Die «Operation Sichelschnitt» ist eine der berühmtesten Feldzüge der Militärweltgeschichte und führte innert weniger Wochen zu Frankreichs Niederlage im Zweiten Weltkrieg. Denn die «Operation Sichelschnitt» war vor allem eines: Der Triumph der Offensive über eine fast übermächtige Defensive in Zeiten, als man glaubte, die Verteidiger seien Angreifern immer überlegen. Es war der überraschende Triumph des offensiven Risikos.
Seit Menschengedenken (in der Schweiz seit Einführung der Playoffs 1986) gilt: Die Defensive entscheidet die Playoffs. Am Ende des Tages gewinnt die Mannschaft mit der besseren Abwehr.
Diese These ist etwa im ersten Spiel zwischen Gottéron und Kloten (2:4) eindrücklich bestätigt worden. Zudem hatten die Kloten Flyers das Viertelfinale gegen Davos in erster Linie dank einer starken Defensivleistung gewonnen. Und Lausanne brachte die ZSC Lions in der ersten Runde durch eine starke Verteidigung an den Rande eines sensationellen Ausscheidens. Das Resultat des 7. und alles entscheidenden Spiels (1:0 für die ZSC Lions) zeigte noch einmal die Wichtigkeit der Defensive.
Servettes charismatischer Bandengeneral Chris McSorley hat seine Mannschaft nicht nach diesen klassischen Playoff-Lehren aufgebaut. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: Erstklassige Verteidiger sind rar und teuer. Gute Stürmer sind eher zu bekommen. So extrem offensiv ausgelegt wie Servette war in den letzten Jahren kein Halbfinalteam. Der Sturm ist bei Servette meisterlich besetzt. Wenn wir Goran Bezina weglassen, dann ist die Verteidigung hingegen nominell auf Playoutniveau. Aber abgesichert von Nationaltorhüter Tobias Stephan, der zurzeit in der Form seines Lebens spielt.
Servettes Stürmer sind schnell, sie spielen geradlinig und hart, sie sind mutig, bissig und selbstsicher. Sie sind nie passiv, sie gehen ihren Gegenspielern unter die Haut. Und jene, die weniger Talent haben, machen ihren Job als Ergänzungsspieler: Es war schon immer eine der Stärken von Chris McSorley, Spieler mit wenig Talent durch klare taktische Aufgaben besser, effizienter, für's Team brauchbarer zu machen.
Bis heute ist Servette am Ende doch an Gegnern mit mehr Talent und grösserer Ausgeglichenheit gescheitert. Zweimal im Finale. 2008 nach einer 2:0-Führung gegen die ZSC Lions und 2010 in sieben Spielen gegen den SC Bern. Und im letzten Frühjahr brachte Servette im Viertelfinale gegen den späteren Meister SC Bern eine 3:1-Führung nicht über die Runden. Es ist den Gegnern von Servette in entscheidungsschweren Serien gelungen, doch ein Mittel gegen die Taktik von Chris McSorley zu finden und den feuerköpfigen Kanadier zum «übercoachen» zu provozieren.
Die entscheidende Frage ist also: Können sich die ZSC Lions noch rechtzeitig auf die überraschende Offensivtaktik der Genfer einstellen und Chris McSorley so provozieren, dass er seine Ruhe verliert und sich mit den Schiedsrichtern überwirft? Die Ausgangslage ist hochinteressant: Mit einer Konzentration auf die Abwehrarbeit ist dieses Servette nicht zu stoppen. Zumal Torhüter Lukas Flüeler nicht die Form hat, um sein Team «herauszuhexen».
Servette ist nur an «an den Wurzeln» zu packen: Also in der eigenen Zone. Durch Verlagerung des Spektakels vor das Tor der Genfer. Durch mutiges, geradliniges Offensivspiel. Aber hat ZSC-Bandengeneral Marc Crawford den Mut, in den Playoffs alles auf die Offensive zu setzen?