Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Vor der Nationalmannschaftspause verliert der SCB kläglich auf eigenem Eis 0:4 gegen Gottéron. 16 Tage später verliert der SCB beinahe ebenso sang- und klanglos gegen die ZSC Lions 2:5.
Ach, könnte der Chronist doch für einmal nur über das berichten, was er in diesem Spiel im Hallenstadion gesehen hat! Sich nur an das Geschaute, an die Fakten, an die Wahrheit halten und müsste er nicht überlegen, was in ein paar Tagen sein könnte.
Lustvoll liesse sich gegen den Trainer, den Sportchef, ja das ganze Hockeyunternehmen SC Bern AG polemisieren. Wir müssten gar ernsthaft fragen, ob aus dem SC Bern ein Lugano des Nordens wird, das Lugano mit der Leistungskultur aus der Zeit von 2006, bis Patrick Fischer und Doug Shedden gekommen sind.
Der SCB hinterlässt bei dieser 2:5-Niederlage im Hallenstadion einen Besorgnis erregenden Eindruck. Hart wollen die Berner spielen. Sie tun es vielleicht knappe zehn Minuten. Aber es ist nie die einschüchternde Härte wie zu den Zeiten der meisterlichen «Big bad Bears». Eher so, wie wenn auf einem Konfirmanden-Ausflug im Übermut bei einer verlassenen Gartenbeiz ein paar Stühle umgeworfen werden.
Die Berner rocken noch ein wenig, als beim Stand von 2:5 längstens alles verloren ist. In einer der letzten Raufereien knöpft sich Timo Helbling den 10 Zentimeter kleineren, 23 Kilo leichteren und 15 Jahre jüngeren Pius Sutter vor. So etwas gehörte sich einst nicht einmal auf dem Pausenplatz. Ein starker Mann wie Timo Helbling verhaut doch nicht einen Buben. Ach, was ist bloss aus dem SC Bern geworden!
Kaum etwas hat beim SCB funktioniert. Die Defensiv-Organisation war so miserabel, dass der bedauernswerte Yannick Schwenender (er spielte erstmals seit der Ankunft von Jakub Stepanek) von jeder Kritik ausgenommen werden muss.
Nun könnten wir also heftig polemisieren. Es sei doch unerhört, dass die SCB-Stars, jetzt, da es um alles geht, so wenig Leidenschaft zeigen und so lust- und emotionslos ihre Arbeit verrichten als sei es eine lästige Pflicht. Und vier ausländische Stürmer, drei davon in einer Angriffsreihe zusammengefasst, und trotzdem null Skorerpunkte für das ausländische Personal. Kein gutes Zeugnis für die Sportabteilung. Unprofessionell! Amateurhaft!
Aber in diesem Falle muss der Chronist über den Tag hinaus denken. So beschämend der Auftritt auch war – passiert ist noch gar nichts. Die Berner können in den drei ausstehenden Partien von morgen gegen Servette, am Freitag gegen Lausanne und am Samstag in Fribourg die Playoffs nach wie vor aus eigener Kraft erreichen. Ja, in den Playoffs ist dann wieder alles möglich. Obwohl es ja eigentlich schäbig ist, dass diese stolze Organisation bis in die letzten Partien um die Playoffs zittern muss. Dass der SCB nach 47 Spielen erst 14 Siege mit drei Punkten herausgespielt hat. Genau gleich viele wie die SCL Tigers.
Der objektive, nur der Wahrheit verpflichtete Chronist hat einen SCB gesehen, der die Niederlage einfach hingenommen hat. Weil mit einer Niederlage beim Tabellenführer gerechnet werden musste. Eine einkalkulierte Niederlage also. Was bringt es da, mehr als die Pflicht zu tun? Es zählt ja erst richtig gegen Servette, Lausanne und Gottéron. Zwar lässt eine solche Interpretation keiner gelten. Weder der Trainer noch die Spieler. Aber die Behauptung sei dem neutralen Chronisten erlaubt: Genau so war es. So tief ist der SCB gesunken.
Oder sind die Berner am Ende von einem übermächtigen Gegner besiegt worden? Nein. ZSC-Schillerfalter Robert Nilsson brachte es auf den Punkt: «Wir waren nicht besonders gut. Aber der SCB auch nicht.» Die ZSC Lions spielten nur wenig besser als bei der Niederlage gegen die Kloten Flyers (3:4 n.P).
Verteidigerhaudegen Timo Helbling verlässt den SCB am Ende der Saison und wechselt zu Kloten. Er ist ein Experte für grosse Teams, die Playoffs verpassen. Er rumpelte 2010/11 für Lugano und letzte Saison für Gottéron. Für Mannschaften, die gut genug waren für den Titel oder wenigstens fürs Finale, und am Ende die Playoffs verpassten. Er kennt also das, was in Bern über seit dem letzten Herbst über die Bühne geht. Aus reicher eigener Erfahrung.
Timo Helblings Analyse hat für den SCB etwas Tröstliches. Er sagt, er habe zwar letzte Saison in Fribourg auch immer gesagt, man werde es schon noch schaffen. «Weil man das ja in einer solchen Situation sagen muss.» Aber daran geglaubt habe er nicht. Und jetzt, glaubt er an ein glückliches Ende? «Ja. Weil es einen ganz grossen Unterschied gibt. In Lugano und Fribourg fiel die Mannschaft auseinander und lebte nicht mehr. Das ist beim SCB ganz und gar nicht der Fall.»
Sagt Helbling das nun so, weil er das so sagen muss? «Nein. Dass wir als Mannschaft trotz allem intakt geblieben sind, zeigt sich ja auch daran, dass wir diese Saison nie hoch verloren haben und nie auseinander gefallen sind wie damals Lugano oder letzte Saison Fribourg. Unsere Mannschaft lebt und ich sage das in der Kabine auch immer wieder. Ich bin überzeugt, dass wir die Playoffs erreichen werden.» Und wie heisst es doch so schön: «There is always a calm before the storm». Ist die Windstille im SCB-Spiel gegen Gottéron und nun im Hallenstadion am Ende nur die Ruhe vor dem Sturm auf den Meistertitel?
Das Spiel gegen die ZSC Lions, das miserable, taugt also vorerst nur für eine kurzfristige Polemik. Aber wenn der SCB scheitern sollte, im Kampf um die Playoffs oder anschliessend schon kläglich im Viertelfinale, dann wird die Polemik umso heftiger sein. Der objektive, nur der Wahrheit verpflichtete Chronist hat dann die Pflicht, darauf hinweisen, dass das Scheitern schon gestern mit einer inakzeptablen Leistung im Zürcher Hallenstadion begonnen habe.