Wenn es stimmt, was der «Blick» enthüllt und der «Tages-Anzeiger» ohne mit den Wimpern zu zucken bestätigt hat, dann ist der Aufstiegsfinal zwischen Kloten und Ajoie nur noch eine Farce. Aber auch eine wunderbare Geschichte mit vortrefflichem Unterhaltungswert. Wieder einmal übertrifft die Wirklichkeit jede Fiktion.
Die Enthüllung: Jonathan Hazen und Philip-Michaël Devos, Ajoies wichtigste Spieler, haben bereits bei Kloten für nächste Saison einen Vertrag unterschrieben – aber in Kraft tritt er nur, wenn Ajoie verliert und Kloten aufsteigt.
Damit unterscheidet sich dieser Fall fundamental vom Eklat rund um den Viertelfinal zwischen Olten und Langenthal im Frühjahr 2010. Damals bestätigte Langenthals Sportchef Reto Kläy (heute Sportchef in Zug) unmittelbar vor der Serie offiziell die Verpflichtung von Oltens Kanadiern Jeff Campbell und Brent Kelly für die kommende Saison. Beide hatten auslaufende Verträge und der Wechsel nach Langenthal hing nicht vom Ausgang dieses Viertelfinals ab. Olten gewann die sportliche Auseinandersetzung auf dem Eis.
Eine offizielle Bestätigung für Klotens Hinterzimmer-Deal mit Ajoies Schlüsselspielern gibt es natürlich weiterhin nicht. Aber nach der Enthüllung durch den «Blick» ein vergnügliches Gespinst von Lügen, Halbwahrheiten und Ausflüchten.
Die Frage geht beispielsweise an Klotens Verwaltungsrats-Präsidenten Mike Schälchli.
Hallo Mike. Habt ihr die Verträge mit Hazen und Devos gemacht? Ja oder nein?
Patrick (Ajoies Präsident Patrick Hauert – die Red.) und ich schätzen uns sehr und haben uns diesbezüglich ausgetauscht. Unsererseits konzentrieren wir uns ausschliesslich auf die Serie. Wir kommunizieren nichts zu Gerüchten und allfälligen, üblichen Vorverträgen, das wäre in dieser Situation auch nicht fair.
Sehr gut – dann stimmt es also und die Verträge sind gemacht. Sonst könntest du ja nein sagen. Es ist der gekaufte Aufstieg.
Eben wie gesagt: Wir sagen nichts dazu. Wir freuen uns wahnsinnig auf die Serie.
Wahrlich, kein Schelm, wer bei solchen Antworten davon ausgeht, dass der Deal gemacht ist.
Ajoies Präsident Patrick Hauert (63) nimmt die Sache mit der staatsmännischen Gelassenheit eines Obmannes, der schon seit 22 Jahren im Amt ist. Er sagt, er habe in der Lokalzeitung gelesen, dass seine beiden Kanadier die Sache dementieren. Was, wenn sie lügen? «Nun, dann sinken sie in meiner Wertschätzung halt etwas …»
Sportchef Vincent Léchenne (54) neigt noch dazu, seinen beiden Kanadiern zu glauben. «Beide versichern, dass sie nie mit Kloten Kontakt hatten. Hingegen hätten sie mit verschiedenen Klubs aus der National League gesprochen.»
Der HC Ajoie hat in der Sache ein harsches offizielles Dementi veröffentlicht, das im Ton fast ein wenig an die Zeit des Freiheitskampfes in den 1970er Jahren mahnt.
Eine solche Schelte haben die Chronistinnen und Chronisten aus den Zürcher Schreibstuben allerdings nicht verdient. Sie sind ja nur der Sache, der Suche nach der Wahrheit verpflichtet.
Erlöst wären alle, wenn Ajoie den Final gewinnt. Dann wären «die unmoralischen Verträge» mit Kloten hinfällig und die letzte Wahrheit wird nie ans Licht kommen. Vincent Léchenne, seit 38 Jahren im Hockey-Business, sagt: «Manchmal ist es gut, wenn wir nicht alles wissen, was in den Hinterzimmern so vor sich geht …»
Wo er recht hat, da hat er recht. Das gilt für Kloten, für Ajoie, fürs Hockey und fürs richtige Leben.
In jeder Geschichte gibt es Helden. Sollten Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen tatsächlich nächste Saison für Kloten stürmen, dann heisst dieser Held Gaëtan Voisard (48).
Der ehemalige Nationalverteidiger ist als Spieleragent an vorderster Front in dieses Geschäft verwickelt. Wie Vincent Léchenne beim HC Ajoie gross geworden. Mehr noch: Die beiden haben später gemeinsam beim SC Bern gespielt und sind in Bern 1997 Meister geworden. Beste Freunde also.
