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Am Ende von 120 mehrheitlich zähen, intensiven, mitunter dramatischen Minuten reduzierte sich der Klassiker zunächst auf ein Duell 5 vs. 5 und einen Showdown der vorübergehend Entnervten. Sechs der ersten zehn Schützen verschossen, unter ihnen Schwergewichte wie Bonucci, Müller und Schweinsteiger.
Erst in der Zusatzschlaufe des Penaltyschiessens kamen die Akteure primär auf deutscher Seite wieder zur Besinnung – Hummels, Kimmich, Boateng und Hector widerstanden dem immensen Druck, derweil Bayern-Keeper Manuel Neuer Darmians Schuss pariert und so die Halbfinal-Türe weit geöffnet hatte.
Ausgerechnet der Kölner Jonas Hector, erst seit August 2014 Bundesliga-Spieler und während Jahren von keinem DFB-Radar erfasst, stoppte Italien endgültig und verhinderte den fünften Erfolg Italiens gegen Deutschland in einem Knock-out-Spiel in Folge.
Schon vor dem dramatischen Höhepunkt hatten die Protagonisten beidseits schwer gelitten. Der auch sporthistorisch bedingt als Kampf der Giganten apostrophierte Vergleich kostete Kraft. Die im Schnitt drei Jahre jüngeren und etwas mutigeren Deutschen bemühten sich eine Spur mehr um eine Entscheidung innerhalb von 120 Minuten.
Deutschland siegt im Turnier-Modus nicht nur öfter als die meisten übrigen Fussball-Nationen, die Nummer 1 der letzten WM ist auch ein Meister der Flexibilität und demonstrierte Nehmer-Qualitäten. Nach 16 Minuten verlor die Equipe von Joachim Löw verletzungsbedingt Sami Khedira, den neben Toni Kroos wichtigsten Mann für die spielerische Balance.
Bastian Schweinsteiger, in Rio vor zwei Jahren Held und Schwerarbeiter, in der bisherigen Kampagne aber nur noch ein Captain ausser Dienst, füllte die Lücke aus. Die umgruppierten Deutschen erkämpften sich nach langem Anlauf das 1:0 von Mesut Özil (65.), das ihnen erst in der 78. am Elfmeterpunkt (Bonucci) entglitt. Die Champions steckten alles weg – letztlich sogar drei Fehlschüsse im Penaltyschiessen.
Wenn sich in einem EM-Viertelfinal zwei vierfache Weltmeister begegnen, die sich in der Regel auch über ihre perfekte Organisation definieren und zwei unbestrittene Welttorhüter die Strafraumbeherrschung übernehmen, dann ist im Prinzip per se nicht mit einem grenzenlosen Spektakel zu rechnen.
Italien bot der DFB-Auswahl vor allem in den ersten 45 Minuten nahezu keinen Spielraum an. Und die Deutschen ihrerseits, in den vier Partien zuvor in der eigenen Zone makellos, hatten mit taktischen Retouchen die Mittelfeldachse zusätzlich stabilisiert und liessen sich zu keinem Zeitpunkt vom gefürchteten Überfallkommando um Graziano Pellè überraschen.
Rasenschach kommt in solchen Fällen deutlich vor rauschender Abendunterhaltung. Doch manchmal verändert eine einzige Szene alles, und die Vorgaben der Trainer verflüchtigen sich. Özils 1:0 (65.) beschleunigte den Spielfilm markant. Löws couragierte Elf legte sofort nach, Gomez zwang Buffon mit einem verwegenen Absatztrick zum ersten Big Save des Abends.
Die «Squadra Azzurra» taumelte während rund zehn Minuten erheblich, der deutsche Aufschwung war greifbar. In jener Phase spürten sie mutmasslich jedes einzelne ihrer 325 Jahre des Line-ups. Ein Wimpernschlag fehlte zum Einbruch, ehe die angezählten Italiener unter Druck das Comeback inszenierten: Eine Unachtsamkeit Boatengs genügte, eine falsche Handbewegung reichte – Penalty, Leonardo Bonucci trat an, 1:1.
Bundestrainer Löw hatte anstelle des gegen die Slowakei starken Torschützen Julian Draxler Benedikt Höwedes in die Anfangsformation beordert. In der Abwehr setzte Löw damit wie beim 4:1-Sieg im Testspiel im März gegen die Italiener auf eine Dreierkette mit Höwedes, Jérôme Boateng und Mats Hummels.
Der Weltmeister-Trainer sah sich jedoch bereits nach 15 Minuten zu einem Wechsel gezwungen, da Sami Khedira wegen einer Adduktorenverletzung am linken Bein nicht mehr weiterspielen konnte. Für ihn kam Bastian Schweinsteiger aufs Feld, der sogleich von Neuer die Captain-Binde erhielt.
Italiens Nationaltrainer Antonio Conte seinerseits liess seine Mannschaft wie in den vier EM-Spielen zuvor im bewährten 3-5-2-System agieren. Anstelle des angeschlagenen Routiniers Daniele De Rossi kam der 23-jährige Stefano Sturaro zu seinem vierten Länderspieleinsatz.
Deutschlands Gegner im EM-Halbfinal am kommenden Donnerstag in Marseille ist entweder der Gastgeber Frankreich oder das Überraschungsteam aus Island. Die letzte Viertelfinalpartie findet am Sonntagabend in Saint-Denis statt (21.00 Uhr). (ram/pre/sda)
Deutschland – Italien 7:6 (1:1, 0:0) n.P.
Bordeaux. 38'764 Zuschauer. SR Kassai (HUN).
Tore: 65. Özil (Hector) 1:0. 78. Bonucci (Handspenalty) 1:1.
Penaltyschiessen: Insigne 0:1, Kroos 1:1, Zaza (drüber), Müller (Buffon hält), Barzagli 1:2, Özil (Pfosten), Pellè (daneben), Draxler 2:2, Bonucci (Neuer hält), Schweinsteiger (drüber), Giaccherini 2:3, Hummels 3:3, Parolo 3:4, Kimmich 4:4, De Sciglio 4:5, Boateng 5:5, Darmian (Neuer hält), Hector 6:5.
Deutschland: Neuer; Höwedes, Boateng, Hummels; Kimmich, Khedira (16. Schweinsteiger), Kroos, Hector; Müller, Özil; Gomez (72. Draxler).
Italien: Buffon; Barzagli, Bonucci, Chiellini (121. Zaza); Florenzi (86. Darmian), Sturaro, Parolo, Giaccherini, De Sciglio; Eder (108. Insigne), Pellè.
Bemerkungen: Deutschland komplett, Italien ohne Candreva, De Rossi (beide verletzt) und Thiago Motta (gesperrt). 16. Khedira verletzt ausgeschieden. 72. Gomez verletzt ausgeschieden. Verwarnungen: 56. Sturaro (Reklamieren). 57. De Sciglio (Foul). 59. Parolo (Foul). 90. Hummels (Foul/im Halbfinal gesperrt). 91. Pellè (Foul). 103. Giaccherini (Handspiel). 112. Schweinsteiger (Unsportlichkeit).
Aber die Deutschen haben es grundsätzlich verdient, haben mehr fürs Spiel gemacht und das Glück damit verdient.