiten bezahlen müssen.
Man hat auch früher schon Mal die Liga verkleinert. Damals von 12 über 12 auf 10 Teams.
1998 gab es eine Auf Abstiegsrunde mit den zwei letzten Vertretern im A und dem B Meister. Die A Teams stiegen ab. Das B Team Langnau stieg auf. Es geht also schon wenn man will. Mit Auf und Abstieg wird die SwissLeage interessanter, da man die Klubs noch in kennt als sie in der höchsten Liga spielten.
Ich denke, wir stecken mitten drin in den turbulenten Zeiten.
Das andere wird der Markt selber erledigen, wenn wieder andere Zeiten anbrechen.