Sein Statement ist einfach grossartig und macht ihn im Falle eines Falles zum «Baron von Münchhausen des Hockeys»: «Die Sache stimmt nicht. Aber ich weiss seit drei oder vier Tagen, dass mehrere Spieler von Kloten erzählt haben, dass sie ein Gerücht streuen werden, um ein wenig Öl ins Feuer zu giessen.» Und er hatte noch angefügt: «Nicht sehr schlau und intelligent». Diese Auskunft hat er auch Vincent Léchenne gegeben.
Die Geschichte hat über den Sport hinaus auch noch eine kulturelle Dimension: Gaëtan Voisard und Vincent Léchenne sind beide Jurassier. Kann es sein, dass ein Jurassier seinen jurassischen Freund in einem so wichtigen jurassischen Geschäft um ein paar Silberlinge wegen belügt und hintergeht und dafür sorgt, dass ausschliesslich Zürcher (!) profitieren? Das wäre eigentlich «Landesverrat». Das würde ja Gaëtan Voisard zum «Jean-Louis Jeanmaire des jurassischen Sportes» machen. Das ist doch undenkbar! Oder?
Aber war es nicht so, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner dieses wunderlichen Berglandes selbst während des heroischen Freiheitskampfes gegen die bernische Obrigkeit nicht ganz einig waren?
Gab es damals nicht die Sangliers («Wildschweine») als berntreue Kampfgruppe gegen die separatistischen «Béliers» («Widder»)? War es nicht so, dass zeitweise die Sangliers und die Béliers nur zu bestimmten Zeiten die Geschäfte betreten durften, damit sie sich nicht zwischen den Warengestellen verprügeln konnten?
Ja, so war es in den 1970er Jahren, die als «les années de braises» («die Jahre der Glut») in die jurassische Geschichte eingegangen sind.
Welche Dimension diese Affäre hat, sehen wir auch daran, dass es in der Bibel nur einen Judas gibt, der für Silberlinge Verrat verübt. Aber wenn Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen tatsächlich schon für Silberlinge in Kloten unterschrieben haben, dann hätten wir zum ersten Mal in der Weltgeschichte zwei Judasse. Und das in Pruntrut im tief katholischen Jura, wo von 1527 bis 1792 sogar der Bischof seinen Sitz hatte. Mon Dieu!
Eigentlich müsste die Liga einschreiten. Denn so vortrefflich uns diese Geschichte auch unterhalten mag: Sie tangiert das höchste Gut des Meisterschaftsbetriebes. Die Glaubwürdigkeit.
Dass Spieler vorzeitig bei anderen Klubs in der gleichen Liga unterschreiben, ist zwar gang und gäbe. Dass aber der Vertrag beim anderen Klub nur gültig ist, wenn ein Final verloren geht, den man noch mit dem alten gegen den neuen Klub spielt – das hat es noch nie gegeben.
Doch Liga-Manager Denis Vaucher wäscht seine Hände in Unschuld. «Die Liga hat keine Kompetenz, in die Vertragsfreiheit der Klubs einzugreifen. Verträge sind gültig, wenn sie nicht sittenwidrig sind oder geltendes Recht verletzen. Sollte es effektiv so sein, dass diese Verträge jetzt abgeschlossen worden sind, müsste man von mangelndem Fingerspitzengefühl sprechen.»
Wir wollen nicht moralisieren. Mangelndes Fingerspitzengefühl ist nicht justiziabel. Aber wir wollen auch die ganze Geschichte nicht vergessen, wenn Kloten denn aufsteigen und dann Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen tatsächlich vom «Quebec der Schweiz» ins Glatttal zügeln sollten. Und bei Gelegenheit genüsslich aufwärmen.
Für die Direktbeteiligten auf dem Eis und in den Büros gilt: Helm auf, Sturmband festschnallen, die Schlittschuhe noch besser binden, den Stock fester umklammern, beim Hemd auch den obersten Knopf schliessen, die Krawatte enger binden. Und auf geht’s in den Final.
Und wenn man alle Emotionen weg lässt: Sehr schlau gemacht von Kloten. Ausserdem kann man verstehen, dass die Spieler ihre vielleicht letzte Chance nutzen möchten, mal im A zu spielen.
Und warum sollten die Klotner Spieler 3-4 Tage vorher, also während sie noch im Halbfinal spielten, ohne zu wissen das Ajoje im Final steht sowas erzählen? Was sollen die für Motive haben?
Anscheinend wurden die Verträge ja im letzten September bereits gemacht...da war noch überhaupt nicht abzusehen wer im FInal steht. Was für ein Drama um gar nichts.