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Warum SCB-Trainer Guy Boucher keinen Wintermantel braucht

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Bern wie einst Lugano

Warum SCB-Trainer Guy Boucher keinen Wintermantel braucht

Die Schmach der Platzierungsrunde wollte SCB-Trainer Guy Boucher nützen, um neue Informationen zu bekommen. Und tatsächlich: Jetzt weiss er, dass er als Coach dieses Teams keinen Wintermantel braucht.
20.03.2014, 08:1320.03.2014, 09:52
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Der SC Bern hatte die Saison mit einem Heimspiel gegen den EV Zug eröffnet (5:4 n.V.). Am Samstag beenden die Berner die sportlich schlimmste Saison seit dem Wiederaufstieg von 1986 mit einem Heimspiel gegen den EV Zug. Niemand ahnte damals, am 13. September 2013, unter welchen Umständen der Meister und der Halbfinalist ihre letzte Partie austragen würden.

Anfangs Saison hatten die Berner nach dem 5:4-Sieg gegen Zug allen Grund zum Jubeln.
Anfangs Saison hatten die Berner nach dem 5:4-Sieg gegen Zug allen Grund zum Jubeln.Bild: Keystone

Zug hat reagiert, Bern «uncoachbar»

Die Zuger haben inzwischen die Konsequenzen aus dem Scheitern gezogen und die Hausaufgaben erledigt. Sie haben investiert und ihr Team mit guten Schweizer Transfers umgebaut (u.a. Tobias Stephan, Robin Grossmann, Romain Loeffel, Dario Bürgler), den Sportchef ausgewechselt und den Trainer gefeuert.

Guy Bouchers Worte wurden nicht erhört und Alain Berger (links) und sein Team haben sich gegen die Lakers blamiert. 
Guy Bouchers Worte wurden nicht erhört und Alain Berger (links) und sein Team haben sich gegen die Lakers blamiert. Bild: Keystone

Beim SCB zeigt diese Platzierungsrunde mit erschreckender Deutlichkeit: Diese Mannschaft ist «uncoachbar» geworden. Trainer Guy Boucher hatte mit markigen Worten angekündigt, er werde in dieser Platzierungsrunde keinen Larifari-Betrieb dulden. SCB-General Marc Lühti hoffte, es werde wenigstens noch «gutes Hockey gespielt.» Denn in Bern gilt es, nach dem Verpassen der Playoffs die Saison mit Anstand zu beenden. Das grösste Hockeyunternehmen im Land (50 Millionen Umsatz) hat keinen Mäzen und lebt vom Wohlwollen der zahlenden Kundschaft. In dieser Platzierungsrunde hatten das Personal der Sportabteilung sehr viel gutzumachen.

Die Spieler haben die Anliegen ihrer Chefs einfach ignoriert und sich weiterhin blamiert. Zuletzt gar mit einer Niederlage gegen die Lakers. Sie wissen: Konsequenzen hat es keine. Gute Ausreden genügen. Die Medien haben sich sowieso längst den Playoffs zugewandt. Das machte das «Davonschleichen» noch einfacher. Gerade deshalb lohnt es sich, beim SCB noch einmal hinzuschauen. Bevor wir uns dann mit dem Kampf um den Titel und um Auf/Abstieg beschäftigen.

Lugano des Nordens

Diese Platzierungsrunde hat offenbart, dass die Mannschaft des SC Bern ihre Identifikation verloren hat. Den Stolz. Die Leidenschaft. Und jene, die noch Stolz und Leidenschaft haben, können sich nicht mehr durchsetzen. Zu viel Erfolg (Meister 2010 und 2013, Final 2012) und Wohlstand in zu kurzer Zeit.

Seit 2006 müssen sich die Luganesi mit wenig zufrieden geben. Hier jubeln Vaulair (links) und Caron über den Sieg im Playout-Halbfinal gegen Zug.
Seit 2006 müssen sich die Luganesi mit wenig zufrieden geben. Hier jubeln Vaulair (links) und Caron über den Sieg im Playout-Halbfinal gegen Zug.Bild: Keystone

So wie Lugano nach dem letzten Titel von 2006 hat sich nun auch der SCB von einem Team zu einer losen Interessengemeinschaft gut bezahlter junger Männer entwickelt. Wo sie ihr Geld verdienen, ist unerheblich geworden. Die Leistungskultur ist zerfallen. Was sich auch daran zeigt, dass immer mehr Spieler nach einem Wechsel nach Bern keine Fortschritte mehr machen oder sogar ihr bisheriges Leistungsniveau verlieren. Es ist eher logisch als erstaunlich, dass dem SCB keine guten Transfers mehr gelingen.

Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt werden kann, wird aus dem SCB das Lugano des Nordens. Lugano hat nach dem letzten Titel von 2006 nie mehr eine Playoffserie gewonnen, tauchte aber zweimal in die Playouts.

Schweizer «House Cleaning»

Der SCB ist also an einem Wendepunkt angelangt. Aber in der Chefetage hat es noch keiner gemerkt. Da herrscht die Zuversicht, man könne so weitermachen wie bisher. Schliesslich war man ja erfolgreich! Das ist der Fluch des Ruhmes. Dabei kann der Schwefelgeruch des Versagens und des Schlendrians nur noch durch einen Bruch mit der ruhmreichen Vergangenheit aus dem Berner Hockeytempel vertrieben werden. In Nordamerika erfolgt in solchen Situationen ein «House Cleaning». Dann werden manchmal vom General Manager über den Trainer bis hinunter zum Materialwart alle gefeuert. Und wichtige Spieler in Tauschgeschäften wegtransferiert.

Das ist bei uns nicht möglich. Einen neuen Trainer hat Marc Lüthi bereits installiert und Spieler können nicht einfach getauscht werden. Nur in einem Bereich hat der SCB in der tiefsten Krise dieses Jahrhunderts Handlungsfreiheit. Bei den vier ausländischen Arbeitnehmern. Selbst jene mit weiterlaufenden Verträgen können zu anderen Klubs (auch im Ausland) transferiert werden. Man muss nur die Arbeit nicht scheuen.

Rostislav Olesz und seine Ausländerkollegen brachten diese Saison nicht die nötigen Emotionen ins Spiel der Berner.
Rostislav Olesz und seine Ausländerkollegen brachten diese Saison nicht die nötigen Emotionen ins Spiel der Berner.Bild: Daniela Frutiger

Vier gute neue ausländische Spieler mit Charisma und mit dem Format und der Durchsetzungskraft von Leitwölfen verändern die Mentalität eines Teams. Mit einem Neuanfang auf den Ausländerpositionen signalisiert das Management auch den Willen zum Neuanfang. Aber dann braucht es auch den Mut zu Investitionen. Wenn beispielsweise Linus Klasen (26), der teuflisch torgefährliche Flügel, der in der schwedischen Liga in 54 Spielen 28 Tore für Lulea erzielt hat und jetzt auf dem Markt ist, in Lugano landet, dann wissen wir: Marc Lüthi und sein Sportchef Sven Leuenberger haben es immer noch nicht kapiert.

Nicht an den Sprüchen, sondern an den Taten und Investitionen in die Mannschaft müssen wir das Management im grossen Hockey-Gemischtwarenladen SC Bern in den nächsten Wochen messen. Der grosse Marc Lüthi hat inzwischen viel geredet und nichts gesagt. Er hat sich an Phrasen festgehalten wie ein gehbehinderter Senior an seinem Rollator. So könnte auch Verbandsdirektor Ueli Schwarz die SCB-Sportabteilung führen.

Den Wintermantel zu Hause lassen

Der SCB hat soeben die Meisterschaften der beiden höchsten Junioren-Klassen (Elite, Novizen) gewonnen. Aber so wie jetzt gefuhrwerkt wird, nützt die gute Nachwuchsabteilung wenig. Weil sich in einem Sportunternehmen die Mentalität von oben (von der ersten Mannschaft) nach unten verbreitet. Und nicht umgekehrt. In der Kabine der ersten Mannschaft (bzw. im Büro von Marc Lüthi) muss beginnen, was leuchten soll im Sportbusiness.

Boucher braucht Unterstützung von oben, um Erfolg zu haben.
Boucher braucht Unterstützung von oben, um Erfolg zu haben.Bild: Keystone

Wenn der SCB nicht alle seine Ausländer verabschiedet, wenn mit Ausreden wie «das kann man doch mit verdienten Spielern nicht machen» bloss eine oder zwei Ausländerpositionen neu besetzt werden, wenn also erneut der Weg des geringsten Widerstandes und Aufwandes gewählt wird, dann braucht Guy Boucher keinen Wintermantel. Weil er dann schon im November 2014 gescheitert ist und nach Florida fliegen kann.

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