Inti Pestoni (173 cm) war in Zürich unglücklich und zügelt nach Davos. Powerstürmer Dario Simion (189 cm) war in Davos unglücklich und zügelt nach Zug. Damien Brunner (180 cm) war in Lugano unglücklich und zügelt nach Biel.
Alle drei fegen als Flügel über die Aussenbahnen. Alle drei tragen den ruhmreichen Ehrentitel Nationalstürmer. Alle drei haben ihre Verträge vorzeitig aufgelöst, um ihren Arbeitgeber wechseln zu können.
Der Spielerhandel blüht im Sommer 2018 wie noch nie. Die Frage ist nun: wer hat den besten Deal gemacht? Davos, Zug oder Biel? Natürlich sind alle drei Klubs davon überzeugt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Es kann aber auch sein, dass ganz andere Klubs profitieren werden.
Alleine die Luftveränderung wird bei allen drei Spielern zu einer Leistungssteigerung führen. Alle sind dazu in der Lage, den letztjährigen Punkteschnitt pro Spiel mehr oder weniger zu verdoppeln. Wenn sie ihr bestes Hockey spielen. Wir dürfen also bei Dario Simion 30, bei Damien Brunner 45 und bei Inti Pestoni 35 Punkte erwarten. Mindestens.
Damien Brunner wird, wenn er gesund bleibt, mehr Punkte als Inti Pestoni und Dario Simion produzieren. Aus dem offensiven Chansonier wird zwar kein kantiger Rock’n’Roller, aber Biels Antti Törmänen ist der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt. Der charismatische Finne mit Hang zu pädagogischen Träumereien kann noch einmal das beste Hockey in Damien Brunner wecken. Biel hat einen guten Deal gemacht.
Der ehemalige NHL-Stürmer hat aus der Vergangenheit gelernt. Aus der kapriziösen Diva ist eine spielerische Dienstmagd geworden, die in der Kabine nicht mehr das grosse Wort führen und hinter den Leitwölfen traben wird. Wir können ausschliessen, dass Damien Brunner im Laufe der Saison aus seinem Zweijahresvertrag vorzeitig weitertransferiert wird. Das Risiko beschränkt sich auf seine Verletzungsanfälligkeit.
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— EHC Biel-Bienne (@ehcbiel) 19. Mai 2018
Inti Pestoni kommt zu Arno Del Curto. Der unerbittliche Schleifer ist zugleich ein Sozialromantiker, der sich väterlich um sensible Spieler kümmert. Aber er lässt inzwischen einen gewissen Hang zum hockeytechnischen Altersstarrsinn erkennen – er ist ja auch schon 61. Will heissen: er ist taktisch nicht mehr flexibel, spannt stur alle ins gleiche taktische Geschirr und ist weniger tolerant gegen spielerisch-taktische Freidenker als noch vor ein paar Jahren.
In Sachen Fitness kennt er sowieso kein Pardon. Eine gewisse Gefahr besteht, dass er es bei Inti Pestoni übertreibt und diesem teuflisch schnellen, beweglichen und abschlussstarken, aber zweikampf- und defensivscheuen Schillerfalter nicht die Freiheiten gewährt, die er nun mal braucht.
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— Hockey Club Davos (@HCDavos_off) 6. Juni 2018
Das Risiko ist also erheblich, dass Inti Pestoni in Davos nicht glücklich wird. Alles hängt davon ab, was in Arno Del Curto stärker sein wird: der Sozialromantiker oder der sture taktische Hund. Inti Pestoni wird jedoch im Falle eines Falles nicht rebellieren und kein Problemspieler sein. Der freundliche Stürmerfloh wird still sein Schicksal erdulden. Will er doch noch ein grosser NLA-Stürmer werden, dann hat er jetzt die letzte und die grösste Chance.
Es kann sich trotz allem für Klotens neuen Sportchef Felix Hollenstein lohnen, sich immer wieder mal nach dem Befinden zu erkundigen. Wird Inti Pestoni unter seinem neuen Zuchtmeister nicht glücklich, dann wird er für den Absteiger zum Glücksfall: Inti Pestoni kann der perfekte Januar-Transfer für eine aufstiegswillige Mannschaft sein. Er könnte für Kloten in den Playoffs und der Liga-Qualifikation die Tore für eine Rückkehr in die NLA erzielen.
Dario Simion ist der kompletteste und mit Abstand kräftigste und robusteste Flügel aus dem Trio. Als einziger kann er dominant, rau und einschüchternd stürmen. Er hat als einziger gute Chancen, auch weiterhin Nationalstürmer zu sein. Ja, Zugs Sportchef Reto Kläy erwartet gar, dass sich seine Neuerwerbung zum «Franchise Player» entwickelt. Also zu einem Star, der Zug auf und neben dem Eis besser macht.
Diese Hoffnung ist nicht unbegründet: Dario Simion ist ein Spieler, der Verantwortung sucht und Verantwortung mag. Aber auch Arno Del Curto ist es nicht so recht gelungen, ihn zum durchreissenden Powerstürmer zu machen.
Dario Simion ist in Lugano ausgebildet worden und es könnte sein, dass er Lugano im Laufe der Saison helfen wird. Er wird zwar in Zug die hohen Erwartungen nicht gleich erfüllen. Auch ein «Franchise Player» ist er noch nicht. Aber ein Musterprofi schon und bei weitem gut genug, um sich einen Stammplatz zu sichern. Wir sollten also nicht ausschliessen, dass er Reto Suri aus der Stammformation verdrängt und zum «Hinterbänkler» macht – den Spieler, den Zug eigentlich nicht mehr wollte, der mit Lugano schon einen unterschriftsreifen Dreijahresvertrag ausgehandelt hatte und dann von Reto Kläy im letzten Moment doch nicht freigegeben worden ist.
Zugs Sportchef schliesst inzwischen aus, dass er Reto Suri aus dem noch bis Saisonende laufenden Vertrag vorzeitig freigeben wird. Aber was werden ihn im November, Dezember oder Januar die Worte aus dem vergangenen Sommer noch kümmern? Reto Suri ist der perfekte Januar-Transfer für ein Lugano, das Meister werden will.
Unser Arbeitsrecht verunmöglicht Spielertauschs wie in Nordamerika. Kein Spieler kann bei uns gegen seinen Willen bei einem weiterlaufenden Vertrag transferiert werden. Inzwischen zeigt sich: kein Problem. Zu den ganz grossen Qualitäten der helvetischen Mentalität und unserer Hockey-Generäle gehört die Fähigkeit zum Kompromiss. Ein Kompromiss ist die Lösung eines Problems durch freiwillige Übereinkunft unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen. Das Resultat wird der Öffentlichkeit als gemeinsames Ergebnis vorgestellt. So finden die Sportchefs und die Spieler am Ende des Tages immer eine Lösung.
Wir dürfen uns im Herbst und im Winter auf weitere überraschende Deals freuen.