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Erich Wüthrich ist schon zu Lebzeiten eine Hockeylegende. Der ehemalige Verbandsdirektor, HCD- und Kloten-Manager ist längst in Pension. In diesen Tagen spielt er auf den Kanaren Golf. Er wird gut erholt heimfliegen um seinen wichtigsten Klienten bei der wichtigsten Karriere-Entscheidung beizustehen.
Der rüstige Hockey-Rentner vertritt nämlich als Hobby eine ausgewählte Kundschaft in Transferfragen («Spieleragent»). Zum Beispiel SCB-Goalie Leonardo Genoni. Dessen Vertrag läuft im nächsten Frühjahr aus.
Erich Wüthrich sagt: «Ich erwarte bis Ende Juli oder in den ersten Augusttagen eine Entscheidung.» Hoppla! So früh schon? Wüthrich sagt, ja, so sei es. Leonardo Genoni wolle noch vor der intensiven Phase der Saisonvorbereitung seine Zukunft regeln. Damit er seine Ruhe habe. Schon sein Wechsel von Davos nach Bern auf die Saison 2016/17 ging ja seinerzeit bereits im Oktober 2015 über die Bühne. Mit offizieller Bestätigung.
Welchen Marktwert Leonardo Genoni in der Liga hat, sagt Servettes Chris McSorley. «Genoni ist jeden Dollar seines Gehaltes wert.» Entgegen seiner Gewohnheit wird der schlaue Kanadier bei Erich Wüthrich keine Offerte einreichen. Sonst offeriert er ja aus Prinzip bei jedem Spielerhandel. Um über die Marktverhältnisse informiert zu sein. «Aber hier macht es keinen Sinn. Erstens sind wir mit Robert Mayer sehr zufrieden und zweitens ist Genoni in einer Gehaltsklasse, die wir uns nicht leisten, von der wir nicht einmal träumen können.» Genoni sei eine Million pro Saison wert.
Eine Million? Ist er das? Wird er der erste Salär-Millionär in der Geschichte der National League? Könnte der SCB Leonardo Genoni im Notfall nicht auch mit einem ausländischen Torhüter ersetzen? Schliesslich haben die Berner 2016 mit einem letzten Mann aus dem Ausland (Jakub Stepanek) die Meisterschaft gewonnen. Und auch die ZSC Lions verdanken ihre ruhmreichsten nationalen und internationalen Jahre einem ausländischen Torhüter (Ari Sulander).
Aber Leonardo Genoni ist durchaus eine Million wert. Nicht nur durch seine unbestrittene Klasse, die uns bis ins WM-Finale 2018 getragen hat. Er ist eine starke Persönlichkeit und mit seiner kompromisslosen Professionalität macht er jede Mannschaft und eine ganze Organisation besser. Ein «Franchise Player» eben.
Kommt dazu, dass grosse, meisterliche Torhüter zur DNA des Unternehmens SCB gehören: von René Kiener über Jürg Jäggi, Renato Tosio bis zu Marco Bührer und nun Leonardo Genoni. Es gibt keinen Schweizer Torhüter, der im nächsten Frühjahr Leonardo Genoni ersetzen könnte.
Also eine Million für Leonardo Genoni? «Vergessen Sie diese Zahl» sagt Marc Lüthi unwirsch. «Wir werden keinem Spieler eine Million pro Saison zahlen.» Wird es ein anderer Klub tun? Das ist eine gute Frage. Versetzen wir uns in die Lage von Erich Wüthrich und machen für seinen wichtigsten Klienten eine «Tour de Horizon».
Vier Klubs kommen für unseren WM-Silberhelden in Frage: der SC Bern, die ZSC Lions, Zug und Lugano.
Beginnen wir mit Lugano: die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass Elivs Merzlikins (24) im Sommer 2019 in die NHL wechselt. Dann braucht Lugano einen grossen Torhüter. Sportchef Roland Habisreutinger ist dazu in der Lage, wenn er denn will, eine Million zu offerieren. Aber es wird ihm wenig nützen: eine Zügelte des SCB-Goalies nach Lugano, ein Transfer des Geldes wegen ist wenig wahrscheinlich.
