Horst zerplatzte fast vor Stolz. Soeben war der FC Basel im Trainingslager am Tegernsee eingetroffen, und der erste Spieler, der aus dem Bus gestiegen war, rief: «Wo ist Horst?»
Die Anekdote zeigt, wie Philipp Degen tickt. Der Fussballstar hatte sich als Erstes um den kleinen Hotelpagen Horst gekümmert und diesem damit eine unvergessliche Freude bereitet. Degen der Millionenverdiener. Degen der Menschenfreund.
Der sich auch als 32-Jähriger noch auf sein 21. Trainingslager freute und nach dem persönlich enttäuschenden Jahr unter Paulo Sousa überzeugt davon war, dass der FCB mit Urs Fischer den genau richtigen Trainer verpflichtet hatte. Der sich der Herausforderung stellte, Neuzugang Michael Lang den Platz als Rechtsverteidiger streitig zu machen. «Ich bin voller Tatendrang und werde mich ganz in den Dienst der Mannschaft stellen», sagte Degen.
1995 gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder David vom FC Oberdorf in die Nachwuchsabteilung des FCB gekommen, gab er im Sommer 2001 als 18-Jähriger sein Pflichtspieldebüt in der 1. Mannschaft. «Ich möchte einmal in die Bundesliga. Am liebsten zu den Bayern!», hat er gleich in einem seiner ersten Interviews gesagt.
Unter Trainer Christian Gross wurde Degen Stammspieler, Meister, Cupsieger und schaffte 2005 tatsächlich den Sprung in die Bundesliga. «Ich gehe da hoch, um mir einen Stammplatz zu holen», diktierte er dem damaligen Journalisten und heutigen FCB-Sportdirektor Georg Heitz in den Notizblock.
Drei Jahre blieb Degen beim BVB. Er bestritt für die Schweiz die WM 2006 und wechselte 2008 mit einem Dreijahresvertrag zu Liverpool. «Vier Millionen Franken — das ist der Jahreslohn, den Degen kassiert», verriet der «Blick» in grossen Buchstaben. «Ich bin nicht nach Liverpool gekommen, um auf der Bank zu sitzen», sagte Degen. Doch Verletzungspech ohne Ende verhinderte, dass der Schweizer sich auf der Insel durchsetzen konnte. 2010 wurde er an den VfB Stuttgart ausgeliehen, ehe er 2011 zum FC Basel zurückkehrte.
Seither ist er mit dem FCB in jeder Saison Meister geworden und 2012 auch Cupsieger. Sein Palmarès: Sieben Mal Meister und drei Mal Cupsieger mit dem FCB. Dazu ist Degen 32 Mal für die Nationalmannschaft aufgelaufen.
Man fragt sich: Was wäre für den Lampenberger möglich gewesen, hätten ihn nicht immer wieder schlimme Verletzungen zurückgeworfen? Doch Degen hat nie gehadert. «Ich bin ein Stehaufmännchen», hat er im letzten Sommer am Tegernsee gesagt.
Im Herbst hat er sich dann schwer an der Schulter verletzt, ist aber wieder aufgestanden und hat sich noch einmal heran gekämpft. Doch als hätte es so kommen müssen, fiel er am 13. März gegen St.Gallen wieder auf die Schulter und musste erneut operiert werden.
Gestern nun liess er durch den FCB bekannt geben, dass er zum Saisonende seine Karriere beenden werde. «Man soll auf die Zeichen des Körpers hören, und meiner sagt: Jetzt ist genug. Ich bin mit mir im Reinen und bin froh, dass ich nach der ersten Schulterverletzung zur alten Form zurückgefunden habe und wieder auf höchstem Niveau spielen konnte», liess Degen ausrichten. «Jetzt aber freue ich mich auf meine Zukunft nach meiner Zeit als Profi.»
Es ist traurig, dass Degens Laufbahn so zu Ende gehen musste. Der Schweizer Fussball ist, wie schon nach dem Rücktritt von Zwillingsbruder David, um einen weiteren Profi ärmer, der zwar polarisierte und alles andere als stromlinienförmig war, aber eben auch nicht einer der vielen glatt geschliffenen 08/15-Typen. Einer, der sein Herz auf der Zunge trug und trotzdem immer anständig blieb.