Gian Kämpf hat nach einer Saison in Langenthal (2003/04) den Traum vom Profihockey verletzungsbedingt aufgebeben und prägte seither das Unternehmen als Geschäftsführer und seit 2019 als Präsident. Nun hat er das Licht gelöscht: Per Ende Saison zieht sich der SC Langenthal in die MyHockey League zurück. 25 Arbeitsplätze im Sportbetrieb und in der Administration gehen verloren. Nur der Vertrag von Nachwuchschef Stefan Tschannen wird von der Nachfolgeorganisation übernommen, die im Juniorenbereich mit dem SC Bern zusammenarbeiten wird. Allerdings ist es den SCL Tigers gelungen, Stürmer Nevio Reist (Jahrgang 2008), das mit Abstand grösste Talent, dem SCB-Zugriff zu entziehen und nach Langnau zu retten.
Alle Löhne sind bis Ende Saison gesichert, sämtliche Rechnungen werden bezahlt. Die SCL AG wird nach einem Kapitalschnitt in die Nachwuchs AG überführt und daraus entsteht der neue SC Langenthal.
Der SCL kann nun auf der grünen Wiese ein Team für die MyHockey League bauen. Dafür steht ein Budget von insgesamt 1,8 Millionen bereit. Die Hälfte davon wird für das Frauenteam in der höchsten Spielklasse und die Nachwuchsorganisation gebraucht. Für das Team in der MyHockey League stehen somit noch rund 800 000 Franken zur Verfügung. Ein durchschnittliches Budget in der höchsten Amateurliga. Die aktuellen Sponsoren sichern dem SCL für die nächsten drei Jahre im Amateurhockey einen Stockelbeitrag von rund 200 000 Franken pro Saison zu. Immerhin. Der Rest muss mit Zuschauereinnahmen und weiteren Sponsoren aufgebracht werden.
Für die Stadt Langenthal (mit rund 16 000 Einwohnern eine mit Olten vergleichbare Grösse) ist dieser Rückzug fatal: Der neue SCL wird in der Kultarena Schoren keine Miete mehr bezahlen. 400 000 Franken Einnahmen fallen für die Stadt als Besitzerin des Stadions weg. Es ist so etwas wie eine Retourkutsche. Die Politik trägt für den Rückzug des Teams mit den vierthöchsten Zuschauerzahlen der Swiss League (1 872 im Schnitt) die grösste Verantwortung. Um es etwas vereinfach zu sagen: Stadtpräsident Reto Müller (SP) und die bürgerlichen Kräfte im Stadtparlament blockieren sich gegenseitig. Ein mutiger Schritt in der Stadionfrage ist so unmöglich. Weder der Ausbau des Schoren auf Profiniveau noch der Bau eines neuen Stadions. Langenthals Politik ist seit Jahren durch diese Patt-Situation blockiert.
Der Entscheid, den Stecker zu ziehen, ist offensichtlich erst im Oktober gefallen. Die Geschichte – sie wird von mehreren Gewährsleuten übereinstimmend bestätigt – geht so: Eine von Präsident Gian Kämpf geführte dreiköpfige SCL-Delegation sitzt mit der Stadtregierung am Tisch und verlangt den Offenbarungseid. Die Stadtregierung unter Reto Müller fabuliert von einem neuen Stadionprojekt und will die SCL-Granden zum Durchhalten motivieren. Da stellt Gian Kämpf jedem einzelnen der sieben Regierenden die Vertrauensfrage: «Bist Du vorbehaltlos für das neue Stadionprojekt und wirst Du es in der Öffentlichkeit vertreten?» Sieben Mal ist die Antwort «Nein, ich nicht.» Und das ist das Ende des Profihockeys in Langenthal.
Mittwochnachmittag in der Cafeteria des Hotels Meilenstein zu Langenthal. Der Chronist sitzt mit Gian Kämpf am Tisch. Stimmt diese Episode mit der Stadtregierung? Gian Kämpf hat als Unternehmer (Teilhaber des wichtigsten Architekturbüros der Region) gelernt, Diplomat zu sein. Zu oft braucht er Baubewilligungen von der Stadt. Also sagt er: «Dazu sage ich nichts.»
