Thomas Müller ist zu Scherzen aufgelegt: «Ich bin der Pressebeauftragte von Philipp Lahm», frotzelt der Bayern-Stürmerschlaks an der Pressekonferenz am Montag. Gelächter unter der versammelten Journalistenschar. Die Stimmung ist scheinbar unbeschwert an diesem Aprilvormittag an der Säbener Strasse. Dabei steht der FC Hollywood vor einer der schwierigsten Aufgaben in der an Herausforderungen nicht gerade armen Klubgeschichte.
1:3 lautete das Resultat aus dem Hinspiel in Porto. Regelrecht überrannt wurden die Bayern in den ersten Minuten. Zuerst verlor Mittelfeldstratege Xabi Alonso die Übersicht und den Ball, dann liess sich Innenverteidiger Dante als hinterster Mann übertölpeln. Aus zwei individuellen Fehlern resultierten zwei Gegentore. In der Folge rannten die Rot-Weissen dem Rückstand hinterher.
Zwar gelang Thiago in der 28. Minute der Anschlusstreffer und damit das wichtige Auswärtstor. Mitte der zweiten Halbzeit aber unterlief der sonst so zuverlässige Jérôme Boateng einen weiten Ball – und Portos Starstürmer Jackson Martinez nahm das Geschenk dankend an.
Immerhin: Die Generalprobe fürs Rückspiel ist den Münchnern am Wochenende geglückt. In der Liga liess man dem FC Hoffenheim auswärts keine Chance. Ergänzungsspieler Sebastian Rode nutzte seine Chance und markierte das 1:0, bevor Unglücksrabe Andreas Beck mit einem Eigentor für den 2:0-Endstand besorgt war.
Ein 2:0 wäre auch das bevorzuge Ergebnis am Dienstag im Champions-League-Rückspiel. Die Bayern müssen mindestens zwei Tore erzielen, schiesst der FC Porto ein Tor, dann sind es mindestens drei Tore – um überhaupt in die Verlängerung zu kommen. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt: Seit Einführung der Champions-League gelang es sechs Teams, ein Zwei-Tore-Defizit aufzuholen. Zuletzt dem FC Chelsea vor Jahresfrist im Viertelfinal gegen Paris St.Germain.
Müller schätzt die Chancen auf ein Weiterkommen realistisch ein: «Ein 2:0-Heimspielerfolg wäre für den FC Bayern kein Fussball-Weltwunder, aber es muss natürlich erstmal passieren.»
Hätte Müller im Champions-League-Almanach aber den FCB nachgeschlagen, dann wüsste er: Zumindest ein kleines Fussball-Weltwunder müsste sich schon ereignen, damit der Stern des Südens auch im Halbfinal aufgehen kann. Die Bayern haben es nämlich noch nie geschafft, ein Zwei-Tore-Rückstand wettzumachen. In vier Versuchen scheiterten die Bajuwaren vier Mal, das letzte Mal 2005 im Viertelfinal gegen Chelsea, als man das Rückspiel zwar mit 3:2 für sich entscheiden konnte, die 2:4 Hypothek aus dem Hinspiel aber zu schwer wog.
Trainer Pep Guardiola warnt denn auch vor übertriebener Euphorie: «Natürlich bin ich 100-Prozent optimistisch, aber auch realistisch. Ein 1:3 aufzuholen in der Champions League ist nicht einfach.»
Die Portugiesen verspielten nur einmal in ihrer Europacup-Historie einen Zweitore-Vorsprung aus dem Hinspiel noch: 1980 im UEFA-Cup gegen die Grasshopper.
Mit welchem Plan die Hausherren in der Allianz Arena auftreten werden, wollten sie vor den Medien nicht verraten. Nur soviel: «Wir werden anders attackieren müssen», liess Müller die Presseschar wissen. Wie? «Das will ich hier noch nicht verraten.» Und: «Wir dürfen nicht überdreht ins Spiel gehen. Wir müssen klug spielen – nicht Kamikaze nach vorne rennen».
Auch wenn Arzt und Bayern-Urgestein Hans Müller-Wohlfahrt nach dem Hinspiel im Estádio do Dragão das Stethoskop schmiss: Das FCB-Lazarett ist nicht mehr ganz so voll besetzt wie noch vor einer Woche. Wieder mit von der Partie sind:
Nur hinter dem Einsatz von Franck Ribery steht noch ein Fragezeichen. Der Franzose laboriert noch immer an einer Knöchelverletzung, das letzte Pflichtspiel datiert vom 11. März. «Ich denke, er kann nicht spielen», sagte zwar Pep Guardiola an der Pressekonferenz. Ganz ausschliessen will der Spanier das Mittun des Flügelflitzers aber nicht.
So sieht das Bayern-Lazarett aus:
Auch der FC Porto kann nicht aus dem Vollen schöpfen: Die etatmässigen Aussenverteidiger Danilo und Alex Sandro sind gelbgesperrt. Dafür rückt Verteidiger Iván Marcano wieder ins Aufgebot, nachdem er im Hinspiel eine Sperre absitzen musste. Ihrerseits schonten die Portugiesen am Wochenende ihr Stammpersonal im Ligabetrieb. Mit der zweiten Garde (neun Stammspieler wurden draussen gelassen) rang man Academia de Coimbra nieder.
Vor dem Hinspiel hätten wohl nicht allzu viele ihr Geld auf den portugiesischen Rekordmeister gesetzt. Jetzt haben sich die Vorzeichen gewendet. Ein erster Halbfinal-Einzug seit 11 Jahren ist für den Klub aus der Hafenstadt in greifbare Nähe gerückt. Und 2004 endete die Reise bekanntlich nicht im Halbfinal ....