Der HC Davos hatte die Saison als Aussenseiter begonnen. Dreimal hintereinander hatte Arno Del Curto nach dem letzten Titel (2011) die Viertelfinals verloren. Im Frühjahr gingen auch noch wichtige Spieler wie Dario Bürgler, Robin Grossmann (Zug), Peter Guggisberg, René Back (Kloten) und Sandro Rizzi (Rücktritt) verloren.
Wer jetzt sagt, ist entweder ein Lügner oder ein Angeber. Aber wenn schon eine unserer Landesmütter fürs letzte Rechnungsjahr des Bundes einen Gewinn von 121 Millionen prognostiziert und dann ein Minus von 124 Millionen eingefahren hat, dann darf sich auch ein Hockey-Chronist eine Fehlprognose leisten.
er habe immer damit gerechnet , der HCD werde 2015 wieder Meister,Kein anderer der HCD-Titel in diesem Jahrtausend kommt so unvorhergesehen. Ja, es ist der überraschendste Ausgang der Meisterschaft seit der SC Bern im Frühjahr 1989 unter Bill Gilligan im Finale den himmelhohen Favoriten Lugano bodigte – nur drei Jahre nach dem Wiederaufstieg in die NLA.
Von allen sechs HCD-Meisterschaften der Neuzeit unter Arno Del Curto ist dieser Titel von 2015 wie kein anderer ein Triumph des «Systems Arno». Dieses Spielsystem der blitzschnellen Gegenstösse, das der Perfektionist an der Bande seit 1996 einübt und laufend verbessert, machte die Differenz gegen die nominell besseren, talentierteren ZSC Lions. Das System triumphierte über die besseren Individualisten. Die Systemsicherheit war der Grund, warum die Davoser die kleinen Dinge richtig machten, die letztlich eine Serie entschieden. Eine Serie, die ausgeglichener gewesen ist, als es das klare Resultat von 4:1 vermuten liesse.
Es gibt Meister, die offensiv spektakulärer gespielt haben – wie etwa der HC Davos von 2005 oder der HC Lugano im Frühjahr 2006. Es war auch nicht der dramatischste Final der Neuzeit. Wir haben 2000 und 2001 (beide Male besiegten die ZSC Lions den HC Lugano) oder zuletzt 2012, als die ZSC Lions den Titel durch einen Treffer zwei Sekunden vor Schluss in Bern holten, aufwühlendere Finalserien erlebt.
Aber das Finale von 2015 ist taktisch eines der interessantesten und besten seit Einführung der Playoffs (1986). Beide Mannschaften suchten die Entscheidung in der Vorwärtsbewegung. Alle fünf Finalpartien sind auf europäischem Spitzenniveau gespielt worden. Beide Teams auf den Zehenspitzen, immer darauf aus, die Offensive zu suchen. Jedes Spiel enorm schnell und intensiv und jederzeit fair. Ein Festival der positiven Elemente des Eishockeys. Es gibt ausserhalb der NHL wohl nur noch in der russischen KHL besseres Hockey zu sehen.
Letztlich ist dieses Finale auch ein Triumph der Hockeykultur. Zwei Mannschaften, die Eishockey spielen und nicht arbeiten, haben den Titel unter sich ausgemacht. Zwei Mannschaften, die auf konstruktive Elemente setzen: Tempo, Präzision, Kreativität, Offensive. Qualitäten, die so typisch für unser Eishockey sind. Beide haben versucht, dem Gegner ihr Spiel aufzuzwingen. Zeitweise wirkte dieses Eishockey im Vergleich zu den steinzeitlichen Defensivstrategien des HC Lausanne oder des SC Bern wie eine andere Sportart. Die ZSC Lions erzielten gegen den HCD in 5 Partien immerhin zehn Treffer – der SCB hatte in vier Halbfinal-Partien lediglich fünfmal getroffen.
Der HC Davos und die ZSC Lions haben im Finale das Eishockey des 21. Jahrhunderts gespielt. Jene, die noch im Eishockey des 20. Jahrhunderts zurückgeblieben sind, hatten mit der Titelvergabe nichts mehr zu tun. Das ist gut so.
Alle Analysen werden im Wissen um den Ausgang der Finalserie geschrieben und als absolute Wahrheiten verkündet. So, als sei es logisch, dass nur der HC Davos dieses Finale gewinnen konnte. So, als ob gar kein anderes Resultat möglich war.
Wir sollten fair sein und den ZSC Lions zugestehen, dass auch ein anderer Ausgang möglich gewesen wäre. Dieses grosse Finale ist vielleicht in einer einzigen Szene entschieden worden. Als Andres Ambühl im dritten Spiel am Ostermontag in Zürich in die drückende Überlegenheit der ZSC Lions hinein mit einem der spektakulärsten Sololäufe dieses Jahrhunderts das 1:0 erzielte – am Ende siegte der HCD 3:2 nach Penaltys und ging in der Serie 2:1 in Führung. Aber in Erinnerung wird uns vor allem das 1:0 von Reto von Arx in der fünften und alles entscheidenden Partie bleiben. Doch das wichtigste, das spektakulärste Tor war dieses 1:0 von Andres Ambühl.
Und fast hätte ich das Wichtigste vergessen. Das perfekteste Spielsystem ist wirkungslos, wenn der Torhüter versagt und der beste Trainer chancenlos, wenn er keinen grossen Goalie hat. Leonardo Genoni, bereits 2009 und 2011 HCD-Meistergoalie, hat in diesem Finale sein bestes Hockey gespielt.
Leonardo Genoni ist der wichtigste Einzelspieler im HCD-Meisterteam von 2015.