Irgendwie, so schien es an diesem Donnerstagnachmittag in Sepang im Vorfeld des Grand Prix von Malaysia, wollte sich Fernando Alonso selber bei Laune halten. «Ich bin eine der glücklichsten Personen der Welt. Ja, das bin ich», hatte der Spanier vor versammelter Weltpresse von sich gegeben.
Wie bitte? Die Medienvertreter glaubten, nicht richtig zu hören. Da sitzt der ehrgeizige, vom Erfolg besessene Alonso und spricht von vollendeter Zufriedenheit? Gerade jetzt, in einer Zeit, in der er sich als Angestellter des Teams McLaren mit immensen Problemen konfrontiert sieht? In einer Phase, in der er sich knapp fünf Wochen nach der bei seinem Unfall bei Testfahrten erlittenen Hirnerschütterung körperlich noch nicht wieder vollends auf der Höhe fühlt?
Alonso wollte die Verwunderung im Kreis der Fotografen und Schreiberlinge nicht im Raum stehen lassen. «Ich habe eine grosse Herausforderung vor mir. Ich weiss, dass wir gegenwärtig viel zu weit zurückliegen und wir dafür kritisiert werden. Die Kritik ist berechtigt, denn wir sind nicht auf jenem Level, auf dem wir sein wollen. Das lässt sich im Moment nicht ändern. Es besteht aber kein Grund zur Panik. Es ist ein auf längere Zeit ausgelegtes Projekt, das McLaren und ich verfolgen», schob er nach. Die Vermutung, die Realität verkannt zu haben, erstickte Alonso bei seinen Zuhörern damit im Keim.
Diese Realität ist eine bittere. Die zweite Liaison mit Honda als Motorenpartner steht bislang unter einem schlechten Stern. Die Japaner, zwischen 1988 und 1992 schon einmal mit McLaren verbandelt, haben es nicht geschafft, einen wettbewerbsfähigen Antriebsstrang zur Verfügung zu stellen. Trotz immensem Aufwand ist es den Asiaten nicht gelungen, das komplexe Aggregat den Wünschen entsprechend zu bauen.
Vom Anspruch, ein Spitzenteam zu sein, ist der Rennstall von Ron Dennis derzeit meilenweit entfernt. Alonso sieht die schwierige Situation pragmatisch. «Die ersten Grands Prix in diesem Jahr werden für mich mehr Testfahrten als Rennen sein.»
Zu Übungs- und Vorbereitungszwecken hatte Alonso vor der Saison nicht viel mehr als 500 Kilometer zurückgelegt – eine Distanz, die andere Fahrer an einem einzigen Testtag hinter sich bringen. Für einen geregelten Betrieb waren die Mängel vor allem am Honda-Antrieb zu zahlreich und zu vielfältig.
Verbesserungen in der angedachten Grössenordnung dürften auch in fortgeschrittenem Saisonstadium schwierig werden – ungeachtet dessen, dass die Gralshüter des Internationalen Automobil-Verbandes FIA das Reglement etwas gelockert und den Technikern von Honda durch eine Sondererlaubnis etwas mehr Freiraum für die Entwicklungsarbeit zugestanden haben.
Trotz den tristen Perspektiven ist Alonso nach wie vor davon überzeugt, mit der Rückkehr zu McLaren den richtigen Entscheid gefällt zu haben. Der drohende Absturz ins sportliche Niemandsland vermag an seiner Meinung nichts zu ändern. «Fünf Jahre bei Ferrari waren genug. Ich wollte nicht weiterhin Zweiter oder Dritter sein. Ich will wieder um Siege mitfahren – auch mit dem Risiko, in der ersten Saison nicht vorne mitmischen zu können.»
Der Spanier glaubt also daran, dass sein zweites Engagement beim Traditionsteam aus Woking erfolgreicher verlaufen wird als das erste. 2007 hatte die ursprünglich auf drei Jahre ausgelegte Zusammenarbeit nach zwölf Monaten ein abruptes Ende genommen. Alonso hatte sich mit dem allmächtigen Ron Dennis überworfen, ausserdem war er mit der Situation nicht klar gekommen, dass er mit dem damals 22-jährigen Lewis Hamilton einen Teamkollegen an seiner Seite hatte, der sich in seiner ersten Saison in der Formel 1 trotz seiner Jugend und geringer Erfahrung auf gleichem Niveau bewegte.
Die Überzeugung, mit McLaren dereinst etwas Grosses erreichen zu können, lässt für Zweifel keinen Platz. Mit dem Gedanken, aufgrund technischer Defizite das eigene Potenzial ein weiteres Mal nicht im gewünschten Ausmass in die Waagschale werfen zu können, beschäftigt sich Alonso höchstens am Rande. Der Glaube an eine rosige Zukunft macht den aktuellen, schwierigen Alltag erträglicher. (si)