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Die SCB-Sportabteilung sprengt alle Dimensionen – sie spielt Lotto

Beat Brechbuehl, Verwaltungsratspraesident, Marc Luethi, CEO und Rolf Bachmann, COO, von links, vom SC Bern sprechen an einer Medienkonferenz, am Mittwoch, 4. September 2019, in Bern. (KEYSTONE/Peter  ...
VR-Präsident Beat Brechbühl, CEO Marc Lüthi und COO Rolf Bachmann.Bild: KEYSTONE
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Die SCB-Sportabteilung sprengt alle Dimensionen – sie spielt Lotto

Selbst hochprofessionelles Vorgehen bei der Trainerwahl garantiert den Erfolg nicht. Doch der SC Bern spottet bei der Verpflichtung von Don Nachbaur aller gängigen Regeln der Branche. Eine Polemik.
16.06.2020, 09:3217.06.2020, 06:17
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Wer sind wir? Was wollen wir? Welchen Weg wollen wir gehen? Welcher Trainer passt zur DNA unseres Klubs? Zu unseren Spielern? Zu unserem Potenzial? Wer sich diese Fragen stellt, hat bei der Anstellung des Trainers gute Aussichten auf Erfolg. Dafür gibt es ein paar Beispiele aus jüngster Zeit.

Raeto Raffainer holt als Verbandssportdirektor mit Patrick Fischer den passenden Trainer zur Philosophie der «Swissness».

Chris McSorley macht bei der Verjüngung seines Teams konsequenterweise seinen erfolgreichen Juniorentrainer zum Chefcoach und Servette wird unter Patrick Emond wieder zum Spitzenteam.

Geneve-Servette's Head coach Patrick Emond reacts, during a National League regular season game of the Swiss Championship between Geneve-Servette HC and HC Ambri-Piotta, at the ice stadium Les Ve ...
Servette-Trainer Patrick Emond.Bild: KEYSTONE

Sven Leuenberger holt nach dem Scheitern eines schwedischen und eines kanadischen Coaches mit dem weltmeisterlichen Rikard Grönborg einen Trainer, der skandinavische und nordamerikanische Philosophie verbindet, und die ZSC Lions verbessern sich von Rang 9 auf den 1. Platz.

Präsident Filippo Lombardi setzt auf die eigene Kultur. Paolo Duca wird Sportchef und macht Luca Cereda zum Cheftrainer. Seither ist Ambri erstaunlich erfolgreich und hat seine Magie wiedergefunden.

Raeto Raffainer wechselt zum HC Davos und nimmt mit Christian Wohlwend den passenden Trainer mit, der die von Arno Del Curto geprägte sportliche Kultur weiterführt. Die Mannschaft steigt aus dem Ranglistenkeller wieder in die Spitzengruppe auf.

Beispiele, die uns zeigen, wie der Erfolg durch sorgfältiges, professionelles Vorgehen bei der Trainerwahl machbar ist.

Aber eine Garantie gibt es in einem so unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage nie. Die ZSC Lions machen alles richtig, als sie einen Nachfolger für Marc Crawford verpflichten: Sie setzen auf eine neue, skandinavische Philosophie und holen mit Hans Wallson den nach menschlichem Ermessen bestmöglichen Trainer. Der Schwede scheitert. Meister wird schliesslich Nottrainer Hans Kossmann.

Zuerichs Trainer Hans Kossmann im vierten Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern, am Montag, 2. April 2018, im Zuercher Hallenstadion. (KEYSTONE/Me ...
Hans Kossmann führte die Lions als Notnagel zum Titel.Bild: KEYSTONE

Zwei seiner letzten vier Titel verdankt der SCB spontanen Entscheiden und nicht einer langfristigen Strategie. Antti Törmänen und Lars Leuenberger holen als Assistenten für ihre gefeuerten Chefs Larry Huras (2013) bzw. Guy Boucher (2016) die Meisterschaft.

Glück gehört eben auch dazu. Der grosse Napoléon wusste schon, warum er vor den Beförderungen zum General oder zum Marschall stets fragte: Aber hat der Mann auch Glück?

Einen «Nobody» zum General oder zum Marschall zu machen, war also immer schon ein wenig Glückssache. Aber es zieht sich eben auch ein roter Faden durch all die Beförderungen von Nobodys zu Trainern. Sie sind jung und stehen am Anfang ihrer Karriere. Arno Del Curto wird mit 40 Trainer in Davos, Bill Gilligan mit 34 Cheftrainer in Bern. Luca Cereda ist bei der Ernennung zum Cheftrainer in Ambri 37. Patrick Emond ist zwar schon 54, als er zum ersten Mal Cheftrainer wird – aber er hat zuvor zehn Jahre lang als Nachwuchstrainer gearbeitet und die DNA von Servette verinnerlicht. Kevin Schläpfer wechselt in Biel mit 41 vom Büro des Sportchefs an die Bande. Larry Huras kommt im Alter von 30 Jahren zum ZSC.

