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EM 2016

England besser als die Schweiz: Knallharte Penalty-Fakten

Granit Xhaka haut gegen Polen den Penalty links am Tor vorbei.
Granit Xhaka haut gegen Polen den Penalty links am Tor vorbei.
Bild: Jason Cairnduff/REUTERS

Wie, die Schweiz ist noch schlechter als England? Knallharte Fakten zum Penaltyschiessen

Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) hat die Penaltyschiessen an grossen Turnieren genau unter die Lupe genommen und einige Mythen überprüft. Zum Beispiel, ob England auch faktisch am schlechtesten ist oder ob der erste Schütze auffallend oft verschiesst.
01.07.2016, 19:0202.07.2016, 11:36
Donat Roduner
Donat Roduner
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Penaltyschiessen sind eine tolle Angelegenheit: hochspannende Duelle, die auch den gestandenen Profis mental alles abverlangen und zwangsläufig die Entscheidung bringen. Wäre nicht der Aspekt, dass es allzu oft nach schwachen Spielen dazu kommt – oder kommen muss –, wäre der Ruf der Elfmeterentscheidung deutlich besser.

Weil vom Punkt nicht primär der Fuss, sondern der Kopf des Schützen über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, geistern einige statistische Mythen herum. Achim Dreis von der FAZ hat sich die Mühe gemacht und nach der diesjährigen Gruppenphase sämtliche Penaltystatistiken der bisherigen Fussball-Grossanlässe (EM und WM) aufgeschlüsselt (die zwei Penaltyschiessen der Polen inklusive). Wir präsentieren die erstaunlichsten Erkenntnisse:

Erfolgsquote: 75 Prozent

An Grossanlässen ist es, Stand heute, in 43 Fällen zum Penaltyschiessen gekommen (EM 17x, WM 26x). 416 Penaltys wurden geschossen, 313 davon landeten im Tor. Bis jetzt fanden also ziemlich genau drei Viertel aller Versuche den Weg ins Netz. Granit Xhakas Fehlschuss gegen Polen war der 102. der Geschichte.

Drin! Ricardo Quaresma lässt Lukasz Fabianski im polnischen Tor keine Chance und sichert Portugal das Weiterkommen.
Drin! Ricardo Quaresma lässt Lukasz Fabianski im polnischen Tor keine Chance und sichert Portugal das Weiterkommen.Bild: Michael Sohn/AP/KEYSTONE

Die Erfolgsquote der Siegerteams liegt sogar bei 89 Prozent, sie haben 189 von 212 Penaltys verwertet. Die Verlierer haben dagegen von 195 nur deren 117 gemacht (61 Prozent).

Dem ersten Schützen zittern doch die Knie

Man müsste meinen, auf dem ersten Schützen lastet extra viel Druck, weil er mit einem Tor das Elfmeterschiessen in eine gute Bahn lenken kann, ja muss. Das mag zutreffen, ein negativer Einfluss lässt sich aber nicht nachweisen: Wer sich den Ball als erster zurechtlegt, versagt nur in 9 von 43 Fällen. Das entspricht einer Erfolgsquote von 79 Prozent: Sie ist also sogar leicht über dem Durchschnitt.

Auffallend häufig scheitert der achte Schütze, so wie der Pole Jakub Blaszczykowski gestern gegen Portugal. Dem Achten versagen in 45 Prozent (!) der Fälle die Nerven.

Das ganze Penaltyschiessen Polen – Portugal.
streamable

Den Besten zuletzt schiessen lassen

Als Trainer den sichersten Penaltyschützen bis zum Schluss aufzusparen, ist eine einleuchtende Strategie, die allerdings überdacht werden sollte. In 24 Fällen (55 Prozent) ist der letzte Schütze nämlich gar nicht mehr zum Einsatz gekommen.

Insofern ist es das Naheliegendste, den Star mit dem absoluten Penalty-Killerinstinkt als einer der ersten drei Schützen zu nominieren, die kommen nämlich in jedem Fall zum Einsatz. Drei Mal ist es bisher vorgekommen, dass die Endausmachung bereits nach sieben Schützen zu Ende war, unter anderem an der WM 2006, als die Schweiz bekanntlich an der Ukraine scheiterte.

Ausgleichstreffer = psychologischer Vorteil?

Es heisst ja, dass das Team, das im Verlauf des Spiels ausgleichen konnte, mental im Vorteil sei, wegen dem «Momentum» und so. Auswirkungen auf das Penaltyschiessen lassen sich statistisch aber definitiv keine aufzeichnen.

