Der Spruch kommt aus dem helvetischen Fussball der 70er- und 80er-Jahre: «Eine Niederlage, die uns weiterbringt». Damals ging es darum, die vielen Niederlagen unserer Fussball-Nationalmannschaft schönzureden. Heute ist schon fast vergessen, dass wir uns zwischen 1966 und 1994 nie für eine EM oder eine WM zu qualifizieren vermochten.
Nun lässt sich dieser Spruch treffend im Hockey verwenden. Der SC Bern hat eine Niederlage erlitten, die den Meister weiterbringen wird. SCB-Trainer Kari Jalonen wird noch vor den grossen Auseinandersetzungen im Halbfinal und im Final getestet.
Wir wissen, dass der Finne ein grosser Bandengeneral ist. Was wir noch nicht wissen: Wie reagiert dieser «Kontrollfreak», der so sehr auf jedes Detail achtet und alles plant und vorkehrt, soweit das in einem so unberechenbaren Spiel überhaupt möglich ist, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen? Wenn für einmal Leonardo Genoni nicht besser ist als der gegnerische Torhüter? Wenn der Puck nicht den Weg seiner Mannschaft gehen will? Das Erfolgsgeheimnis in den Play-offs ist die Kunst des sofortigen Vergessens. Am Ende triumphiert, wer einen Rückschlag sofort wegzustecken vermag.
Je früher Kari Jalonen in den Play-offs vergessen und reagieren muss, desto besser. Es ist einfacher, im Viertelfinal diesen Ernstfall zu testen, als im Halbfinal oder gar im Final. Biel ist ein dankbarer Gegner für die Vorbereitung auf höhere Aufgaben. Der Chronist würde noch so gerne polemisieren und dramatisieren. Aber er findet auch nach einem 3:6 auf eigenem Eis gegen Biel keinen Grund dazu.
Oder droht am Ende für den SCB doch das Ausscheiden? Nein. Dieser EHC Biel hat keine echte Chance auf ein Weiterkommen. Aber die Bieler sorgen für ein bisschen Aufregung, ein wenig Spannung und etwas Unterhaltung. Endlich ist auch dem SCB unter Jalonen im Ernstfall «etwas» passiert. Endlich hat der SCB erfahren, was es bedeutet, wenn der Torhüter im Ernstfall nicht sein bestes Hockey spielt. Genoni wehrte bloss 78,26 Prozent der Schüsse ab, Jonas Hiller hingegen 92,86 Prozent.
Und was, wenn der EHC Biel jetzt auch morgen daheim gewinnt? Wenn es auf einmal 2:2 steht? Auch das würde nichts am Weiterkommen des Meisters ändern. Aber die Unterhaltung wäre dann noch besser und die Chancen auf einen Auftritt von Berns Manager und Mitbesitzer Marc Lüthi noch grösser.
Vor etwas mehr als einem Jahr hatte der SCB in Biel im Rahmen der Qualifikation kläglich in der Verlängerung 3:4 verloren, die Play-off-Qualifikation war in höchste Gefahr geraten. Ein zorniger Lüthi fuhr mit dem Lift von der VIP-Loge in den Kabinengang des Bieler Tempels hinunter, marschierte geradewegs in die Kabine, hielt eine Brandrede und schlug dann vor laufenden TV-Kameras mit einem gewaltigen Rumms die Kabinentüre zu. Es war, wie wir inzwischen wissen, eine Niederlage, die den SCB weitergebracht hat. Eine Niederlage als Meilenstein auf dem Weg zum Titel.
Am Dienstag fuhr Lüthi in Biel nach dem problemlosen 3:0-Sieg auch mit dem Lift von der VIP-Loge in den Kabinengang hinunter. Aber nur, um dort durch einen Hinterausgang ins Freie zu gelangen, um zu rauchen. Wenn Marc Lüthi nach einer Partie gegen Biel entspannt raucht, wird es langweilig. Es ist besser, wenn ihm der Kopf raucht. Doch das ist jetzt noch nicht der Fall.