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Eismeister Zaugg

Sven Andrighetto hat sich an der Hockey-WM ein böses Foul geleistet.

ZU SCHWEIZER EISHOCKEYSPIELERN IN DER NHL IN DER SAISON 2017/18 STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- Portrait Swiss NHL ice hockey player Sven Andrigehtto taken in Kloten, Switz ...
Hat fahrlässig gehandelt: Sven Andrighetto.Bild: KEYSTONE
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Das Foul von Sven Andrighetto – eigentlich ein Fall für ein ordentliches Gericht

NHL-Stürmer Sven Andrighetto hat sich eines der bösesten Fouls der neueren WM-Geschichte geleistet. Er kann von Glück reden, dass kaum mit einer grenzüberschreitenden Klage zu rechnen ist. Sonst könnte es für ihn sehr teuer werden.
06.05.2018, 03:4606.05.2018, 19:24
klaus zaugg, Kopenhagen
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Die Szene mahnt mehr an vorsätzliche Körperverletzung als an raues, körperbetontes Spiel. Die TV-Bilder zeigen, wie Sven Andrighetto seinen Gegenspieler Steven Strong «anvisiert» und ihm mit einem Kniestich das Knie «zerfetzt». Kreuz- und Seitenbänder des Verteidigers reissen. Er wird, wenn sich die erste Diagnose des Arztes bestätigt, monatelang ausfallen und es ist offen, wie lange er braucht, bis er wieder sein bestes Hockey spielen kann.

Dieser Ausraster zieht einen Restausschluss nach sich und das fünfminütige Powerplay ermöglichte den Österreichern den Anschlusstreffer zum 2:1. Es ist die Wende, die schliesslich zum Punktverlust im WM-Startspiel führt (3:2 n.V).

Update: Nur eine Spielsperre
Das Schweizer Nationalteam kann an der WM in Dänemark am Dienstag gegen Tschechien wieder auf Sven Andrighetto zählen.

Die Disziplinarkommission der IIHF verzichtete auf weitere Spielsperren gegen den Stürmer der Colorado Avalanche. (sda)

Das ist die sportliche Seite. Solche Fouls haben heute aber auch eine nicht zu unterschätzende juristische Seite. Sven Andrighetto kann froh sein, dass er wohl kaum rechtliche Schritte zu befürchten hat: Der österreichisch-kanadische Doppelbürger Steven Strong (oder seine Versicherung) dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht grenzüberschreitend in der Schweiz klagen. Es könnte sonst für unseren NHL-Stürmer sehr teuer werden.

Was das Bundesgericht zu solch groben Fouls sagt

Es gibt einen Fall, der abschliessend vom Bundesgericht beurteilt worden ist und stark an den «Fall Andrighetto» erinnert.

Petr Malkow (Ambri) reichte 1993 gegen Misko Antisin Strafklage ein. Der Zuger hatte mit einem ähnlichen Foul das Knie des Russen demoliert. Der kanadisch-schweizerische Doppelbürger, damals der meistbestrafte Spieler der NLA, akzeptierte die erstinstanzliche Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung nicht. Aber er blitzte vor Ober- und Bundesgericht ab.

Auf der Basis dieses Strafurteils folgte eine Zivilklage und ein Urteil über eine Schadensersatzforderung von gegen 200'000 Franken. Im Rahmen eines Vergleichs blieben noch rund 75 Prozent der Summe an Misko Antisin hängen.

Juristische Folgen hatte auch ein Foul des Amerikaners Kevin Miller gegen ZSC-Stürmer Andrew McKim im Oktober 2000. Der HCD-Stürmer wurde nach einem langen juristischen Hin- und Her 14 Jahre später auf der Basis eines Strafurteils des Zürcher Obergerichtes (fahrlässige und einfache schwere Körperverletzung) von einem Gericht in Michigan (USA) zu einer Schadensersatzsumme von 1,1 Millionen Dollar verdonnert. Kevin Miller hatte seinen kanadischen Gegenspieler mit dem Ellenbogen in den Nacken getroffen, worauf dieser bewusstlos auf dem Eis aufschlug und sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zuzog, von dem er sich nicht mehr vollständig erholt hat. Die Prozesse hatte Andrew McKims Versicherung durchgezogen.