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Die bisherige EM-Stichprobe ist ziemlich akkurat: Portugal hat gegen Polen das 1:1 erzielt und das Penaltyschiessen gewonnen, der Schweiz ist gegen denselben Gegner im Achtelfinal dagegen nur Ersteres geglückt. Insgesamt ist der Fall absolut ausgeglichen: 12 Mal gewann das Elfmeterschiessen das Team, das den Ausgleich erzielte, 12 Mal jenes, das in Führung gelegen hatte. Satte 19 Mal stand es auch nach der Verlängerung noch 0:0.

England ist (fast) am schlechtesten

Wenn nach dem schlechtesten Penalty-Team gefragt wird, werden intuitiv die Engländer genannt. Und da ist definitiv etwas dran: Mit einem Drittel verschossenen Penaltys ging England an Grossanlässen in sechs von sieben Fällen als Verlierer aus Elfmeter-Entscheidungen hervor. Ganz tragisch das Ausscheiden an der WM 2006, als sich Portugal (trotz zweier Fehlschüsse) durchsetzte.

Aber bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass die Schweiz eine noch schlechtere Bilanz hat als die «Three Lions»: 2 Penaltyschiessen, keins gewonnen und dazu von 8 Schüssen gerade einmal 4 versenkt. Es wäre darum schön, wenn wir am nächsten Grossanlass mal eines für uns entscheiden würden ...

Als richtig gute Teams sind Italien und Deutschland zu nennen. Die Italiener behielten bisher in 5 von 8 Penaltyschiessen die Nerven, die Deutschen gar in 5 von 6 Fällen. Es wäre also spannend zu sehen, was im Viertelfinal vom Samstag nach Gleichstand nach Verlängerung passieren würde.

Jetzt aber fertig mit Psychologie und so: Wie schiesse ich Penaltys richtig?

Jeder der schon einmal zu einem Elfmeter angelaufen ist, weiss, dass es grundsätzlich gar nicht so schwierig ist, am Goalie vorbei ins Netz zu treffen. Verlässlich zeigen sich zwei Ansätze: Entweder man schiesst so präzise, dass der Torhüter auch dann keine Chance hat, wenn er die Ecke ahnt, oder man behält im Anlauf so lange die Nerven, bis man sieht, für welche Ecke sich dieser entschieden hat – und schiesst dann in die andere.

Aber eben, es gibt einen Grund, wieso auch die Nationalmannschafts-Grössen, die in ihren Klubs Millionen verdienen, in 25 Prozent der Fälle an dieser einfachen Aufgabe scheitern: den Kopf.

Der irische Goalie Shay Given hat keine Chance: Gaizka Mendieta erwischt ihn an der WM 2002 auf dem falschen Fuss.
Der irische Goalie Shay Given hat keine Chance: Gaizka Mendieta erwischt ihn an der WM 2002 auf dem falschen Fuss.Bild: AP

Der unbestrittene Penalty-König in meiner Wahrnehmung ist und bleibt Gaizka Mendieta. Der Valencia-Regisseur war vom Punkt die Verlässlichkeit in Person. Entgegen dem Internet-Mythos hat er aber einen seiner (gemäss Transfermarkt) 29 Elfmeter verschossen: 2000 im Cup gegen Oviedo (zu seiner Verteidigung: Den zweiten Penalty in dem Spiel hat er verwandelt).

Falls du meinst, einen noch souveräneren Penaltyschützen zu kennen, äussere dich gerne in den Kommentaren!

Anschauungsunterricht:

Nicht ganz so souverän:

Als Flitzer noch nackt waren, waren sie wenigstens noch ein bisschen cool

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Als Flitzer noch nackt waren, waren sie wenigstens noch ein bisschen cool
Sollte das witzig sein? Ein Zuschauer stürmt in der Verlängerung des EM-Viertelfinals zwischen Polen und Portugal auf den Rasen.
quelle: x01095 / kai pfaffenbach
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Für die Schweiz hat Johan Djourou 76 Länderspiele absolviert. Der 37-Jährige ist heute in Frankreich und in der Romandie TV-Experte und sagt: «Gewisse Dinge hat Xhaka mit Yakin nicht gefunden. Aber den Trainer entlassen? Nein, das ist keine Frage für mich. Er ist da. Punkt. Schluss.»

Nach Stationen in England (Arsenal, Birmingham), Deutschland (HSV, Hannover), in der Schweiz (Sion, Xamax), der Türkei (Antalyaspor) und Dänemark (Nordsjælland) trat Johan Djourou mit 34 Jahren als Fussballer zurück. Heute wohnt er in Genf, hat drei Töchter. Im Lancy FC ist der 37-Jährige mit dem UEFA-B-Diplom Trainer der C-Junioren, er hat eine Firma für Online-Marketing und zwei weitere Unternehmen, mit denen er Popcorn herstellt und Mate-Getränke verkauft. Zum Gespräch im Hotelzimmer in Dublin erscheint Djourou in Sportkleidung, es geht nachher ins Fitness.

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