Und was ist mit Zug? Der Vertrag von Torhüter Tobias Stephan (34) läuft Ende Saison aus. Wenn Zug Meister werden will, müsste Sportchef Reto Kläy alle Hebel in Bewegung setzen um Leonardo Genoni zu bekommen. Er hätte gute Karten: erstens muss er dank des Steuervorteils in Zug weniger bieten als die Konkurrenz und zweitens könnte er seinen Präsidenten – ein freundlicher Milliardär – schon dazu überreden, eine Sonder-Transfer-Investition zu tätigen.
Zugs Sportchef mag weder bestätigen noch dementieren, dass er an Leonardo Genoni interessiert ist. Wir sind boshaft und unterstellen ihm, dass er für diesen Transfer nicht alle Hebel in Bewegung setzen wird. Der Grund: zusammen mit seinem Geschäftsführer Patrick Lengwiler hat er sich bequem in der Komfortzone des alljährlichen Scheiterns auf hohem Niveau und einer «Ausbildungs-Folklore» eingerichtet.
Ein Transfer eines so kompromisslosen, erfolgsorientierten Profis wie Leonardo Genoni würde die Zuger einem Erfolgsdruck aussetzen, Stress auslösen und die «Work-Life-Balance» aus dem Gleichgewicht bringen. Das ist, wie gesagt, boshaft.
Und die ZSC Lions? Sportchef Sven Leuenberger hat die Quadratur des Kreises zu lösen: Er hat einen Meistertorhüter mit Vertrag bis 2020, der im Oktober erst 30 wird. Lukas Flüeler hat den Zürchern im 7. Finalspiel auswärts in Lugano einen 1:0-Sieg und nach 2012 und 2014 zum dritten Mal den Titel ermöglicht. Mehr geht nicht.
Ein Transfer macht, wenn überhaupt, erst ab 2020 Sinn. Oder findet Sven Leuenberger am Ende eine Lösung, wie er jetzt schon sicherstellen kann, dass Leonardo Genoni im Frühjahr 2020 nach Zürich heimkehrt? Indem er ihn überredet, in Bern höchstens bis 2020 zu verlängern?
Keiner der Sportchefs kennt den begehrtesten Torhüter im Land so gut wie der ehemalige SCB-Sportchef. Er hat seinerzeit im Sommer 2015 Leonardo Genonis Wechsel per Ende Saison von Davos nach Bern orchestriert.
Bleibt der SC Bern. Eine Million Salär pro Saison schliesst Marc Lüthi ja aus. Viel mehr als der aktuelle Lohn, der inkl. Prämien und «Goodies» bei gut und gerne 700'000 per anno liegt, wird der SCB auch künftig nicht investieren. Sind die Berner damit chancenlos? Keineswegs.
Das Zauberwort von SCB-Sportchef Alex Chatelain heisst «Mehrjahresvertrag.» Je länger der Vertrag, desto günstiger das Jahressalär.
Leonardo Genoni wird Ende August 31. Er hat noch mindestens fünf sehr gute Jahre vor sich. Warum also nicht einen Fünfjahresvertrag für insgesamt ungefähr drei Millionen plus Steuerdeal offerieren? Stark vereinfacht gesagt: die hohe Steuerbelastung im Bernbiet kann mit dem Einverständnis des Steuervogtes durch ausserordentliche Einlagen in die Pensionskasse reduziert werden.
Zudem kann der SCB seinem Torhüter jetzt schon – wenn er es denn wünscht – eine Karriere nach der Karriere im SCB offerieren. Mehr Lebensqualität, mehr Hockeykultur und ein professionelleres Sport-Umfeld als in Bern findet Leonardo Genoni auch in Zug, Zürich oder Lugano nicht.
Item, Erich Wüthrich wird in den nächsten Wochen mit vielen verschiedenen Herren einiges zu besprechen haben. Und was tippt der Chronist? Nun, logisch wäre eine vorzeitige Vertragsverlängerung um mehrere Jahre bis 2023 oder 2024 beim SCB.
«Logisch» bedeutet stichhaltig, zwingend, überzeugend, einleuchtend und klar.
Aber wann war eigentlich in unserem Hockey-Transfer-Business etwas logisch? Und wann lag der Chronist schon mal richtig?