Drei Tore, drei Punkte – die meisten Matchbesucher machen sich nach dem lockeren Sieg der Schweizer Nati gegen Estland hochzufrieden auf den Heimweg. Lisbeth M. gehört nicht dazu. Noch Stunden nach dem Schlusspfiff streunt die 17-jährige Appenzellerin völlig aufgelöst über den verlassenen Parkplatz der Swissporarena.
Was ist passiert? Die junge Frau ist sichtlich traumatisiert. Während Lisbeth M. ihre Leidensgeschichte erzählt, wird sie mehrmals von Weinkrämpfen geschüttelt und muss in eine Schweizer Fahne schnäuzen. «Ich hätte nie gedacht, dass die Nati-Spieler so gemein sind. Ich fühle mich beschmutzt», erklärt sie mit brüchiger Stimme.
Die zierliche Brünette arbeitet als Lehrtochter in einer Käserei und interessiert sich eigentlich gar nicht so sehr für Fussball. Trotzdem hat sie ihr Sparkonto geplündert, um die beschwerliche Anreise aus der Ostschweiz zu finanzieren. In ihren Trip hat sie grosse Hoffnungen gesteckt: «Letztens habe ich im Postauto einen alten ‹Blick› gefunden. Da stand drin, dass es in der Nati viele Balkan-Machos gibt. Wir haben bei uns in Appenzell gar keine Ausländer, also hat mich das natürlich ein bisschen geil gemacht. Deshalb habe ich die Reise auf mich genommen.»
Noch auf dem Hinweg ist die Welt von Lisbeth M. völlig in Ordnung. Sie freut sich auf die flegelhaften Nati-Secondos und malt sich die anstehende Begegnung in schillernden Farben aus: «Ich habe extra einen Rock angezogen, bei dem man den Tanga sieht und mich total bitchig geschminkt. Mein Traum war es, dass mich Granit Xhaka als Hure bezeichnet und ins Gesicht schlägt.»
Doch schon kurz nach der Ankunft im Stadion merkt die hoffnungsfrohe Lisbeth M., dass etwas nicht stimmt: «Bei der Nationalhymne wurde ich stutzig. Obwohl meine Familie seit 27 Generationen aus echten Schweizern besteht, kenne ich nur den ersten Satz mit dem Morgenrot. Dann haben einige der Jugos auf dem Feld da plötzlich mitgesungen. Wie kann so etwas sein?»
Nach den drei Toren sinkt die Stimmung bei Lisbeth M. in den Keller: «Ich hatte gehofft, dass da jemand den Albaner-Adler macht, oder zumindest die Aufregung nutzt, um Lichtsteiner mal gepflegt die Fresse zu polieren. Stattdessen haben sich die Balkan-Machos wie Pussys aufgeführt und friedlich zusammen mit den echten Schweizern gefeiert. So etwas ist doch einfach widerlich!»
Doch auch durch diesen Tiefschlag lässt sich die tapfere Appenzellerin nicht entmutigen. Nach dem Schlusspfiff wirft sie sich am Spielerausgang ins Fan-Getümmel. «Ich musste meine Ellbogen benutzen, denn es hatte ziemlich viele Leute. Doch irgendwann hatte ich einen Platz erobert, an welchem mir die Spieler im Vorbeigehen gut ins Gesicht hätten spucken können», erklärt Lisbeth M. ihre Strategie.
Nach einer halben Stunde ist es soweit. Xherdan Shaqiri verlässt als erster das Stadion und steuert direkt auf Lisbeth M. zu. Die Appenzellerin erinnert sich: «Ich war ziemlich aufgeregt. Der ist zwar wirklich verdammt klein, aber das sind ja bekanntlich die Schlimmsten. Ich habe mein Handy gezückt und gehofft, dass er meinen Kopf mit Gewalt gegen seinen Penis drückt. Stattdessen hat er nur lieb in die Kamera gegrinst und mir einen angenehmen Abend gewünscht. Ich war schockiert!»
Auch das Foto mit Granit Xhaka löscht Lisbeth M. sofort wieder, statt es auf Facebook hochzuladen. Der Grund: «Der hatte schönere Ohrringe als ich. Ausserdem hat er sehr gut gerochen, als er mich liebevoll umarmt hat. Ich könnte echt kotzen.»
Aus lauter Verzweiflung versucht Lisbeth M. ihr Glück sogar bei Nationaltrainer Vladimir Petkovic: «Der ist zwar steinalt, aber mir gingen langsam die Optionen aus. Ausserdem sagt mein Vater immer, dass alle Jugos Sauhunde sind. Dann müsste der doch auch etwas zu bieten haben. Aber nein, der hat mich nur vollgelabert. Ich habe kein Wort verstanden, aber seine Stimme klang wie die eines verdammten Sozialarbeiters oder so.»
Entmutigt und gedemütigt bricht Lisbeth M. ihre Unternehmung schliesslich ab. Zwar hat Torschütze Fabian Schär ihr im Vorbeigehen noch kurz auf den Hintern geguckt, doch auch dieses Erfolgserlebnis ist kein Trost: «Ach der, das ist doch ein reinrassiger Bünzli-Schweizer. Davon habe ich zuhause genug. Ich wurde heute echt bitter enttäuscht. Trotzdem werde ich auch in Zukunft alles glauben, was im ‹Blick› steht. Die Nati hat wirklich ein Ausländerproblem! Das Verhalten der Balkan-Machos hat heute ganz klar bewiesen, dass die sich einfach nicht integrieren wollen.»