In den 1960er Jahren startete die ARD-Kultserie «Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger». Sie war so erfolgreich, dass über 100 Fortsetzungen gedreht wurden. Der pensionierte Kommissar Franz Josef Wanninger klärt mit unkonventionellen Methoden scheinbar unlösbare Fälle auf. Der treue Assistent Fröschl steht ihm bei.
Irgendwie mahnt uns Glen Hanlon (58) mit seinem Assistenten John Fust (43) ein wenig an das TV-Duo Wanninger/Fröschl. Zumal der Altersunterschied ähnlich ist. Das ist durchaus im guten Sinne und keineswegs boshaft gemeint. Zumal Glen Hanlon und John Fust ja auch allseits sehr beliebt sind und nun auch einen scheinbar unlösbaren Fall haben: Die Schweiz in den Partien gegen die Titanen Schweden, Kanada und Tschechien doch noch ins Viertelfinale zu führen. Und wie ihre populären TV-Vorbilder sind ihre Methoden eigenwillig oder, wenn wir boshaft sein wollen, seltsam.
Mit Dino Wieser hat Glen Hanlon einen Fräser und Energiespieler der oberen Hubraumklasse für die WM aufgeboten. Der furchtlose Flügel mit der Zahnlücke bringt Emotionen aufs Eis und auf die Bank. Er geht seinen Gegenspielern unter die Haut. Je intensiver eine Partie, desto besser sein Spiel. Beim HC Davos ist er einer der wichtigsten Einzelspieler.
Einer wie Dino Wieser kann den Schweizern in Prag helfen. Er hätte gegen die «Kleinen» (Österreich, Frankreich, Deutschland, Lettland) eine wichtige Rolle spielen können. Und er könnte es erst recht gegen die Grossen (Schweden, Kanada, Tschechen). Aber er darf nicht.
Dino Wieser hat bisher mit einer durchschnittlichen Eiszeit von 6:52 Minuten von allen Stürmern am zweitwenigsten Präsenz. Nur Reto Schäppi spielte mit 5:16 Minuten noch weniger. Und gegen Schweden ist Dino Wieser gar nur als Stürmer Nummer 13 vorgesehen. Das bedeutet, dass er im Normalfall gar nicht eingesetzt wird und nur auf der Bank sitzt.
Dabei wäre Dino Wieser «geladen». Bereit für grosse Taten. Er weiss die Ehre, im WM-Team zu sein, sehr zu schätzen. Er vibriert sozusagen vor Energie und möchte von der Leine gelassen werden. Warum fragt er den Glen Hanlon nicht um mehr Eiszeit? «Das mache ich nicht. Das gehört sich nicht. Er ist der Trainer und er entscheidet.» Kein Wort der Klage. In Davos oben lernt einer, dass der Trainer Gott ist und immer Recht hat. Glen Hanlon sagt, er wisse um die Vorzüge von Dino Wieser. «Aber er muss diese Rolle akzeptieren. Wir haben das bereits bei der Nomination besprochen.»
Die Nomination von Dino Wieser macht so keinen Sinn. Er ist ein Spieler, der Eiszeit braucht. Damit er warm wird. So wie er jetzt eingesetzt worden ist, mahnt er an einen Formel-1-Boliden, der nur im Standgas gefahren wird. Dino Wieser war bisher ein Fremdkörper, der sich irgendwo im taktischen Niemandsland verlaufen hat. Weder Forechecker noch Defensivstürmer. Taktisch weder Fisch noch Vogel.
Wenn schon Energiespieler wie Dino Wieser und Tristan Scherwey (er ist noch nicht zum Einsatz gekommen und spielt auch gegen Schweden nicht) nicht zum Zuge kommen, dann müssten eigentlich abschlussstarke Läufer und Skorer wie Lino Martschini oder Inti Pesoni eingesetzt werden. Doch die hat Glen Hanlon gar nicht aufgeboten. Es hat also schon Gründe, warum wir bisher gegen die «Kleinen» in vier Spielen erst acht Tore erzielt haben. Die seltsamen Methoden des Franz Josef Hanlon.
Dean Kukan (21) ist einer unserer talentiertesten und besten Verteidiger. Mit dem Potenzial für eine NHL-Karriere. Aber er leidet an einer Schulterverletzung. Er wird schmerzfrei gespritzt. Aber nicht, damit er gegen Schweden spielen kann. Glen Hanlon sagt: «Er sitzt auf der Bank und wird höchstens im Notfall spielen.»
Das hat es so noch nicht gegeben: Ein junger Spieler wird schmerzfrei gespritzt. Aber nur, damit er als Notnagel auf der Spielerbank zuschauen darf. Das ist – mit Verlaub – unsinnig, wenn nicht gar verantwortungslos. Zumal mit Romain Loeffel ein gesunder Verteidiger nachträglich aus den Ferien heraustelefoniert und nach Prag geholt worden ist. Er könnte ja auch als Notnagel auf der Bank sitzen. Glen Hanlon sagt, warum er Romain Loeffel nicht einsetzt: «Wir müssten dann unseren letzten Platz vergeben.» Da können wir auch fragen: Will er eigentlich diese letzte Lizenz «chüechlen»? Die seltsamen Methoden des Franz Josef Hanlon.
Vor der WM hatte Glen Hanlon ausdrücklich erklärt, es sei wahrscheinlich etwas gar riskant, die offensiven Schillerfalter Damien Brunner und Kevin Fiala in der gleichen Linie laufen zu lassen. Wobei er das Wort «Schillerfalter» natürlich nicht benutzt hat. Das ist unsere Bezeichnung.
Der Nationaltrainer hat dann folgerichtig in den Partien gegen die «Kleinen» dieses Risiko gescheut. Aber jetzt, gegen Schweden, sollen Damien Brunner und Kevin Fiala doch in einer Linie mit Center Cody Almond stürmen. Gegen die «Kleinen», gegen die wir dringend Tore gebraucht hätten und das defensive Risiko gering gewesen wäre, durften die beiden nicht zusammen offensiv feuerwerken.
Aber jetzt, gegen Schweden, gegen eine der besten Nationalmannschaften der Welt, geht Glen Hanlon dieses Risiko ein. Obwohl wir wahrscheinlich alle defensive Hände voll zu tun haben werden. Er sagt: «Acht Tore in vier Spielen –wir müssen handeln und einfach etwas versuchen, um mehr Tore zu erzielen.» Die seltsamen Methoden des Franz Josef Hanlon.
Noch können die Schweizer die Viertelfinals erreichen. Und dann werden aus den seltsamen Methoden unseres Nationaltrainers und seines Assistenten sportliche Wunderheilungen. Warum nicht? Franz Josef Wanninger und sein Fröschl haben ja auch die unmöglichsten Fälle gelöst.
Ein Personalentscheid ist nicht zu hinterfragen. Gegen Schweden (Samstag) steht Leonardo Genoni und anschliessend gegen Kanada (Sonntag) Reto Berra im Tor. Das hätten wohl auch Franz Josef Wanninger und sein Assistent Fröschl so entschieden.