Der ehemalige SCB-Captain Martin Plüss ist inzwischen als Spieleragent tätig. Sein Klient Marco Müller ist ein heikler Fall und beschert ihm einige sommerliche Umtriebe. Es gibt drei Optionen:
Was den Unterhaltungswert erhöht: Alle Kreise versuchen, die Sache unter dem Deckel zu halten. Martin Plüss muss sozusagen wie ein Kommissar im «Fall Marco Müller» verdeckt ermitteln. Ohne dass die Hockey-Öffentlichkeit davon erfährt. Was natürlich nicht möglich ist.
Der neue SCB-Sportchef Andrew Ebbett bestätigt nämlich das Interesse an Müller. Die letzten Gespräche in der Sache seien letzte Woche gelaufen: «Aber seither hat sich nichts mehr bewegt.»
Was die SCB-Position erschwert: Den Bernern fehlen ganz einfach die Spieler für ein Tauschgeschäft. Die Verpflichtung des ehemaligen SCB-Junioren Marco Müller wäre für den Klub nach der sportlichen Misswirtschaft der jüngsten Zeit ein enormer Prestigeerfolg und eine Verstärkung: Der Abgang von André Heim (er wechselt zu Ambri) könnte fast kompensiert werden. Was Ebbett die Gespräche erleichtert: Mit Plüss hat er einst beim SCB gespielt.
Inzwischen hat Plüss neben dem SC Bern einen weiteren Interessenten gefunden: Meister Zug. Sportchef Reto Kläy bestätigt: «Etwas vereinfacht gesagt: Wir haben elf erfahrene Stürmer. Wenn einer wie Marco Müller auf den Markt kommt, dann sind wir interessiert.» Er habe kürzlich in der Sache Gespräche geführt. «Ich habe ja die Gerüchte gehört und mich erkundigt. Aber eines ist klar: Einen Spieler zu kontaktieren, der noch unter Vertrag steht, kommt für uns nicht in Frage.» Kommissar Martin Plüss muss sozusagen verdeckt ermitteln, wenn er das Interesse an seinem Klienten ausloten will.
Zug hat ein Farmteam. Da müsste doch im Falle eines Falles ein Tauschgeschäft möglich sein. Oder? Aber EVZ-Sportchef Kläy sagt: «Wir haben keine Spieler, die wir weggeben wollen.» Doch da dürfte im Falle eines Falles das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
Auch ZSC-Sportchef Sven Leuenberger sagt, er habe von der Angelegenheit gehört: «Aber wir haben kein Interesse.» Aus Lugano kommt ebenfalls die Rückmeldung, man sei nicht interessiert. Damit bleiben wohl, wenn es denn zu einem Wechsel kommen sollte, der SCB und Zug die ersten und für Marco Müller die besten Adressen.
Paolo Duca schweigt in der Sache wohlweislich eisern. Ist erst einmal offiziell klar, dass er und sein Trainer sich von Müller trennen möchten, wird es fast unmöglich, einen guten Deal zu machen. Dann sitzt Ambris Sportchef da wie ein Pokerspieler mit Karten, die seine Gegenspieler einsehen können. Auch Plüss und Müller hüten sich vor einer Stellungnahme wie der Teufel vor dem geweihten Wasser. Allerdings ist der «Fall Marco Müller» inzwischen ligaweit ein offenes Geheimnis.
Wie geht es weiter? Duca kann es sich eigentlich nicht leisten, einen der besten Schweizer Mittelstürmer ohne Not aus einem laufenden Vertrag heraus an die Konkurrenz abzugeben. Das wäre vor der ersten Saison im neuen Stadion eine sportliche Schwächung der Mannschaft, die ihm die Fans nicht so rasch verzeihen würden.
Also bleiben nur zwei Optionen: Entweder die Versöhnung mit Marco Müller oder ein Tauschgeschäft. Gelingt es, die Unstimmigkeiten intern zu regeln, dann kann erklärt werden, die ganze Sache sei bloss ein unhaltbares, von den Medien aufgebauschtes Gerücht gewesen. Was ein Tauschgeschäft erschwert: Es müssen alle einverstanden sein. Also auch der oder die Spieler, die im Gegenzug nach Ambri wechseln sollten.
Die beste Lösung für Ambri wäre die Versöhnung mit Marco Müller. Aber einer, der in Ambri mit der Sache vertraut ist, sagt: «Macht es Sinn, einen Spieler zu behalten, der nicht mehr glücklich ist?»
Was das Glück denn trübt, darüber schweigen sich alle aus. Ambri ist eigentlich eine grosse, harmonische Hockeyfamilie und Marco Müller ein pflegeleichter Musterprofi, der letzte Saison sogar Assistenz-Captain war. Aber auch in den besten Familien kann der Haussegen mal schief hängen. Beim Haussegen handelte es sich in alten Zeiten und meist katholischen Gebieten um einen in Holz geschnitzten Segenswunsch, der in der Regel über der Eingangstüre aufgehängt wurde. Durch einen handfesten Ehestreit konnte er – beispielsweise durch heftiges Türenschletzen – in Schieflage geraten. Daraus ist diese volkstümliche Redensart vom schiefen Haussegen entstanden, die sagt, dass es in der Ehe oder der Familie (oder in diesem Fall in einer Hockeymannschaft) vorübergehend Missstimmungen oder Streit gibt.
Was die Möglichkeit ja nicht ausschliesst, den Haussegen wieder gerade zu hängen.