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Der Transfer von Inti Pestoni zum SC Bern birgt viel Zündstoff

Davos' Inti Pestoni during the game between HC Davos and KalPa Kuopio Hockey Oy, at the 92th Spengler Cup ice hockey tournament in Davos, Switzerland, Sunday, December 30, 2018. (KEYSTONE/Melanie ...
Pestoni hat den Ruf, ein schlampiges Genie zu sein.Bild: SPENGLER CUP
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So viel Zündstoff birgt der Transfer von Inti Pestoni zum SC Bern

Der SC Bern hat den Zuzug von Inti Pestoni (27) bestätigt. Der Konflikt mit Cheftrainer Kari Jalonen ist programmiert.
04.01.2019, 16:2004.01.2019, 16:48
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Warum Inti Pestoni? Diese Frage können hockeytechnisch nur die Hockeygötter beantworten. Denn der HCD-Topskorer ist von Kari Jalonens Idealvorstellung eines Flügelstürmers so weit entfernt wie Mickey Mouse.

L'entraineur bernois Kari Jalonen, lors de la rencontre du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre le Lausanne Hockey Club, LHC, et le SC Bern ce dimanche 18 novembre 2018 ...
Wie kommt Jalonen mit Pestoni zurecht?Bild: KEYSTONE

Eigentlich müsste ein Sportunternehmen Transferfragen mit seinem Cheftrainer besprechen. Erst recht, wenn dieser Mann einer der besten Coaches der Welt ist.

Aber beim SCB gibt es intern eine sonderbare Regelung: Kari Jalonen hat zu den Transfers von Schweizer Spielern nichts zu sagen. Die sind ausschliesslich Sache des tüchtigen Sportchefs und seiner Scouts.

Die Jungs aus dem Büro von Alex Chatelain sehen Spiele, aber nicht die Spieler.

Der SCB ist eine der besten Hockeyfirmen Europas. Aber in einem Bereich ist der SCB stehengeblieben: im Scouting. In Nordamerika gibt es eine Redewendung: Ein guter Scout geht Spieler schauen. Ein unfähiger Scout geht Spiele schauen.

SCB Sportchef Alex Chatelain praesentiert die Bilanz der SCB-Eishockey AG der vergangenen Saison am Mittwoch, 5. September 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Sportchef Chatelain ist nicht zum ersten Mal in der Kritik.Bild: KEYSTONE

So ist es beim SCB. Die Jungs aus dem Büro von Alex Chatelain sehen Spiele, aber nicht die Spieler. Kürzlich spottete ein international erfahrener Kenner über die SCB-Talentsucher: Wenn ein Elefant über den Bundesplatz laufe, dann riefen die SCB-Scouts aufgeregt Marc Lüthi an und meldeten ihm, man habe vor dem Bundeshaus einen Esel gesehen.

Inti Pestoni ist sozusagen ein Transfer-Trostpreis.

Das mag eine Erklärung für die nun schon zwei Jahre währende Transfer-Misswirtschaft sein. Alex Chatelain hat Leonardo Genoni verloren, das enorme Potenzial der eigenen Junioren nicht erkannt, Matthias Bieber, Grégory Sciaroni und Daniele Grasse geholt (für das Geld, das er für diese «Nonvaleure» verschwendet hat, hätte er Genoni halten oder Grégory Hofmann bekommen können) und im grossen nationalen Transferfass auch diese Saison keinen Stich gemacht. Inti Pestoni ist sozusagen sein Transfer-Trostpreis.

Die Verpflichtung des Nationalstürmers hat «Sprengkraft». Inti Pestoni ist talentiert, aber er hat zu wenig Biss und physisches Durchsetzungsvermögen. Er ist hochtalentiert, aber nicht austrainiert. Bei den ZSC Lions musste er zeitweise Konditionstraining nachholen und durfte nicht spielen. Ein Spieler wie Pestoni in einer von Kari Jalonen gecoachten Mannschaft ist  – man verzeihe mir diesen Vergleich – wie eine Kampfgenossin und EU-Netzwerkerin vom linken SP-Flügel im Zentralsekretariat der SVP.

Pestoni kann nur Wirkung erzielen, wenn er im ersten oder zweiten Block neben einem exzellenten Center viel Eiszeit bekommt. Bei Jalonen gibt es keine Eiszeit aus politischen Gründen. Der finnische Kulttrainer kennt nur eine harte Währung: Leistung in Training und Spiel. Da ist er unerbittlich.

Was, wenn er Inti Pestoni in die dritte und vierte Linie oder gar auf die Tribüne verbannt? Dann blamiert er Sportchef Alex Chatelain.

Der SCB ist inzwischen auf dem besten Weg, sportlich die Eishockey-Antwort auf den FC Basel zu werden.

Kari Jalonen kompensiert durch seine kompromisslose Arbeit den alarmierenden Substanzverlust auf dem Transfermarkt. Nur deshalb schlägt die verfuhrwerkte Transferstrategie noch nicht auf die Resultate durch.

