Verstappen wusste, was auf ihn zukommen wird bei der Rückkehr der Formel 1 nach 36 Jahren in seine Heimat. Er war sich über die Erwartungen seiner Landsleute im Klaren. Er wusste Bescheid über seine Rolle in diesem Drehbuch rund um ihn als Volkshelden, der die Massen mobilisiert und begeistert, der dafür sorgt, dass das Orange als flächendeckende Farbe eine Dimension erreicht, die selbst für Fussball-Länderspiele der Elftal aussergewöhnlich ist.
Verstappen wollte dieses riesige, orangene Menschen-Meer auf den Tribünen nicht enttäuschen. Er wollte für den Abschluss sorgen, den dieses einzigartige Happening in Zandvoort verdient hatte. An diesem Sonntag zählte nur der Sieg – umso mehr sich Verstappen mit der Eroberung der Pole-Position am Samstag die bestmögliche Basis geschaffen hatte.
Die Ausgangslage war also so, wie es das letzte Kapitel der Geschichte rund um die orange Invasion an der und rund um die Strecke an der Nordseeküste aus Sicht der Einheimischen vorgesehen hatte. Hoffnung und Zuversicht beim Grossteil der 65'000 Zuschauer, die die Anlage zu den zwei in Zeiten des Coronavirus erlaubten Dritteln der Kapazität füllten, waren noch einmal gestiegen.
Gehofft, getan. Verstappen spielte seinen Part perfekt. Der immense Druck, der auf seinen Schultern lastete, schien an ihm abzuperlen. Er war von der ersten Sekunde bereit, verteidigte beim Start den Spitzenplatz gegen den neben ihm aus der Frontreihe gestarteten Lewis Hamilton im Mercedes erfolgreich und sorgte damit bereits für eine Vorentscheidung auf einer Strecke, auf der die Möglichkeiten zum Überholen auf ein Minimum begrenzt sind.
Verstappen hielt Hamilton, der im Ziel als Zweiter vor seinem Teamkollegen Valtteri Bottas abgewinkt wurde, zu jeder Zeit sicher auf Distanz. Er und sein Team liessen sich auch durch taktische Manöver nicht aus dem Konzept bringen. Auf die zwei vorgezogenen Zwischenhalte des Briten zum Reifenwechseln reagierten sie bei den Roten Bullen jeweils prompt.
In der Equipe von Red Bull waren sie zumindest auf der einen Seite der Garage zu jedem Zeitpunkt Herr der Lage. Der ungefährdete, überlegene Triumph Verstappens war die logische Konsequenz. Dass diese Dominanz das über 72 Runden führende Rennen zu einer eher langweiligen Angelegenheit machte, musste den Niederländer nicht stören.
Den wunderbaren Tag rundete Verstappen mit der Wiederübernahme der Führung in der WM-Gesamtwertung ab. Dank seinem siebten Sieg in der laufenden Saison wandelte er den Rückstand von drei Punkten auf den zuvor vorne gelegenen Hamilton in einen Vorsprung gleicher Grösse um. Verstappen rückte seinem grossen Traum, als erster Niederländer Formel-1-Weltmeister zu werden, wieder ein kleines Stück näher.
DRIVER STANDINGS: @Max33Verstappen reclaims top spot in the championship after his win at home on Sunday 👀🏆#DutchGP 🇳🇱 #F1 pic.twitter.com/aCdWJEwR2g
— Formula 1 (@F1) September 5, 2021
Hamilton dagegen, der die Übermacht Verstappens ohne Wenn und Aber anerkannte («Max machte einen grossartigen Job. Für uns war er heute zu schnell»), muss sich mit dem 100. Sieg in der Formel 1 weiter gedulden. Das Jubiläum ist zumindest um eine Woche verschoben.
Am kommenden Sonntag steht der Grand Prix von Italien im Programm. Beim Tempobolzen in Monza werden die Karten im Titelduell ein weiteres Mal neu gemischt. Prognosen zu stellen in diesem Wechselspiel ist schwierig. Die Rollenverteilung im nächsten Akt dieses faszinierenden Zweikampfs muss warten.
Für Alfa Romeo Sauber war es ein enttäuschendes Rennen. Antonio Giovinazzi konnte die gute Ausgangslage im Grand Prix der Niederlande nicht nutzen. Der von Platz 7 gestartete Italiener musste sich im Alfa Romeo mit zwei Runden Rückstand mit Platz 14 zufriedengeben.
Vorerst lief es nicht rund, und dann schlug auch noch das Pech zu – die Geschichte von Giovinazzis Auftritt in Zandvoort ist schnell erzählt. Der Italiener musste in der ersten Runde gleich drei Konkurrenten, Fernando Alonso und Esteban Ocon in den Alpine sowie Daniel Ricciardo im McLaren, passieren lassen. Nach Hälfte des Pensums war die Chance auf einen Punktgewinn endgültig dahin. Wegen eines Reifenschadens musste Giovinazzi einen zusätzlichen Zwischenhalt einlegen und fiel ohne Aussicht auf ein zählbares Ergebnis hoffnungslos zurück.
Der Pole Robert Kubica, der kurzfristig für den positiv auf das Coronavirus getesteten Kimi Räikkönen einsprang, klassierte sich in seinem ersten Grand Prix seit fast zwei Jahren unmittelbar hinter Giovinazzi. (sda)