Im Profi- und Amateurfussball wird gefährlich oft zu Schmerzmitteln gegriffen. «Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe – Ibuprofen wird wie Smarties gegessen», sagte Neven Subotic von Union Berlin, in der ARD-Dokumentation «Hau rein die Pille».
Der in Kooperation mit dem Recherchezentrum «Correctiv» entstandene Film wird heute Abend um 22.45 Uhr ausgestrahlt. «Von den Vereinen gibt es da auch nach meinem Wissen keine grosse Aufklärungsarbeit, weil sie eben auch unter Druck stehen, den Spieler so schnell wie möglich fit zu kriegen», betonte Subotic.
Ibuprofen werden wie Smarties verteilt. "Für jedes kleine Aua gibt es quasi pauschal eine Ibuprofen", erzählt Bundesliga-Profi Neven Subotic in der Doku "Hau rein die Pille“.
— Sportschau (@sportschau) June 8, 2020
📺 Dienstag nach dem Pokalspiel in @DasErstehttps://t.co/F7sNEOZV6u #Pillenkick | @correctiv_org pic.twitter.com/Gs5GqLtv00
Der Bundesliga-Spieler, dessen Chefcoach bei Union der Zürcher Urs Fischer ist, spricht von einem System, das «einfach eine Weitergabe von Druck» sei: «Der gibt's auf den Nächsten, auf den Nächsten und den Nächsten. Und am Ende hat der den meisten Druck, der am meisten zu verlieren hat.»
Schmerzen betäuben, Entzündungen bekämpfen, um auf Teufel komm' raus spielen zu können. «Du kannst mir neun Mal sagen: ‹Du nimmst zu viel Schmerzmittel, lass es!› Ich höre neun Mal weg», bekannte Jonas Hummels. Der Bruder von Dortmunds Verteidiger Mats Hummels spielte bis 2016 in der 3. Liga in Unterhaching.
1147 Fussballerinnen und Fussballer, darunter elf Profis und 1096 Aktive unterhalb der Regionalliga, nahmen an der Umfrage von ARD-Dopingredaktion und dem Recherchezentrum «Correctiv» teil. Darüber hinaus hat das Rechercheteam nach eigenen Angaben mit 150 Bundesliga-Spielern, Ex-Profis, Trainern, Teamärzten, Wissenschaftlern und Funktionären gesprochen.
47 Prozent der Teilnehmer nehmen mehrmals pro Saison Schmerzmittel, 21 Prozent gar einmal pro Monat oder öfter. Als Grund gaben sie nicht nur die Bekämpfung akuter Schmerzen an, fast 42 Prozent der Teilnehmer wollen mit den Pillen Einfluss auf ihre Leistung nehmen. Konkret wollen sie die Belastbarkeit erhöhen, an Sicherheit gewinnen und den Kopf frei bekommen. Einige erklärten in der Befragung auch direkt, ihre Leistung steigern zu wollen.
Projekt #Pillenkick – der Fußball hat ein Schmerzmittelproblem - die komplette Doku gibt’s drüben auf unserem YouTube-Kanal https://t.co/XAIhzdnPSE
— Sportschau (@sportschau) June 9, 2020
📺 Oder heute nach dem Pokalspiel in @DasErstehttps://t.co/F7sNEOZV6u #Pillenkick | @correctiv_org
Toni Graf-Baumann prangert seit vielen Jahren diesen alarmierenden Missbrauch an, zu dem auch die vorbeugende Einnahme von Mitteln zählt. «Da läufst du gegen Mauern», sagte der ehemalige FIFA-Berater und Mitglied der Anti-Doping-Kommission des DFB). Schmerzmittel zu nehmen, ist im Sport nicht untersagt und steht nicht auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
Dabei erfüllen die Mittel zwei Kriterien, die für eine Aufnahme in die Liste sprechen. «Die Kriterien Leistungssteigerung und Gesundheitsgefährdung sind erfüllt», urteilte Hans Geyer, Biochemiker im Doping-Analyselabor in Köln. «Nach meiner Auffassung widerspricht es auch der Ethik des Sports, wenn man nur mit Schmerzmitteln Sport treiben kann.»
Fritz Keller: "Da müssen wir reagieren“. Der @DFB-Präsident zeigt sich "betroffen" von Ergebnissen der Befragung von 1142 Fußballern zu Schmerzmittelmissbrauch.
— Sportschau (@sportschau) June 9, 2020
📺 Dienstag nach dem Pokalspiel in @DasErstehttps://t.co/F7sNEOZV6u #Pillenkick | @correctiv_org pic.twitter.com/g5btcwTriS
DFB-Präsident Fritz Keller zeigte sich «schockiert» und kündigte eine Reaktion an: «Da müssen wir unbedingt an unsere Landesverbände gehen und über Trainer eine Sensibilisierung hinkriegen.» Der Sport im Amateurbereich, so Deutschlands ranghöchster Fussball-Vertreter, sei «zur Gesunderhaltung gedacht und nicht dafür, dass man sich kaputt macht». (pre/sda)
Unterscheiden sich die Kicker damit vom Rest der Bevölkerung?
Eine kleine Blessur passiert extrem schnell. Danach muss man wochenlang auf Sport verzichten. Im Profisport geht es um so viel Geld, dass man sich fitspritzt.
CH-Eishockey, Playoffs: absoluter Standard, da wird auch mit Brüchen gespielt, wenn man fitgespritzt werden kann.