Stürmt der WM-Gastgeber noch weiter? Was Russland vor dem Turnier wohl niemand zugetraut hat, ist eingetroffen: Das Team hat Erfolg. Es ist bis in die Viertelfinals vorgestossen, wo es heute Abend (20 Uhr) auf Kroatien trifft.
Auch dank dieser fünf Figuren:
Tschertschessow wurde im Juli 2016 mit der Referenz als polnischer Meister (mit Legia Warschau) zu Russlands Nationaltrainer erkoren. Als sich die Erfolge in der Vorbereitung nicht einstellten und die Sbornaja die Heim-WM mit sieben sieglosen Spielen in Angriff nahm, war der Schnauz des früheren Bundesliga-Goalies Teil der spöttischen Kampagne in der Öffentlichkeit. Der Wind hat gedreht, plötzlich gilt Tschertschessow als ein guter Taktiker. Seine stoische Ruhe und die Fähigkeit, äussere Einflüsse auszublenden, helfen ihm, die Erwartungen im Rahmen zu halten.
Einst galt der Keeper, der nie für einen anderen Verein als ZSKA Moskau zwischen den Pfosten stand, als eines der grössten Goalietalente Europas. Mittlerweile hat Russlands Captain 110 Länderspiele absolviert, nur Abwehrrecke Sergej Ignaschewitsch kommt auf mehr (126). Akinfejew sorgte immer wieder für Aufsehen, positiv wie negativ. Unglaubliche Paraden waren und sind beim 32-jährigen Moskauer ebenso keine Seltenheit wie unfassbare Fehlgriffe. An der WM war er im Penaltyschiessen des Achtelfinals gegen Spanien mit Paraden gegen Koke und Iago Aspas der Held.
Seine Wurzeln hat Mario Fernandes im brasilianischen Bundesstaat São Paulo. 2011 lehnte er ein Aufgebot für die «Seleção» unter sehr fadenscheinigen Begründungen ab, nach der WM 2014 spielte er in einem Test gegen Japan doch einmal für sein Heimatland. Seit Sommer 2012 lebt und spielt der 27-jährige Aussenverteidiger in Moskau. Beim ZSKA gehört er zu den Publikumslieblingen, obwohl er noch immer kein Russisch spricht und die Hilfe eines Dolmetschers in Anspruch nehmen muss. Im Nationalteam hat sich Fernandes seit dem Debüt im letzten Oktober als erster nicht in einer Republik der ehemaligen Sowjetunion geborener Feldspieler rasch einen Stammplatz erkämpft.
Russlands einziger Feldspieler aus einer europäischen Topliga war den meisten einheimischen Fans vor der WM einzig aus dem TV bekannt. Der Sohn des ehemaligen Legionärs Dimitri Tscheryschew wurde im Nachwuchs von Real Madrid ausgebildet, spricht Russisch mit spanischem Akzent und hat nie für einen Klub in seinem Heimatland gespielt. Einen Namen machte sich der Linksfuss spätestens mit seinen drei Toren in den ersten beiden Gruppenspielen gegen Saudi-Arabien und Ägypten – als Ersatz des verletzten Alan Dsagojew. Gegen Spanien, bei dem einige gut befreundete Akteure aus Real-Zeiten mitspielten, verwandelte Tscheryschew den letzten russischen Penalty.
Mit seinen 1,96 Metern wirkt Artem Dsjuba zuweilen etwas ungelenk. Wie Tscheryschew ist der Stürmer aber bereits dreifacher WM-Torschütze, zuletzt zum 1:1 per Handspenalty gegen Spanien. Dabei hatte es lange Zeit nicht danach ausgesehen, als würde es Dsjuba überhaupt ins russische Kader schaffen. Bei Zenit St.Petersburg gehörte Russlands Topskorer aus der EM-Qualifikation 2016 nicht mehr zum Stamm, aus der Krise half ihm die Leihe zu Ligakonkurrent Arsenal Tula. In zehn Spielen seit Ende Januar traf Dsjuba sechsmal – und machte sich dazu bei Zenit unbeliebt. Er kaufte sich eigenhändig aus einer Vertragsklausel heraus, wonach er gegen den vorherigen Arbeitgeber nicht antreten durfte, und machte mit dem späten Ausgleich zum 3:3 Zenits Hoffnungen auf die Champions League zunichte. (ram/sda/ap)