Unfall oder Fahrlässigkeit?

Ein Foul muss nicht in jedem Fall eine böse Tat sein, die vor Gericht gehört. Ein Foul kann auch ein Unfall sein und für den Verursacher ohne juristische Folgen bleiben.

Im Frühjahr 2013 stürzte Oltens Verteidiger Ronny Keller nach einem Zweikampf mit Langenthals Stürmer Stefan Schnyder kopfvoran in die Bande. Er ist seither an den Rollstuhl gefesselt. Stefan Schnyder wurde zwar – wie Sven Andrighetto – mit fünf Minuten plus Restausschluss bestraft. Aber er ist durch drei Instanzen – Einzelrichter, Verbandssportgericht und dem internationalen Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) – freigesprochen worden. Die Sportrichter hatten kein Verschulden im juristischen Sinne (Körperverletzung) festgestellt, das eine weitere Bestrafung nach sich hätte ziehen müssen. Damit hatte eine Strafanzeige wegen Körperverletzung keine Grundlage mehr. Es war ein Unfall.

Ronny Keller, ehemaliger Eishockey-Profi des EHC Olten, links, und Heinz Frei, Praesident der Goenner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung und mehrfacher Olympiasieger im Handbike sowie Ren ...
Ronny Keller sitzt seit seinem Unfall im Rollstuhl.Bild: KEYSTONE

Weil im Eishockey der Körperangriff ein legales Mittel ist, um den Gegner von der Scheibe zu trennen, gibt es einen Graubereich zwischen einem Foul, mit dem ein Spieler jederzeit rechnen muss (Inkaufnahme eines Risikos), und einem schweren Regelverstoss, mit dem er nicht rechnen muss.

Andrighetto hat Regeln missachtet

Foul ist also nicht gleich Foul. Das Bundesgericht hat es etwas kompliziert so ausgedrückt: «Wird eine auch den Schutz der Spieler vor Verletzungen bezweckende Spielregel absichtlich oder in grober Weise missachtet, so darf keine stillschweigende Einwilligung in das der sportlichen Tätigkeit innewohnende Risiko einer Körperverletzung angenommen werden.»

Switzerland's forward Sven Andrighetto reacts, during the IIHF 2018 World Championship preliminary round game between Switzerland and Austria, at the Royal Arena, in Copenhagen, Denmark, Saturday ...
Sven Andrighetto.Bild: KEYSTONE

Das Foul von Sven Andrighetto ist eine so grobe Missachtung der Spielregeln, dass er im Falle einer Strafanzeige von Steven Strong im Sinne unseres Bundesgerichtes mit einer Verurteilung rechnen müsste. Sein Foul wäre eigentlich ein Fall für ein ordentliches Gericht.

Wird Hischier die Nummer 1 im Draft?

Video: srf
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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mandelmus
06.05.2018 05:13registriert März 2014
Ich spiele selbst nicht hockey, aber für mich siehts nach missglücktem check aus, da er Schulter voran in den Zweikampf geht, nicht Marchand-mässig mit dem Knie. Liege ich falsch?
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BeatBox
06.05.2018 04:40registriert Januar 2014
Sorry, aber das ist Bullshit! Man soll nie einFoul an denFolgen bemessen. Hier wird jetzt Andrighetto wegen diesem unglücklichen Ausgang gesteinigt, völlig ünerflüssig, hauptsache man kann jemanden heruntermachen.

Das Foul und dessen unglücklicher Ausgang ist ein Unfall wie er im Sport passieren kann. Der Östreicher war unmittelbar vor dem Aufprall in Scheibenbesitz, nimmt er den Check an und versucht nicht noch auszuweichen, dann gibts einen massiven Impact, aber es geht wahrscheinlich nix laputt. Hier macht er instinktiv eine ausweichbewegung und somit crasht nur Knie auf Knie.
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SJ_California
06.05.2018 10:17registriert März 2016
Man sollte stattdessen den Eismeister für seine Anschuldigungen anklagen und verurteilen. Journalistische Kommentare sollten auf einem anderen Niveau geführt werden.
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