Dürfen wir das sagen: Eishockey ist, wenn am Ende doch der SCB siegt? Das galt 2016, 2017 und 2019 mit drei SCB-Titeln in vier Jahren.
Aber jetzt? Nun gut, diese Formel klingt im Frühjahr 2021 etwas abenteuerlich, ja sogar hoffärtig. Und doch: Sie enthält Wahrheit. Sie gilt zwar nicht mehr im Ringen um meisterlichen Ruhm. Aber immerhin für die Pre-Playoffs. Für das Bemühen der Berner, mit unzulänglichen spielerischen Mitteln die Ehre und die Saison zu retten und so die sportliche Misswirtschaft des Managements zu kaschieren. Sie haben im Cupfinal im Hallenstadion die ZSC Lions 5:2 besiegt und nun die HCD-Saison beendet. Die SCB-Kabine ist diese Saison eben immer intakt geblieben.
Der herrliche Game-Winner 🚨 aus der Luft 🏒✨ von Vincent Praplan #SCBern #Bärnrockt pic.twitter.com/TNVN7ZoHzc
— SC Bern (@scbern_news) April 11, 2021
Im Rückblick ist immer alles logisch und eine Analyse billig. Nach der Schlacht ist jeder Musketier ein General. In diesem Falle ist es tatsächlich nicht schwierig (und somit ein wenig billig), das Scheitern der Davoser zu erklären.
Wenn zwei Teams in fünf Tagen dreimal gegeneinander antreten, dann wird, wenn es zum dritten Spiel kommt, die Mannschaft im Nachteil sein, die auf offensives Sturmwetter, auf Tempo und Dynamik setzt. Auf das Eishockey der langen Wege. Und jene im Vorteil, die auf schlaue Taktik und einen starken Torhüter baut. Auf das Eishockey der kurzen Wege. Weil im dritten Spiel dem Tempo-Team ein paar Stundenkilometer und Energiekalorien fehlen.
Für eine gute Defensiv-Organisation sind die Wege eben kürzer als für stürmisches Offensivspiel. Um Schüsse zu blockieren, muss man nicht weit laufen. Nur furchtlos sein und auf die Zähne beissen. Die Berner feierten auf der Spielerbank jeden blockierten Schuss fast so lautstark wie ein Tor. Und so endete das SCB-Hockey der kurzen Wege mit langen Gesichtern beim HCD. Und ein paar blauen Flecken beim SCB.
Nach dem 0:3-Rückstand im ersten Spiel (Davos verlor trotz 60:20 Schüssen 3:4 n.V) und in der zweiten Partie in Bern (3:0) waren die Davoser schnell genug, um die Defensive der Berner zeitweise zum Einsturz zu bringen. Gestern waren sie es im dritten Spiel nicht mehr.
Der SCB wankte und schwankte gestern im Puckhagel, bog sich ächzend unter dem gegnerischen Ansturm. Aber der SCB brach nicht. Und wenn der Zusammenbruch doch nahe schien, dann war Tomi Karhunen zur Stelle (über alle drei Partien 95,83 % Fangquote). Er stoppte in der 33. Minute beim Stande von 1:0 auch den Penalty von Aaron Palushaj. Im Nachhinein erkennen wir: Es war der Augenblick, in dem die HCD-Herzen brachen.
Um es polemisch auf den Punkt zu bringen: Die Torhüter haben diese Serie entschieden. Während des ganzen Sommers wird HCD-Coach Christian Wohlwend in stillen Stunden mit sich hadern: Hätte er im ersten Spiel von allem Anfang an schon Sandro Aeschlimann eingesetzt statt Robert Mayer, mental zerbrechlich wie tausendjähriges chinesisches Porzellan, dann wäre der SCB nicht 3:0 in Führung gegangen. Der HCD hätte die erste Partie gewonnen und wäre nach dem Sieg in Bern ins Viertelfinal eingezogen.
Der «Hätte» und der «Wäre» sind zwei Brüder, die am Ende immer mit leeren Händen dastehen. Im Eishockey, in den Pre-Playoffs und im richtigen Leben.
Christian Wohlwend widerspricht dieser These. Er sagt: «Ein Hätte und Wäre gibt es nicht. Wir haben dominiert und waren besser. Aber wir haben einfach die Tore nicht gemacht.»
Er räumt ein, dass man es Tomi Karhunen zu leicht gemacht habe. Der SCB-Goalie habe zu oft freie Sicht gehabt. «Trotzdem: Wir hatten 16 hochkarätige Chancen. Das hätte reichen müssen.»
Er hat recht. Nur in einem Punkt irrt er. Es ist nicht möglich, besser zu sein und trotzdem zu verlieren. Der Zweck des Spiels ist der Sieg. Wer siegt, ist also immer besser. Punkt.