Der Davoser PostFinance TopScorer Inti Pestoni zieht seine Kreise, beim Eishockey Meisterschaftsspiel in der Qualifikation der National League zwischen dem HC Davos und dem HC Lugano, am Mittwoch, 2.  ...
Mit 18 Punkten in 28 Spielen ist Pestoni aktuell Topskorer des HC Davos.Bild: PPR

Der SCB ist inzwischen auf dem besten Weg, sportlich die Eishockey-Antwort auf den FC Basel zu werden. Der SCB kann mit einem Coach wie Kari Jalonen im nächsten Frühjahr nach wie vor Meister werden. Ja, mit dem stockkonservativen Schablonen-Hockey wird der SC Bern im «Abnützungskampf» der Playoffs sogar ein Titelfavorit sein. Aber mittelfristig sind die Perspektiven düster.

Die Kunst eines Sportchefs ist es, mit einer laufenden Erneuerung der Mannschaft, mit klugen Transfers, mit Förderung der eigenen Talente die Konkurrenzfähigkeit einer Mannschaft zu erhalten und die Balance zwischen kompromisslosem Erfolgsstreben und wirtschaftlicher Vernunft zu finden. Das ist dem SCB mit Sportchef Sven Leuenberger jahrelang gelungen.

Der SCB ist die grösste Hockeyfirma im Land. Aber inzwischen ein jammernder Zwerg im Transfermarkt.

Kritiker tun Sven Leuenbergers Nachfolger Alex Chatelain aber auch Unrecht. Er kennt das Eishockey aus jahrelanger Erfahrung und gehörte zu jener legendären Mannschaft, die 1998 in Helsinki bei der U20-WM Bronze holte. Sein Problem: Er ist ein hochanständiger, freundlicher Hockeyfacharbeiter. Doch ihm fehlt jegliches Charisma und Verkaufstalent. Der Sportchef ist aber der wichtigste Verkäufer einer Hockeyfirma. Wenn er einem Spieler den Verbleib beim oder den Wechsel zum Klub nicht überzeugend «verkaufen» kann, dann ist er im Transfergeschäft verloren. Und er ist auf das Urteil fähiger Scouts angewiesen.

Der SCB ist die grösste Hockeyfirma im Land. Mit über 50 Millionen Franken Umsatz. Aber inzwischen ein jammernder Zwerg im Transfermarkt. Es ist nur noch möglich, auf dem Spielermarkt Ambri auszustechen.

Portrait vom CEO des SC Bern, Marc Luethi, am Montag, 13. August 2018, in der PostFinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Guter Rat ist teuer: SCB-Boss Lüthi.Bild: KEYSTONE

Inti Pestonis Agent konnte sein Glück kaum fassen. Im Herbst bangte er noch um die Zukunft seines Klienten. Er hatte keinerlei Möglichkeit, bei den Verhandlungen um eine Rückkehr zu Ambri mit einem schönen Vertragspokerspiel das Salär in die Höhe zu treiben. Und dann kam, wie ein Geschenk der Hockeygötter, auf einmal das SCB-Interesse. Ja, der SCB besserte im Laufe der Verhandlungen gar noch die Offerte nach. Und SCB-General Marc Lüthi jammert über die Löhne der Mitläufer und merkt nicht, dass seine Sportabteilung inzwischen die schlimmste Lohntreiberin für Dritt- und Viertlinienspieler geworden ist. Er sollte sich dringend wieder mehr um die Sportabteilung seiner Firma kümmern.

Kari Jalonen hat noch einen Vertrag für die nächste Saison. Er ist ein Mann der Ehre und ein Kämpfer. Er hält seine Verträge ein. Und doch: Wenn der SCB im nächsten Frühjahr nicht mindestens ins Finale kommt, dann gibt es keine Basis mehr für eine erfolgreiche weitere Zusammenarbeit mit dem finnischen Cheftrainer.

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43 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Grego
04.01.2019 16:31registriert März 2015
Dieser Wechsel weg von Davos, wo Pestoni wieder eine Chance erhielt und aufgepäppelt wurde, zeugt jetzt nicht gerade von Charakter. Aber vielleicht wollte er einfach die letzte Möglichkeit nutzen und den SCB etwas zum Narren machen. Übernächste Saison spielt er dann wohl irgendwo am Tabellenende oder in der Nati B.
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LebeauFortier
04.01.2019 17:43registriert März 2016
Der Gastrobereich des SCB wird somit auch die nächsten zwei Jahre schwarze Zahlen vorweisen können.
Klug eingefädelt!
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mukeleven
04.01.2019 16:52registriert Februar 2014
treffender als ‚eine SP kampfgenossin vom linken pol im SVP generalsekretariat‘ könnte der vergleich nicht sein. alles gute inti - ich hätte den weg nach hause ins baldige neue stadion im ticino gewählt...
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