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Der Goalie als Regisseur und ein Kanadier mit kurzer Zündschnur und langem Atem

Heisssporn Chris Didomenico war auch im gestrigen Spiel einer der Protagonisten. 
Heisssporn Chris Didomenico war auch im gestrigen Spiel einer der Protagonisten. Bild: KEYSTONE
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Der Goalie als Regisseur und ein Kanadier mit kurzer Zündschnur und langem Atem

Die Oltner können mit den SCL Tigers nur mithalten, wenn sie auf den Zehenspitzen stehen. Deshalb haben sie das dritte NLB-Finalspiel verloren (2:4) – und deshalb werden die Langnauer mit ziemlicher Sicherheit NLB-Meister.
23.03.2015, 08:0423.03.2015, 09:44
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Zuletzt, wenn alles vorbei ist und wenn wir wissen, wie alles gekommen ist, werden wir erkennen, dass diese Szene den NLB-Final entschieden hat.

Olten führt im zweiten Drittel in Langnau immer noch 2:0. Da entwischen Justin Feser und Marco Truttmann in Unterzahl. Die zwei besten Stürmer der Oltner ganz alleine und unbedrängt gegen Damiano Ciaccio. Langnaus Torhüter bleibt Sieger. Von diesem Moment an ist klar: die SCL Tigers werden die Wende erzwingen. Und tatsächlich: Sie gewinnen 4:2 und führen im NLB-Final jetzt 2:1. Hätte Justin Feser zum 3:0 getroffen, dann hätten die Oltner die Partie gewonnen und das Selbstvertrauen der Langnauer in den Grundfesten erschüttert.

Wieder ein grosses, ein dramatisches Spiel. Schwierig zu leiten für die beiden Headschiedsrichter Andreas Fischer und Michael Küng – und sie machen ihre Sache sehr gut. Ein Spiel auch, das wieder ein Grund zur Unruhe für den NLA-Club sein muss, der gegen den NLB- Meister in der Liga-Qualifikation um den letzten Platz in der höchsten Liga antreten muss. Voraussichtlich werden es die SCL Tigers sein.

Langnau mit dem breiteren Kader

Langnaus Torhüter Damiano Ciaccio war der grosse Regisseur dieses dritten NLB-Finalspiels. Ein Regisseur sorgt dafür, dass ein Stoff spannend verfilmt wird. Oder ein gewöhnliches Spiel zum Drama wird. Zwei haltbare Treffer lässt er zu und ermöglicht persönlich Olten die 2:0-Führung. Erst durch diesen Spielstand wird aus einer Partie, die unter normalen Umständen recht langweilig mit einem 4:1 oder 5:1 geendet hätte, ein Drama.

Eine Wundertüte: Langnau-Keeper Damiano Ciaccio.
Eine Wundertüte: Langnau-Keeper Damiano Ciaccio.Bild: KEYSTONE
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Diese 2:0-Führung erlaubt es nämlich den Oltnern, auf den Zehenspitzen zu stehen. Sie bekommen den Schub Adrenalin, der ihnen über die Müdigkeit hinweghilft.

Gegen Langnau spielen zu müssen, ist eben enorm kräfteraubend. Weil alle vier Linien der Emmentaler torgefährlich sind und weil es die Besten braucht, um Chris DiDomenico zu neutralisieren. Bis weit ins zweite Drittel hinein scheint es möglich, dass die Oltner als Mannschaft, als Kollektiv, die besseren gegnerischen Einzelspieler durch Geduld, Disziplin und gute Organisation besiegen.

Aber Langnau hat eben mehrere «Gamebreaker». Einzelspieler, die eine Partie entscheiden können. Verteilt auf alle vier Linien. Mal ist es Anton Gustafsson, mal ist es einer der Moggi-Zwillinge. Es kann aber auch Thomas Nüssli, Sven Lindemann, Lukas Haas oder Kevin Hecquefeuille sein. Man weiss es eben nie. Und fast immer Chris DiDomenico. In dieser dritten Finalpartie waren es Sandro Moggi und Chris DiDomenico.

