Servette kann gegen die Grossen keine Playoff-Serie gewinnen. Die Grossen sind in diesem Zusammenhang die ZSC Lions, der HC Davos und der SC Bern. Die drei mächtigsten Hockey-Unternehmen in der Schweiz. Weil nur in Bern, Davos und Zürich Hockey-Kompetenz, Hockey-Begeisterung, Tradition, Infrastruktur und Geschäftstüchtigkeit in so idealem Masse zusammenkommen. Servette hat bis heute alle Playoff-Serien gegen den SC Bern und die ZSC Lions verloren. Auch nach einer 3:1-Führung (Viertelfinale 2013) gegen Bern und einem 2:0 (im Finale 2008) gegen die Zürcher.
Viel Geld bedeutet nicht automatisch viel Erfolg. Dem HC Lugano stehen unbeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung und trotzdem hat die Mannschaft seit 2006 jede Playoff-Serie verloren. Zuletzt zweimal hintereinander gegen Servette.
Geld ist nur dann entscheidend, wenn es richtig investiert wird. Die ZSC Lions haben eine gute Mischung aus Quantität und Qualität gefunden und können dabei auf die grösste und beste Nachwuchsabteilung des Landes und ein eigenes Farmteam zurückgreifen (GCK Lions). So ist es möglich, jede wichtige Position mehrfach zu besetzen und die vierte Linie ist immer stark genug, um die erste gegnerische zu neutralisieren. Mehr noch: Selbst der Ausfall der ganzen vierten Linie würde die ZSC Lions nicht schwächen. Sie könnte eine neue hinstellen. So gesehen macht Geld Tore.
Chris McSorley hat nicht das Geld für diese Tiefe im Kader. Oder besser: Weil er auch Mitbesitzer und Manager seines Hockeyunternehmens ist, gibt er dieses Geld nicht aus. Er hat schon mehr über die Spieler unserer Liga wieder vergessen als seine Konkurrenten je gewusst haben. Deshalb ist er in der Lage, jede Position richtig zu besetzen – aber eben nur einmal. Ausfälle treffen Servette deshalb immer stärker als die ZSC Lions. Es wäre gut fürs Gemüt der Welschen und ein Grund für eine riesige Party, wenn Chris McSorley einmal Meister werden könnte. Aber dafür müsste er ganz einfach zu viel Geld investieren. Ein Meistertitel ist, wenn wir es genau rechnen, kein gutes Geschäft. Prämien müssen bezahlt werden, die Begehrlichkeiten der Spieler werden grösser, die Erwartungen noch höher und es gibt keine Hoffnung, dass es in der nächsten Saison besser wird. Längst hat sich Chris McSorley gegen das Gemüt, gegen eine Party und für das gute Geschäft entschieden.
Der Herzog von Wellington sagte, die persönliche Präsenz von Napoléon sei auf dem Schlachtfeld 40'000 Soldaten wert. Deshalb sorgten Napoléons Feinde am Schluss dafür, dass sie zahlenmässig klar überlegen waren und bereiteten ihm bei Waterloo eine Niederlage, die er nicht mehr wettmachen konnte.
So ergeht es Chris McSorley immer wieder. Als grosser, charismatischer Stratege und Bandengeneral erringt er immer wieder grandiose Siege. Beim Spengler Cup und in den Playoffs – zuletzt hat er zum zweiten Mal hintereinander Lugano eliminiert. Aber am Ende erliegt er der Übermacht immer. Die ZSC Lions werden ihm ein weiteres Waterloo bereiten. Wie 2008 im Finale und vor einem Jahr im Halbfinale. Und wie der SCB 2003, 2007 und 2013 im Viertelfinale, 2004 im Halbfinale und 2010 im Finale. Sieben Mal verloren – die Statistik lügt in diesem Falle nicht. Aber anders bei Napoléon bedeutet ein Waterloo bei Chris McSorley keineswegs das Ende der Karriere. Nach Waterloo blieb für Napoléon nur noch die Verbannung auf St.Helena. Für Servettes kanadischen Bandengeneral folgt nach jedem Waterloo eine neue Saison.
Gegen den HC Davos hat Servette noch keine Playoff-Serie gespielt. Wenn die Genfer das Halbfinale gegen die ZSC Lions gewinnen sollten, so wäre das die grösste Sensation seit Einführung der Playoffs im Frühjahr 1986. Und die Freude wäre von kurzer Dauer. Servette wäre für den HCD im Finale ein Freilos zum Titel.