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Wie ist so etwas nur möglich? Der SC Bern hat die teuerste und talentierteste Mannschaft seiner Geschichte. Soeben hat Sportchef Sven Leuenberger mit der Verpflichtung der NHL-Stars Sean Bergenheim und Derek Roy noch einmal kräftig nachgerüstet.
Wir brauchen eine Aufzählung der Namen, damit wir uns bewusst werden welch grandioses Team Cheftrainer Guy Boucher zur Verfügung steht.
Martin Plüss, WM-Silberheld.
Simon Bodenmann, WM-Silberheld.
Simon Moser, WM-Silberheld.
Eric Blum, WM-Silberheld.
Marco Bührer, mehrfacher Meistergoalie.
Timo Helbling, WM-Held.
Marc Reichert, gewesener WM-Held.
Thomas Rüfenacht, gewesener WM-Held.
Beat Gerber, gewesener WM Held.
Sean Bergenheim, gewesener NHL-Star.
Derek Roy, gewesener NHL-Star.
Sämtliche Stürmer haben entweder Nationalmannschafts- oder reichlich NHL-Erfahrung. Ein Team, das unsere Liga dominieren, das Publikum Abend für Abend erfreuen und unsere Hockeykultur bereichern könnte.
Und was haben wir, wie schon zu oft in dieser Saison, nun auch in Langnau gesehen? Eine Mannschaft, die in taktischen Fesseln hektisches und unkonzentriertes Roboter-Hockey spielt. Künstler als defensive Maschinisten. Das Primat des Zweikampfes über den Spielzug. Mit einer Ausstrahlung, als hiesse jeder Alain oder Pascal Berger. Dies ist nicht etwa eine Kritik an den tüchtigen Gebrüder Berger. Die beiden personifizieren halt als brave Hockey-Hilfsarbeiter die langweiligste SCB-Spielweise aller Zeiten.
Es ist ja nicht so, dass einfaches, geradliniges Hockey nicht attraktiv sein könnte. Die britische Rock-Band «Status Quo» begeistert die Welt mit einfach gestrickter Rockmusik. Aber das SCB-Spiel wirkt wie eine Status-Quo-Platte mit einem Sprung. Wir fragen noch einmal: Wie ist so etwas nur möglich? Die Antwort finden wir im Kabinengang nach dem Spiel. SCB-Trainer Guy Boucher sucht diesmal keine Ausreden. Ja, er wirkt kleinlaut. Und wer genau hinhört, begreift diesen Verlust jeglicher Spielspasskultur.
Er fabuliert von einem «game plan», der gut gewesen und leider nur am Anfang eingehalten worden sei. In Wirklichkeit ist der SCB zu zwei kuriosen, haltbaren Treffern gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Zu sagen, diese 2:0-Führung sei das Produkt eines «game plan», ist so wie wenn einer nach einem Lotto-Sechser behauptet, er habe das Geld dank sorgfältiger Planung, Intelligenz und Vorbereitung gewonnen. Dann braucht der gescheiterte NHL-General bei der Spielanalyse Ausdrücke wie «crashing the net». Er sagt, die Spielweise sei nach der frühen Führung «weich» geworden und die «Hits» hätten gefehlt. Es ist die Philosophie eines Trainers, der Eishockey nicht als Spiel, sondern als eine Art «American Football auf Eis» interpretiert.
So verkommt der SCB zu einer seltsamen Luxusversion der Langeweile-Lakers der letzten Jahre. Nur noch Siege rechtfertigen dieses lustfeindliche Galeeren-Hockey. SCB-Obergeneral Marc Lüthi ist ein freundlicher und höflicher Mann. Aber er verlässt den Kabinengang in Langnau wort- und grusslos, mit steinerner Miene und die Hände in der Jackentasche vergraben. Er ist bis heute der einzige Manager der Hockeygeschichte, der einen Meistertrainer (Larry Huras) ohne sportliche Not mit der Begründung gefeuert hat, es werde langweiliges, uninspiriertes Hockey gespielt. Im Vergleich zu dem, was der SCB unter Guy Boucher zelebriert, war das damalige Hockey von Larry Huras ein ununterbrochenes Abbrennen von spielerischen Feuerwerken. Viele solche Niederlagen wie dieses 2:4 in Langnau kann sich Guy Boucher nicht mehr leisten.
Dieser SCB kann zwar mit der schieren Wucht seiner nominellen Überlegenheit jeden Gegner überrennen (wie im Startspiel die Langnauer mit 7:1) und am Ende gar Meister werden – sofern bei dieser aufwändigen Spielweise nicht die Kraft vor dem Finale ausgeht. Aber wenn sich die Gegner von den grossen Namen nicht einschüchtern lassen und dagegenhalten, dann fehlen Ideen, Inspiration, Unberechenbarkeit, Mut zum Risiko und smartes Coaching um ein Spiel zu gewinnen.
Die Berner laufen dann einfach wie der Hase aus der Duracell-Werbung weiter und weiter bis die Batterien leer sind. Wenn der SCB mit diesem Trainer und dieser Spielweise Meister wird, dann kaufe ich in der Sonntagsausgabe der NZZ eine Inserate-Doppelseite um dem Leser mit einer vierfarbigen Grafik Guy Bouchers meisterliche Taktik zu erklären.
So ein Gegner, der sich nicht mehr beeindrucken lässt, war Langnau. Die Art und Weise, wie die Emmentaler mit Mut, Disziplin und Leidenschaft diesen übermächtigen Gegner besiegt haben, war schlichtweg grandios. Dabei hatten sie aus dem Vorabend das Spiel und die lange Reise nach Genf in den Gliedern.
Die Sturmläufe von Chris DiDomenico waren wie Flammenzeichen am Firmament des Spektakels. Es wird ihm in Langnau nicht zu einem Meistertitel reichen. Aber er ist drauf und dran, doch Geschichte zu schreiben und zum Mythos zu werden, zu einer besonderen Art von Spieler, die es bei einem «kleinen» Hockeyunternehmen wie Langnau vielleicht nur alle 25 Jahre gibt. Er hat die beiden entscheidenden Tore zum 3:2 und 4:2 orchestriert.
Der eigentliche Held war Torhüter Damiano Ciaccio. Nach zwei haltbaren Gegentreffern hält er alles und kommt auf eine Fangquote von 95,24 Prozent. Der unkonventionelle Stilist mahnt immer mehr an eine kampfstarke Version von Martin Gerber. Er ist drauf und dran, sich zu einem Kultgoalie zu entwickeln.
Die SCL Tigers ersetzen die Lakers – das ist für die Liga so, wie wenn wir im Bett Alice Schwarzer gegen Scarlett Johansson eintauschen. Die Emmentaler sind vor allem in Heimspielen mit ihrem leidenschaftlichen, mutigen, wilden und doch nie unkontrollierten Spiel eine enorme Bereicherung – und ein wichtiger Grund dafür, dass die Liga so ausgeglichen ist wie noch nie in diesem Jahrhundert.
grossartig 😄