Überragender DiDomenico 

Langnaus ausländischer Stürmer hat einmal mehr das Spiel geprägt. Viel mehr noch als der dreifache Torschütze Sandro Moggi. Es ist Langnaus charismatischer Kanadier mit der kurzen Zündschnur und dem langen Atem, der die Emotionen ins Spiel bringt, der mit seiner Unberechenbarkeit einen ganzen gegnerischen Fünferblock auf Trab hält, seinen Gegenspielern unter die Haut geht, und mit einer Energie das Spiel immer wieder antreibt, die an Martin Püss oder Andres Ambühl mahnt.

Diesen heissblütigen Leitwolf auf Betriebstemepratur herunterzukühlen, ist während des Spiels eine der wichtigsten Aufgaben von Cheftrainer Bengt-Ake Gustafsson. Langnaus Spiel läuft nur wie Örgelimusik, wenn Chris DiDomenico dreht. Aber er darf nicht durchdrehen. Er hat nun in elf Playoffpartien sagenhafte 23 Punkte gebucht (4 Tore, 19 Assists). Diesen dritten NLB-Final hat er auch entschieden. Der völlig überraschende, öffnende Pass zum 3:2 von Sandro Moggi, zum Siegtreffer, kommt von ihm.

Ein grosses Olten hat alles richtig gemacht. Die richtige Taktik gewählt, geduldig und diszipliniert gespielt, den starken Michael Tobler gut abgeschirmt – und es hat doch nicht gereicht. Weil eben dieses 3:0 nicht gelungen ist. Das mag zeigen, wie gut dieses Spiel war und wie gut Langnau.

Der Anschlusstreffer der Langnauer zum 2:1 ist der Anfang vom Ende. Nach dem 2:2 ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das 3:2 folgt. Den Rückstand können die Oltner nicht mehr wettmachen. Sie haben nach dem dritten Treffer der Langnauer nicht mehr die Kraft, um auf den Zehenspitzen zu stehen. 

Sandro Moggi ist neben Chris Didomenico Mann des Spiels.
Sandro Moggi ist neben Chris Didomenico Mann des Spiels.Bild: KEYSTONE
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Das Adrenalin ist weg und die Energie weicht wie die Luft aus einem Ballon. Die Oltner sind nicht einmal mehr dazu in der Lage, in der Schlussphase mehr als vier Minuten Powerplay (davon über eine Minute lang mit fünf gegen drei) zum Ausgleich zu nützen. Die Frische, der Biss, die Konzentration und Präzision sind weg. Sie können Langnau-Keeper Damiano Ciaccio keine Chance mehr geben, einen Fehler zu machen.

Demut als Erfolgsrezept

Alles klar? Eigentlich schon. Aber was ist, wenn es Damiano Ciaccio mit seiner Regiearbeit übertreibt und einen haltbaren Treffer zu viel zulässt? Er hat alles, um der umstrittenste Einzelspieler dieses NLB-Finals und allenfalls der Liga-Qualifikation zu werden. Der miserable Stilist ist vor allem bei dichtem Verkehr vor seinem Tor ein Lottergoalie.

Er weiss oft nicht, wo der Puck ist und produziert viel zu viele Abpraller. Aber ein miserabler Stilist ist auch ein unkonventioneller Stilist. Kombiniert mit phänomenalem Reflex ist Damiano Ciaccio in scheinbar aussichtslosen Situationen, vor allem bei alleine auftauchenden Stürmern, völlig undurchschaubar und dadurch unheimlich stark. Dann mahnt er ein wenig an einen Dominik Hasek im Westentaschenformat.

Im Frühjahr 2013 stiegen die Langnauer auch ab, weil sie viel zu lange zu sicher waren. Jetzt ist die Situation genau umgekehrt. Im Umfeld ist die Skepsis gross. Selbst fachlich qualifizierte und langjährige Beobachter sind im Emmental überzeugt, dass diese Langnauer in der Liga-Qualifikation keine Chance haben. Das ist eine gute Voraussetzung für die Rückkehr in die NLA. Demut ist besser als Grössenwahn. Die Langnauer sind besser, als sie denken. Das Niveau in der NLA ist in vielen Partien nicht höher als in diesem NLB- Finale.

NLA-Playoffs 2015

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