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Was ist das Merkmal einer aussergewöhnlichen Karriere? Dass sie schon so lange dauert, dass wir uns gar nicht mehr an die Anfänge erinnern können.
Selbst die NZZ notiert zum freitäglichen Spiel der Kloten Flyers in Langnau: «Besonders war die Partie für Flyers-Keeper Martin Gerber. Der gebürtige Emmentaler spielte das erste Mal seit über einem Jahrzehnt wieder in der Ilfishalle und dort zum ersten Mal überhaupt gegen Langnau, wo er den Status einer Legende hat. Während des Lockouts 2004/05 hatte er für den Stammklub gespielt, damals war gar seine Trikot-Nummer 26 zurückgezogen worden. Gerbers Verbindung zu Langnau ist nach wie vor stark. Er renoviert im Dorf ein stattliches Haus und dürfte seinen Wohnsitz bald wieder hierhin verlegen.»
Nun gibt es an der Kompetenz der NZZ nichts zu rütteln. Wir verneigen uns und dies soll keine Kritik sein. Vielmehr wollen wir an diesem Beispiel zeigen, wie absolut einmalig Martin Gerbers Karriere ist. Er hat nämlich am Freitagabend beim 5:4-Sieg mit Kloten nicht zum ersten Mal in Langnau GEGEN Langnau gespielt. Es war das zweite Mal.
Aber um zu diesem ersten Spiel GEGEN Langnau vorzudringen, müssen wir eine weite Zeitreise unternehmen und das Rad der Zeit lange zurückdrehen. Zurück ins letzte Jahrhundert. In eine Hockeywelt lange vor unserer Zeit. Als es noch kaum Statistiken und kein Internet und nicht für jedermann ein Hosentelefon gab. Zurück bis zum Dienstag, den 19. Oktober 1993. Ein Spiel der Gruppe Zentralschweiz in der 1. Liga. 1993/94 ist nach 1991/92 Langnaus zweite und bis heute letzte Saison in der höchsten Amateurklasse.
Am 19. Oktober 1993 spielen die Langnauer gegen den gegen den SC Thun-Steffisburg. Sie gewinnen 6:1 (1:1, 2:0, 3:0). Am Ende der Saison werden sie in die NLB zurückkehren. Und bei Thun steht ein ehemaliger Langnauer Junior im Tor. Martin Gerber, 19 Jahre alt. Er trägt die Rückennummer 74. In Langnau wollten sie ihn nicht mehr und hatten ihm empfohlen, es doch anderorts zu probieren, wenn er noch ein wenig Hockey spielen wolle. Für eine richtige Karriere reiche es sicher nicht. So hatte er in der Saison 1992/93 beim SC Signau in der 2. Liga verbracht und sich dort den Job mit «Buddy» Pfister geteilt, der später im Bankbusiness Karriere machen wird.
Nun ist Martin Gerber immerhin in der 1. Liga angekommen und vor Markus Schwendimann die Nummer 1 in Thun. In der Abstiegsrunde spielt er bei der Rettung seines Teams eine zentrale Rolle und wer will, kann schon den aggressiven Goalie erahnen, er sich später sogar in der NHL durchsetzen kann: in den zehn Partien verbüsst er sechs Strafminuten. Ansonsten wird kaum Statistik geführt. Möglicherweise war Martin Gerber damals an diesem 19. Oktober 1993 bei der 1:6-Niederlage statistisch eher besser als am 23. Oktober 2015. Am Freitag beim Sieg mit Kloten in Langnau wird ihm eine Fangquote von 87,10 Prozent notiert.
Niemand kann am 19. Oktober 1993 ahnen, welche Welt-Karriere Thuns Torhüter-Nobody noch machen wird. Und wer jetzt erklärt hätte, dieser junge Mann werde einmal nicht nur die Langnauer in die NLA zurückhexen, sondern auch noch Meister in Schweden, Nationalgoalie, WM-Finalist, Stanley Cup-Sieger und Dollarmillionär, der hätte genauso gut behaupten können, der Chefredaktor der NZZ heisse neuerdings Jeremias Gotthelf.
Langnau wird von Simon Schenk gemanagt und trainiert, bei den Thunern steht sein Sohn Christoph an der Bande. Nicht zuletzt die Empfehlung von Christoph Schenk, der das ausserordentliche Talent seines Goalies erkennt, ermöglichen Martin Gerber im Sommer 1994 die Rückkehr nach Langnau.
Der SC Langnau hat in dieser Saison einen Spieler in seinen Reihen, dessen Rückennummer später auch zurückgezogen wird: Reto von Arx. Er wird hinter Peter Moser (29 Tore/41 Assists) mit 35 Toren und 31 Assists aus 32 Spielen der zweitbeste Skorer seines Teams – im Alter von 17 Jahren. Er ist mit 62 Strafminuten auch der meistbestrafte Spieler seines Teams. Und den SC Langenthal, der in der gleichen Gruppe spielt, coacht ein Mann, der heute als Liga-Direktor immer noch eine Rolle in unserem Hockey spielt: Ueli Schwarz.
Die Zuschauer haben Langnau übrigens auch in der 1. Liga nicht im Stich gelassen. Durchschnittlich kommen 4224 Zuschauer zu den Heimspielen – bis heute Weltrekord für eine dritthöchste Hockey-Liga. Die Stimmung im Stadion war also bei Martin Gerbers erstem Spiel gegen Langnau vor 22 Jahren ungefähr gleich wie am letzten Freitag.