HCD-Leitwolf Andres Ambühl bringt es nach dem Spiel auf den Punkt: «Wir waren letzte Saison noch nicht so gut wie es die Tabelle vermuten liesse (Platz 3, nur einen Punkt hinter Qualifikations-Sieger ZSC – die Red.). Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Wir haben diese Saison Spiele verloren, die wir nicht hätten verlieren dürfen, und letzte Saison gewannen wir Spiele, die wir nicht hätten gewinnen sollen. Wir stehen jetzt ungefähr dort, wo wir hingehören.»
Eine Frage der Energie sei diese letzte Niederlage nicht gewesen. «Ich kann nur für mich reden. Ich bin noch frisch, ich hätte ja gerne noch ein paar weitere Spiele bestritten …» Da mag er recht haben. Aber nicht alle waren so frisch wie er.
Polemisieren wollen wir nicht: Der HCD ist zwar gescheitert. Aber Raeto Raffainer hat in Davos oben noch vor seinem Wechsel zum SCB die Mannschaft der Zukunft zusammengestellt. Der HCD der nächsten Saison ist nominell klar besser.
SCB-Trainer Mario Kogler (33) kennt die Statistik. Der HCD hat die drei Partien mit insgesamt 144:81 Schüssen dominiert. «Aber diese Zahlen sagen nicht aus, wie viele Abschlussversuche wirklich gefährlich waren.»
Nun hat der SCB mit Mario Kogler einen Trainer, der in einer denkbar schwierigen Saison Wunder vollbracht hat: Cupsieg und Viertelfinal-Qualifikation. Hiesse er mit finnischem Pass Mariwäki Koglahunen – seine Worte wären Gospel. Er würde als Wundermann, als nächster Kari Jalonen gepriesen. Andächtig hingen alle Chronistinnen und Chronisten an seinen Lippen. Um seine taktischen Ausführungen, seine göttlichen Hockey-Weisheiten ja nicht zu verpassen.
Aber für Mario Kogler gibt es keine Heldenverehrung. Für ihn heisst es in Bern wie in einem der Dramen von Friedrich Schiller: «Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.» Er bekommt nächste Saison keinen Platz im SCB-Coaching-Team.
Will Mario Kogler in Bern bleiben, muss er mit den Elite-Junioren vorliebnehmen. Was für eine Ironie: Jetzt hätte Marc Lüthi einen fähigen Billig-Trainer und will ihn nicht. Wie heisst es doch so schön im Reim über den Hans im Schneckenloch?
Und was er will,
das hät er nid,
und was er hät,
das will er nid.
Der SCB hat seine ganze Coaching-Crew für die nächste Saison bereits vor Wochen unter Vertrag genommen: Aus Davos kommt Johan Lundskog (36), aus Schweden eilen die Assistenten Christer Olsson (50) und Mikael Hakansson (46) herbei und aus Amerika wird Jeff Hill (44) eingeflogen. Die Hosentelefon-Kosten dieses Quartetts dürften nächste Saison die SCB-Buchhaltung im Monat stärker belasten als heute Mario Koglers aktueller Lohn.
Mario Kogler nimmts gelassen: «Ich bin einfach zu jung und zu klein und darüber hinaus auch noch Österreicher. Bis heute wollte niemand das Risiko eingehen und mich auch nur als Assistenten verpflichten. Ich habe auch jetzt keine Angebote.» Den Chefjob hat er in Bern nur bekommen, weil er nach der Entlassung von Don Nachbaur ohne Kostenfolge vom Juniorentrainer zum Chef befördert werden konnte.
Der SCB tritt bereits morgen im Viertelfinal gegen Qualifikationssieger Zug an. Die Voraussetzungen sind vergleichbar mit den Pre-Playoffs. Die spielerische DNA der Zuger ist ähnlich wie die der Davoser: Tempo, spielerische Brillanz und Dominanz.
Aber alles einfach ein paar Nummern grösser als beim HCD. Und Zugs Leonardo Genoni, der SCB-Meisterheld von 2017 und 2019, wird kein Lottergoalie sein wie Robert Mayer im ersten Pre-Playoff-Spiel.
Noch nie in seiner Geschichte war der SCB in einer Playoff-Serie ein so krasser Aussenseiter. Aber der SCB hat die letzte Playoff-Serie gegen Zug gewonnen (Final 2019). Und Mario Kogler feierte seinen Einstand als SCB-Nottrainer am 3. Dezember 2020 mit einem Verlängerungs-Sieg in Zug (2:1).
Helfen solche Erinnerungen? Mario Kogler sagt: «Nein. Die Mannschaft ist nicht mehr die gleiche wie 2019. Es ist eine neue Situation.»
ABER - ich erinnere mich noch gut, als der SCB genau so Dominant war und in den Play-Offs in der ersten Runde raus flog. Wille und Einsatzbereitschaft wird entscheiden - und Prügel haben die Berner schon genug erhalten diese Saison, die können einstecken. Die Play-Off Quali wird neue Energie freisetzen oder Erleichterung und das Aus. Ich freue mich :)
Freue mich auf Dienstag. Hoffe die PO werden würdig zu Ende gespielt.