Sport
EM 2016

Warum Wales und Island an der EM überraschen

Wales spielt und jubelt als Einheit.
Wales spielt und jubelt als Einheit.Bild: Martin Meissner/AP/KEYSTONE

Dass Island und Wales an der EM überraschen, hat Gründe – das gemeinsame Klatschen ist es nicht

Wir Schweizer verfolgen die EM zuhause vor den Bildschirmen und müssen neidisch mitansehen, wie Wales und Island die Überraschungen sind, die wir gerne wären. Was haben die zwei Teams, was wir nicht haben?
02.07.2016, 11:4902.07.2016, 14:52
Donat Roduner
Donat Roduner
Folge mir
Mehr «Sport»

Teamgeist, Zusammenhalt, Solidarität, Einheit, Kampfgeist. Es sind ähnliche Begriffe, die stets im Zusammenhang mit Überraschungen im Fussball genannt werden. Sie sind auch an der EM zutreffend, um die Phänomene Island und Wales zu erklären, aber sie reichen noch nicht aus, um zu erklären, warum diese zwei Teams Erfolg haben und beispielsweise die Schweiz nicht.

Ähnlicher Erfolg, ähnlicher Jubel

Wales.
Wales.
Bild: Carl Recine/REUTERS
Island.
Island.
Bild: Michael Dalder/REUTERS

Die hiesige Nationalmannschaft hat sich in Frankreich viel erhofft. Berechtigterweise, ist man geneigt zu sagen. Doch wie so oft hat das vielzitierte «nötige Wettkampfglück» gefehlt. Trotz guter Leistungen war nach dem Penaltyschiessen im Achtelfinal gegen Polen Schluss.

Individuell inferior

Die «Drachen» und die «Wikinger» dagegen sind die Überraschungen, die wir gerne wären. Sie schafften es beide in die Viertelfinals – Letztere stehen nach dem Coup gegen Belgien gar schon im Halbfinal – und das mit Teams, die objektiv nicht die Qualität des helvetischen Ensembles haben. 

Public Viewing mit watson
Lust auf ein Public Viewing in Zürich? watson ist Partner der Veranstaltungen beim Glatten Köbi und der Amboss Rampe. Ein Besuch lohnt sich!
Was ist die grössere Überraschung?

Überlegen wir mal, welche Spieler von Wales und Island die Nati effektiv besser machen würden? Unbestritten Real-Superstar Gareth Bale, in der aktuellen Form ist er eine Bereicherung für jedes Team. Techniker wie Gylfi Sigurdsson oder Aaron Ramsey könnten sich bei den Schweizern wohl auch behaupten. Und Innenverteidiger wie Ragnar Sigurdsson, Ashley Williams oder Ben Davies würden wir mit Handkuss nehmen. Aber dann ...? Schwierig.

Ragnar Sigurdsson (r.) gewinnt ein Kopfballduell gegen Englands Gary Cahill.
Ragnar Sigurdsson (r.) gewinnt ein Kopfballduell gegen Englands Gary Cahill.Bild: Kai Pfaffenbach/REUTERS

Die individuelle Klasse hebt die Waliser und Isländer definitiv nicht von den Schweizern ab – im Gegenteil. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist es aber auch nicht, denn diesbezüglich hat das Team von Vladimir Petkovic an der EM überzeugt, was an anderer Stelle bereits ausgeführt worden ist. Im Gegensatz zu anderen Jahren ist die Schweizer Multikulti-Truppe zu einer Einheit zusammengewachsen.

Für 90 Minuten alles andere egal

Sicher ist es bei den Walisern und den Isländern einfacher, ein homogenes Team zu formen, weil die ethnischen Hintergründe – besonders bei den Nordländern – nicht so divers sind wie bei den Schweizern. Aber das bringt die Exploits auch noch nicht auf den Punkt.

Ihren Übernamen entsprechend verhalten sich die walisischen Drachen auf dem Feld wie wildgewordene, feuerspeiende Riesenechsen und die isländischen Wikinger wie unzerstörbare, bärtige Seefahrer, die gerne Dörfer überfallen, ohne Gefangene zu nehmen. Für jeweils 90 Minuten geben sich sämtliche Spieler komplett dem Fussball hin. Jeder Zweikampf wird so geführt, als würde der ganze Stolz des eigenen Stammes davon abhängen.

