Das grösste Lob hatte sich Dieter Hecking bis kurz vor Mitternacht aufgehoben. Der Trainer des VfL Wolfsburg sass im Presseraum des Giuseppe-Meazza-Stadions und beantwortet eine Frage nach der anderen zum 2:1-Sieg seines VfL Wolfsburg im Achtelfinal-Rückspiel der Europa League gegen Inter Mailand und der daraus resultierenden Viertelfinal-Qualifikation. Seine letzten Sätze galten Torhüter und Captain Diego Benaglio. «Er spielt vielleicht seine beste Saison für den VfL», sagte Hecking. Dann verschwand er durch eine Seitentür.
Vielleicht seine beste Saison – das ist ein gewaltiges Kompliment für Benaglio, denn er ist schon lange in Wolfsburg und hat eine Menge erlebt beim VfL. 2009 half er beim Gewinn des Meistertitels, 2011 wäre er beinahe mit dem Klub abgestiegen.
In der laufenden Saison leistet Benaglio einen erheblichen Beitrag dazu, dass die «Wölfe» wohl den inoffiziellen Titel als beste Bundesliga-Mannschaft hinter Bayern München holen werden, was – ganz offiziell – die direkte Qualifikation zur Champions League bedeutet.
Benaglio hatte schon gegen Sporting Lissabon stark gehalten und auch in Mailand war Verlass auf ihn. Mit mehreren Paraden verhinderte er, dass die Wolfsburger um den Einzug in den Viertelfinal zittern mussten nach dem 3:1-Erfolg im Hinspiel.
Vor allem seine Rettungstat gegen Fredy Guarin Sekunden vor dem Pausenpfiff war spektakulär: Wie ein menschlicher Prellbock warf sich Benaglio in Guarins Schuss aus kürzester Distanz und lenkte den Ball über die Latte. «Er ist da, wenn mal einer durchrutscht. Das ist wichtig für die Mannschaft», sagte Trainer Hecking über seinen Torwart.
Zwei WMs und eine EM mit der Schweiz: Benaglio ist so einfach nicht aus der Ruhe zu bringen, auch die teilweise erdrückende Lärmkulisse im mit 42'000 Zuschauern zur Hälfte gefüllten Giuseppe-Meazza-Stadion beeindruckte ihn nach eigenen Angaben nur mässig. «Das war nichts Aussergewöhnliches», sagte Benaglio.
Auch in der Bundesliga sei ja Woche für Woche beste Stimmung. Ausserdem seien die Inter-Fans mit zunehmender Spieldauer ruhiger geworden angesichts der schwindenden Hoffnung, den VfL doch noch aus dem Wettbewerb zu werfen. «Das war ein gutes Zeichen für uns», sagte Benaglio und lächelte.
Vor allem dank Benaglio hat der VfL die Reifeprüfung in Mailand souverän bestanden. Bis zu Daniel Caligiuris 1:0 in der 24. Minute und vor allem nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Rodrigo Palacio 20 Minuten vor Schluss hatten die Wolfsburger ja doch den einen oder anderen Wackler im Spiel. Aber sie wurden schnell wieder stabil.
«Die Mannschaft hat sich geschüttelt und die kurze Drangphase überstanden», sagte Hecking und lobte die Stressresistenz seiner Spieler: «Ein grosser Schritt in der persönlichen Entwicklung» sei der Sieg von Mailand. Die Wolfsburger sind nicht in Panik verfallen. Stattdessen nutzten sie einen ihrer Konter in der Schlussphase zum 2:1 durch den eingewechselten Nicklas Bendtner.
Der Auslosung der Viertelfinals an diesem Freitag sieht der VfL selbstbewusst entgegen. Timm Klose, der für Naldo in der Innenverteidigung im Einsatz stand, kommt nach der Addition der Tore aus Hin- und Rückspiel gegen Mailand zu der Erkenntnis: «Wer Inter 5:2 raushaut, muss sich vor niemandem verstecken.»