Und noch etwas ist all diesen Nobodys eigen: Sie wissen bereits, wie man gewinnt. Bill Gilligan holt vor seinem Engagement beim SCB in Klagenfurt viermal hintereinander den Titel. Bevor Arno Del Curto Davos übernimmt, hat er mit dem ZSC den Titanen Lugano aus den Playoffs gekippt und Luzern in die NLB geführt.

ARCHIVBILD ZUM KEYSTONE-SDA-TEXT ZUM JUBILAEUMSJAHR 1990 --- Der Amerikaner Bill Gilligan steht am 28. Februar 1991 in Zug im Play-Off Eishockey Spiel des EV Zug gegen den SC Bern als SCB Trainer an d ...
Bill Gilligan 1991 als SCB-Trainer.Bild: KEYSTONE

Christian Wohlwend ist erfolgreicher U-20-Nationalcoach (Halbfinal U-20-WM), bevor er nach Davos zügelt. Patrick Emond gewinnt vor seiner Beförderung zum Cheftrainer zweimal hintereinander die Elite-Juniorenmeisterschaft. Kevin Schläpfer hat sich vor seiner Ernennung zum Headcoach bereits zweimal unter maximaler Belastung in der Liga-Qualifikation als Nottrainer bewährt. Larry Huras gewinnt vor seinem Wechsel in die Schweiz als Spielertrainer dreimal die französische Meisterschaft.

Aber noch nie hat ein Hockeyunternehmen von der Bedeutung des SC Bern einen «Nobody» als Trainer für zwei Jahre engagiert, der in mehr als 30 Jahren an der Bande nie irgendwo etwas gewonnen hatte, der die DNA des Klubs nicht kennt, der keinerlei Kenntnisse unserer Hockeykultur hat und mit 61 im späten Spätherbst seiner Karriere steht. Diese Trainerwahl widerspricht jeder Logik der Branche.

Aber gibt es bei einem Lottogewinn eine Logik? Nein. Die Chancen, dass Don Nachbaur ein grosser SCB-Trainer wird, sind ungefähr gleich gross wie die Aussichten auf einen siebenstelligen Lottogewinn. Wenn der kanadisch-österreichische Doppelbürger Meister wird, werde ich SCB-Manager Marc Lüthi darum bitten, mir einen Lottoschein auszufüllen.

Die SCB-Sportabteilung sprengt alle Dimensionen. Sie fordert die Hockey-Götter in unverantwortlicher Art und Weise heraus und spielt Lotto. Ende der Polemik.

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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jüre51
16.06.2020 10:07registriert März 2014
Also lieber Chlöisu (oder Chronist)! Scheinbar vergisst ein Chronist sehr schnell, was er vor noch nicht so langer Zeit im Hockey-Guide 2019/2020 selbst geschrieben hat nämlich Zitat: Patrick Emond ist ein hochqualifizierter Fachmann, aber halt ein ewiger Juniorentrainer… Ende Zitat. Mit der Anmerkung Genf-Servette käme nicht über Platz 11 der Qualifikation hinaus hat sich der Chronist masslos verschätzt! Mit diesem Leistungsausweis verwirkst du das Recht Don Nachbaur als Clown und die Clubführung als Lottospieler zu qualifizieren!
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Walter Sahli
16.06.2020 10:19registriert März 2014
Der SCB braucht in den nächsten zwei Jahren keinen Titel, sondern einen radikalen Umbau von alt zu jung. Normalerweise verläuft die Verjüngung kontinuierlich, beim SCB aber wurde sie vom titelgeilen Jalonen komplett unterbunden, weswegen jetzt grosser Nachholbedarf besteht. Umbau ist undankbare Knochenarbeit und Titel dürfen, wie beim Lotto, in so einer Phase kaum erwartet werden. Nachbaur hat Erfahrung mit Jungen und wenn der Verjüngungsprozess implementiert ist, kann Leuenberger übernehmen, den man für den Umbau, der ja auch schiefgehen kann, nicht opfern will.
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Playoffbart
16.06.2020 11:14registriert Oktober 2015
Es scheint so, als sei der Eismeister lernfähig.
Er lehnt sich nicht mehr so weit aus dem Fenster: Statt das seine Worte bei einem Titelgewinn zu Zweifränkler in der Mannschaftskasse werden sollen, will er sich dieses Mal nur einen Lottoschein ausfüllen lassen.

Sicher ist halt sicher...
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