Ein Defensivverhalten, wie es die Belgier beim 2:1 durch Hal Robson-Kanu an den Tag gelegt haben, wird man bei Wales und Island an dieser EM nicht zu sehen bekommen. Bei beiden wird auf dem Platz alles dem Nationalteam untergeordnet. Verletzungen, die Klubkarriere, die Freundin, das Instagram-Profil – alles egal. Was zählt, ist nur der Sieg!

Beispiel von Einsatz: Die Waliser werfen sich gegen Belgien in jeden Schuss.streamable

Inspiration

Jeder Spieler weiss, dass jeder gelaufene Meter der entscheidende sein kann und daher wird keine Sekunde eingeteilt. Jeder Zweikampf wird angenommen und mit einer fairen Härte bestritten. Gekämpft wird bis zur Auswechslung oder bis zum Schlusspfiff, Umfallen kommt nicht infrage. Genau diese Leidenschaft ist es im Übrigen auch, die den, nennen wir ihn mal «Fussball der bescheidenen Mittel», so sehenswert macht.

Den Hatern, die jetzt denken «die Schweizer haben aber auch gekämpft, schau doch nur den Behrami an, oder Xhaka», sei gesagt: Haben sie! Manchmal sehr überzeugend sogar. Aber eben nicht mit derselben Konsequenz wie Wales oder Island. In diesem Belangen können sich die Schweizer noch eine Scheibe abschneiden. Zur Inspiration gibt es noch mindestens zwei Spiele: morgen den Viertelfinal der Isländer gegen Gastgeber Frankreich und den Halbfinal der Waliser gegen Portugal am Mittwoch.

Schafft Island die erneute Sensation und bodigt auch Frankreich?

Wikinger in Ekstase: Island marschiert sensationell in den EM-Viertelfinal

1 / 13
Wikinger in Ekstase: Island marschiert sensationell in den EM-Viertelfinal
Eine der grössten Sensationen der Fussball-Geschichte: Island steht nach einem 2:1 gegen England im Viertelfinal der EM 2016.
quelle: epa/mti / tibor illyes
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Aufblasbare Antonio Banderas Liebespuppe
02.07.2016 13:08registriert Mai 2015
Island hat mich schon mehr überrascht. Von Island kannte ich nur Bjarnason und das wohl auch nur weil er bei Basel spielt. Drücke aber beiden die Daumen. Was wäre das für ein Finale!
321
Melden
Zum Kommentar
avatar
SuicidalSheep
02.07.2016 12:52registriert August 2015
Ich hoffe Island schafft morgen die Sensation! Es macht so Spass Island und Wales zuzusehen! Eine willkommene Abwechslung zu der Defensivstrategie der grossen Teams oder das "Alle Bälle zu Ronaldo statt selbst zu schiessen" der Portugiesen.
339
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dubio
02.07.2016 12:17registriert Januar 2014
Gut analysiert. Das Gegentor im Spiel gegen Polen hätten weder Island noch Wales gekriegt. Denn im Gegensatz zu unseren Innenverteidiger rennen deren Innenverteidiger nach einem Eckball wie von der Tarantel gestochen zurück an ihre angestammte Position.
211
Melden
Zum Kommentar
15
Was Paris macht, damit Präsident Macron in der Seine baden kann (und alle anderen auch)
Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris im Sommer hat sich die Bürgermeisterin zum Ziel gesetzt, die Seine «bebadbar» zu machen. Sollte das Unterfangen gelingen, will auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris schwimmen.

«Wir werden im Juli in der Seine baden», sagte Paris' Bürgermeisterin Anne Hidalgo Anfang Jahr. Nun bleiben der französischen Hauptstadt noch knapp 100 Tage für ihr tollkühnes Unterfangen, die Seine für die Olympischen Spiele herzurichten. Das erklärte Ziel ist es, den Fluss so sauber zu bekommen, dass Triathlon-Wettkämpfe darin ausgetragen werden können.

Zur Story