Shaqiri? Kein Wort über ihn! Als Liverpools Teammanager Jürgen Klopp am Freitag im Trainingszentrum Melwood zur Pressekonferenz erscheint, brennen den Journalisten viele Fragen auf den Nägeln: Ist Captain Henderson fit? Was für eine Rolle spielt Sturridge in Klopps Plänen? Ist der neue Goalie Alisson bereit?
20 Minuten lang werden Personalien auf und ab diskutiert, Shaqiri aber wird kein einziges Mal erwähnt. Das muss indes kein schlechtes Zeichen sein. 48 Stunden vor dem Kickoff zum Heimspiel gegen West Ham United sind auch die Superstürmer Mohamed Salah, Roberto Firmino und Sadio Mané kein Thema.
Und ohnehin hat Klopp in den vergangenen Wochen ja deutlich genug zum Ausdruck gebracht, was er von Shaqiri hält. Dem dritten Schweizer im Trikot des FC Liverpool nach Stéphane Henchoz und Philipp Degen.
Klopp hat erzählt, wie Shaqiri nach der Vertragsunterzeichnung gleich dableiben und trainieren wollte, obwohl er noch Ferien zugute hatte. Und er hat den Spieler dafür gelobt, wie dieser bloss vier Tage gebraucht habe, um sich im Liverpooler Spiel zurechtzufinden. «Nicht normal», hat Klopp gesagt.
Liverpooler Medien gehen trotzdem davon aus, dass sich im Sturm vorerst nichts ändert. Sie fragen sich allerdings, ob Klopp auf einer anderen Position ein Plätzchen für Schnäppchen-Shaqiri findet. Oder sogar das System in ein 4-2-3-1 modifiziert mit Firmino als Spitze, Salah und Mané auf den Flügeln und Shaqiri im Zentrum.
Wie auch immer: Der Schweizer, der im Oktober 27 Jahre alt wird und in Liverpool einen Fünfjahresvertrag erhielt, wird bei den Reds angesichts des chargierten Pensums zu seinen Einsätzen kommen. Wenn er denn gesund bleibt.
Die Hoffnung: Sind Verletzungen in Shaqiris Laufbahn in früheren Jahren immer mal wieder ein Problem gewesen, so ist er in der vergangenen Saison bei Stoke City von Muskelbeschwerden verschont geblieben und konnte sich mit insgesamt acht Toren und sieben Assists für die grossen Klubs empfehlen.
Wie Liverpool. Der 18-fache englische Meister und fünfmalige Meistercup/Champions-League-Sieger, ist unter Jürgen Klopp wieder zu einem Schwergewicht des Klubfussballs geworden. Mit Transferinvestitionen von 180 Millionen Euro hat der Klub in diesem Sommer gewaltige Anstrengungen unternommen, die Lücke zu Manchester City zu schliessen, um erstmals seit 1990 Meister zu werden.
Weil Shaqiri in seinem Vertrag mit Stoke eine Ausstiegklausel hatte und nur 17.5 Millionen Franken kostete, war er für Liverpool tatsächlich ein Schnäppchen. Experten haben diesen Transfer gar als den besten bezeichnet, was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Shaqiri sei jetzt schon 39 Millionen Euro wert.
Denn vielversprechender hätte Shaqiri nach Basel, Bayern, Inter und Stoke nicht in seine fünfte Profi-Ära starten können. Gleich im ersten Spiel, einem Test gegen Manchester United, jagte er die Kugel mit einem Fallrückzieher ins Netz, der jenem Traumgoal bei der EM 2016 in Nichts nachsteht.
Shaqiri, das Schweizer Jahrhunderttalent, kann es schaffen, nach seinem steilen Aufstieg zu Bayern und ein paar kräftigen Dellen danach, seiner Karriere noch einmal richtig Schub zu geben und sie auf ein Level zu hieven, das seinem Selbstverständnis entspricht. Voraussetzung dafür ist, dass er gesund bleibt und sich als ideale Werbefigur nicht zu sehr von äusseren Einflüssen vereinnahmen lässt.
Dann wird auch der einfach gestrickte Shaqiri-Kritiker Gary Neville Abbitte leisten müssen. Weil dieser eine Wette gegen den früheren Liverpool-Star Jamie Carragher verloren hat, muss er demnächst in dessen Premier-League-Fernsehshow ein Shaqiri-Shirt tragen. Und, so hoffen wir schwer, seinen Lieblingsfeind in den höchsten Tönen für einen spektakulären Einstand loben.