Eine letzte Frage noch. Schliesslich sind die Gäste aus Brasilien extra wegen ihm und seiner Schweizer Nationalmannschaft angereist. Die Gäste aus Brasilien. Also, Vladimir Petkovic: Wie geht man als Trainer einer Landesauswahl das grosse Spiel gegen das grosse Brasilien an, zumal auf höchster WM-Bühne?
Petkovic ist in aufgeräumter Stimmung an diesem Montag am Zürcher Flughafen. Ein neues Jahr beginnt für das Nationalteam. Ein «Neuanfang» soll es werden. Monate voller Freude, mit viel «Lachen», wie er immer wieder sagt. Natürlich auch wegen Brasilien. Wegen dieses ersten Schweizer WM-Auftritts am 17. Juni. Der schöne Lohn für die Mühen der Qualifikation, für das Leiden im vergangenen Herbst in der Barrage gegen Nordirland.
Jetzt also redet Petkovic drauflos. Wobei er am liebsten eben nicht über Brasilien reden möchte. «Ich rede nur direkt vor dem Spiel über Brasilien», sagt er. Und noch einmal in Erinnerung ruft, dass er sowieso viel lieber über sein Schweizer Team spricht, sich nicht auf Gegner konzentrieren möchte. «Wenn ein anderes Team besser ist – Chapeau. Aber wir konzentrieren uns auf uns.»
Doch dann dieser letzte Satz. Schon fast im Stehen, schon fast auf dem Weg in Richtung Flugzeug, das den Schweizer Tross ins Trainingslager nach Athen fliegt. Der Satz geht so: «Normalerweise sollte Brasilien die Schweiz mit links schlagen.» Ein Satz der puren Ehrlichkeit? Oder einfach Understatement? Natürlich, die Schweiz hat sich noch nie unwohl gefühlt in der Rolle des Aussenseiters. Aber gerade so defensiv?
Die Zuhörer erinnern sich wieder an den letzten Herbst, als Petkovic den Europameister Portugal dominieren wollte. Es kam anders. Und vielleicht ist dieser Satz jetzt ja gerade deshalb gut, weil er in Erinnerung ruft, dass Brasilien an normalen Tagen ausser Reichweite liegt. Egal, ob Superstar Neymar gerade noch rechtzeitig zur WM zurück ist oder verletzt passen muss.
Die Gäste aus Brasilien sind jedenfalls zufrieden mit dem Schweizer Nationaltrainer. Und vielleicht haben sie auch noch Petkovics Ergänzung registriert: «Wir werden alles daransetzen, eine grosse Überraschung des Turniers zu werden.»
Drei Monate dauert es noch, bis die WM beginnt. Drei Monate, in denen für Petkovic und die Schweizer Fans vor allem zwei Dinge zentral sind: Erstens, dass sich niemand der Stammkräfte verletzt. Und zweitens, dass diese auf einigermassen genügend Einsatzzeit kommen.
So sicher ist das nicht. Xherdan Shaqiri beispielsweise ist bei diesem ersten Zusammenzug nicht dabei. Ob die Probleme mit seiner Wade wirklich tiefgreifend sind, ist fraglich. Logisch, möchte Stoke City nicht auf ihn verzichten im Abstiegskampf. Und ihm jetzt eine Ruhepause verordnen. Zu gut spielte Shaqiri im 2018. Was ja eigentlich eine gute Nachricht ist. Ein bisschen beunruhigt ist Petkovic trotzdem
Dasselbe gilt betreffend die Einsatzzeiten. Es gibt einige, die im Klub Probleme haben. Schär, Djourou und Seferovic an erster Stelle. In dieser Beziehung gibt sich der Nationaltrainer aber entspannt. Er betont sogar: «Es ist interessant: Einigen Spielern gelang es zuletzt stets, aus der Nationalmannschaft Energie und Selbstvertrauen zu tanken.» Vielleicht auch jetzt wieder
Der Aufgalopp ins WM-Jahr findet in Griechenland statt. Drei Tage Training und Theorie. Am Freitag dann das Spiel in Athen. Nächsten Dienstag der zweite Test in Luzern gegen Panama. Es sollen zwei Partien zur Annäherung an die WM-Gegner Serbien und Costa Rica sein.
Vier Monate ist es her seit der nervenaufreibenden WM-Barrage gegen Nordirland. Vier Monate, in denen die Vorfreude auf die WM auch beim Nationaltrainer wachsen konnte. «Auch wenn der Kopf sagt, die WM ist noch weit weg, ich spüre die Begeisterung in mir langsam aufkommen. Nach Nordirland hat die Erleichterung dominiert. Aber wir alle waren müde. Das ist jetzt anders.»
Bleibt für den Moment nur noch ein Wunsch. Petkovic sagt, natürlich mit kräftigem Lachen untersetzt: «Wir hoffen schon sehr darauf, dass in Griechenland etwas die Sonne scheint. Das macht eine Vorbereitung viel angenehmer.»