Er ist sichtlich mitgenommen. Fast zwanzig Jahre lang hat er sich für diesen Klub engagiert. Und jetzt ist er der Präsident, der das Licht löscht. Stephan Anliker – später sollte er als GC-Präsident nationale Bekanntheit erlangen – hat es einst im Frühjahr 2002 nach dem Aufstieg in die Swiss League angezündet. «Das tut weh», sagt Gian Kämpf, «aber es ist die einzig mögliche Lösung.» Es komme niemand zu Schaden. «Die Löhne werden bis zum Ende der Saison bezahlt.» Das Gleiche gelte auch für alle Rechnungen.
Gian Kämpf sagt, es tue auch deshalb weh, weil Langenthal im Hockey emotionale, unvergessliche Momente erlebt habe. Er denke an die Titel von 2012, 2017 und 2019. «Das waren grosse Partys. 2017 hatten wir den Höhepunkt erreicht. Wir sind damals auch als beste Nachwuchsorganisation ausgezeichnet worden. Aber dann haben wir uns von der Euphorie anstecken lassen und an ein neues Stadion geglaubt.» Das sei vielleicht etwas naiv gewesen.
Die Stadionfrage ist in diesem Drama entscheidend. An dieser Frage ist das Profihockey in Langenthal letztlich gescheitert. Nur 20 Autominuten entfernt gibt es ein 1997 eröffnete Sportanlage mit Eisstadion. Sie liesse sich mit vertretbarem Aufwand für die Verhältnisse in der Swiss League ausbauen. Eine Zusammenarbeit mit Huttwil ist aus verschiedensten Gründen nie zustande gekommen. Im Kern ist sie an Eitelkeiten gescheitert: Für die Langenthalerinnen und Langenthaler ist eine Zusammenarbeit mit dem Städtchen zuhinterst im Tal der Langete ein unerträglicher Gedanke. Das sieht zwar Gian Kämpf nicht ganz so und er sagt: «Wir haben Gespräche geführt. Aber dabei sind wir zum Schluss gekommen, dass ein Ausbau des Stadions in Huttwil nicht finanzierbar ist.»
Und warum keine Zusammenarbeit mit Olten? Daraus hätte ein konkurrenzfähiges Team (HC Mittelland) für die höchste Liga entstehen können. «Diese Zusammenarbeit wäre reizvoll gewesen. Wenn ich jünger wäre, dann hätte ich dieses Projekt wahrscheinlich vorangetrieben.» Nun ist er eben schon 40 und setzt ganz auf die berufliche Karriere. Idealisten sind nach den ernüchternden Erfahrungen mit der Stadtpolitik in Langenthal keine mehr da, um grosse Hockey-Projekte voranzutreiben.
In Huttwil (rund 5000 Einwohner) ist Hockey Huttwil beheimatet. Letzte Saison Playoff-Finalist. Nun gibt es nächste Saison Lokalderbys in der MyHockey League zwischen Huttwil und Langenthal. Es wird rocken. Das Problem: Langenthal hat noch keine Mannschaft. Noch keinen einzigen Spieler. «Aber es müsste eigentlich möglich sein, ein Team zusammenzustellen», sagt Gian Kämpf. 14 Spieler haben in Langenthal auslaufende Verträge. Ein paar davon machen vielleicht als Amateure weiter. Klar ist: Dem SC Langenthal könnten mit Derbyniederlagen ausgerechnet gegen Huttwil die schlimmsten Demütigungen der Klubgeschichte (seit 1946) blühen.
Gian Kämpf wird dafür keine Verantwortung mehr tragen. Er beendet seine Amtszeit per Ende Saison und übernimmt keine Funktion mehr. Das ruhmreichste Kapitel der Klubgeschichte hat er massgeblich geprägt und nun, da er geht, ist der SCL wieder dort, wo er zu Beginn dieses Kapitels stand: In der höchsten Amateurliga.
Gian Kämpf hofft, dass die Erinnerungen an die vielen guten Momente gepflegt und das Hockey auf Amateurstufe weiterleben und die Aufarbeitung des freiwilligen Abstieges nicht für böses Blut in der Stadt sorgt. Sein Wunsch im Ohr der Hockeygötter.
Das ist schlecht für Langenthal. Das ist schlecht für den Oberaargau (Kt. Bern). Und es ist ein weiterer Tiefschlag für die Swiss League.
Gewinner gibt es bei dieser Geschichte nicht. Auch diejenigen nicht, die gegen ein neues Stadion waren. Sie könnten bei den nächsten Wahlen Mühe haben.