Titelverteidiger Finnland verliert im Final gegen die Kanadier im Stil der … Schweizer. Die Finnen bringen ein 2:1 nicht über die Distanz und sie kassieren den Ausgleich und das 2:3 im «Infight» vor dem Tor. Gross wäre das Geschrei der Kritiker in der Schweiz über die Unfähigkeit, einen Vorsprung über die Zeit zu managen.
Die Kurzanalyse ist einfach: Die Kanadier waren bissiger (wie die Deutschen gegen uns) und die Finnen vermochten ihre spielerische Überlegenheit nicht in Tore umzumünzen (wie die Schweizer).
Wir können sogar noch weiter gehen: Die Schweizer wären dazu in der Lage gewesen, gegen diese Kanadier den Final zu gewinnen. Aber eben: Auf dem Weg dorthin sind sie im Viertelfinal gegen Deutschland (2:3 n. P.) gescheitert. Nach dem Motto: Dem Titel so nah und doch so fern.
Wie macht man aus einem NHL-Hinterbänkler einen Titanen? Ganz einfach: Stecke ihn in ein Leibchen mit dem Ahornblatt. Kanada ist das einzige Land der Welt, das Eishockey als Nationalsport in der Verfassung verankert hat. Wenn es um Titel geht, dann sind die Kanadier von einem glühenden Siegeswillen beseelt. Sie haben zum fünften Mal in den letzten sechs Jahren den Final erreicht und zum dritten Mal den Titel geholt. Nur 2018 sind sie nicht ins Finale vorgerückt. Wegen einer 2:3-Halbfinal-Niederlage gegen … die Schweiz.
Die gleiche Finalpaarung wie bei der letzten WM (in Bratislava hatten die Kanadier gegen Finnland 1:3 verloren) – aber ganz und gar nicht das gleiche Turnier. Kanada ist sozusagen ein «Spengler-Cup-Weltmeister». Der Spengler Cup steht für ein Spektakel-Turnier, dem eine gewisse sportliche Ernsthaftigkeit fehlt. Was dem Unterhaltungswert noch nie abträglich war.
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— IIHF (@IIHFHockey) June 6, 2021
Es hat noch nie eine Eishockey-WM gegeben, die dem Spengler Cup so nahe kommt wie Riga 2021. Die Grossen sind nicht alle mit den bestmöglichen Mannschaften nach Riga gereist. Einerseits der verspätete Saisonbeginn in der NHL, andererseits die besonderen Verhältnisse («Bubble») in Riga, die viele Stars zu einer Absage bewogen hat.
Die Kanadier haben zwar ihr Team wie üblich mit Spielern aus der NHL zusammengestellt. So gesehen ist es reichlich polemisch, einen Vergleich mit der Mannschaft zu ziehen, die jeweils beim Spengler Cup antritt und zum grössten Teil aus der National League rekrutiert wird.
Aber wir können es so sagen: Es ist das «billigste» kanadische WM-Team der Neuzeit. Bei der letzten WM 2019 in der Slowakei betrug die NHL-Salärsumme der Kanadier etwas mehr als 62 Millionen Dollar und 13 Dollar-Millionäre waren dabei. Jetzt sind es noch etwas mehr als knapp 30 Millionen und 7 Millionäre.
Mit diesem 27. WM-Titel zieht Kanada wieder mit den Russen gleich (ebenfalls 27 Titel) – und kein anderer ihrer WM-Triumphe kommt so überraschend und trägt so viel zum Mythos ihrer ohnehin legendären Winnermentalität bei. Riga steht in Kanada künftig für ein kleines WM-Wunder. Wie beim Spengler Cup haben sich die Kanadier bei dieser WM nahezu ohne Vorbereitung im Laufe des Turniers zusammengerauft und stolperten nach drei Startniederlagen gegen Lettland, die USA und Deutschland gerade noch in den Viertelfinal. Von da an haben sie jeden Gegner (Russland, die USA, Finnland) mit ihrer Leidenschaft und ihrer Kampfkraft gebodigt (besiegt).
Der Sieg im Final ist umso höher einzustufen, weil Finnland trotz aktuell 49 Spielern in der NHL konsequent wie kein anderes Team vom alten Kontinent den «europäischen Weg» geht. Schon das Weltmeisterteam von 2019 ist fast ganz mit Spielern aus den europäischen Topligen zusammengestellt worden und wie 2019 waren nur zwei NHL-Profis, aber drei «Schweizer» dabei: Petteri Lindbohm (er hat im Final das 2:1 erzielt) sowie Teemu Turunen und Tony Sund, die im Verlaufe dieser Saison in Davos zum Zuge gekommen sind.
Nicht nur für die Finnen und die Schweizer, auch für die Deutschen ist es ein Turnier der verpassten Chance. Die Deutschen hatten in der Gruppenphase die Kanadier noch 3:1 besiegt und mit dem 3:2 n. P. gegen die Schweiz rückten sie zum zweiten Mal seit 2011 (damals nach einem 1:0 gegen die Schweiz) in den WM-Halbfinal vor, den sie gegen Finnland nur knapp 1:2 verloren. Im Spiel um Platz 3 waren sie gegen die USA ohne Chance (1:6) und müssen weiterhin auf die erste WM-Medaille seit der WM 1953 (Silber) in der Schweiz warten.
Und von der Mentalität darf sich die Schweiz ruhig mehrere Scheiben abschneiden. (: