Sport
Fussball

Financial Fairplay, Third-Party-Ownership und Co. – was hinter den Fussball-Fachbegriffen steckt und wie die Verbände den Beratern die Macht wieder entreissen wollen

Neymar bei seiner Ankunft in Barcelona im Sommer 2013. Der Transfer steht beispielhaft für Vieles, was im Fussball verkehrt läuft.
Neymar bei seiner Ankunft in Barcelona im Sommer 2013. Der Transfer steht beispielhaft für Vieles, was im Fussball verkehrt läuft.Bild: EPA

Financial Fairplay, Third-Party-Ownership und Co. – was hinter den Fussball-Fachbegriffen steckt und wie die Verbände den Beratern die Macht wieder entreissen wollen

Die FIFA und die UEFA versuchen mit Regulierungen den Einfluss von Spielerberatern, Investoren und Hedgefonds zu beschneiden. Die Folgen für die Schweizer Klubs sind teilweise gravierend.
16.04.2015, 14:4717.04.2015, 06:14
François Schmid-Bechtel
Mehr «Sport»
Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Eliaquim Mangala ist vielleicht nur Insidern ein Begriff. Gleichwohl soll Manchester City 53,8 Millionen Euro für den 24-jährigen französischen Verteidiger bezahlt haben. Wovon nur 30,5 Millionen in die Kasse des FC Porto, Mangalas Ex-Verein, flossen. Den Rest strichen zwei Spielerfonds ein: Die Doyen Sports Investments Limited und Robi Plus. Diese beiden Firmen haben Porto einst unter die Arme gegriffen, als der Basel-Bezwinger einen Liquiditätsengpass hatte und so einen Teil der Rechte an Mangala erworben.

In einem Film von France 2 schildert Mangala seine Sicht auf den Transfer: «Ich war nicht auf dem Laufenden, man hat mit mir zuvor nicht darüber gesprochen. Man ist ein Finanzprodukt, jeder hat einen Marktwert.»

Die Reportage über den Mangala-Transfer (auf französisch).Video: youtube/lampiao antitripa

Spieler gehören nicht Klubs, sondern Finanzhaien

Mangala ist ein typisches Beispiel für Third Party Ownership (TPO). Die Dritteigentümerschaft ist nicht nur in Portugal, sondern auch in der Schweiz populär. Dazu aber später.

Worum geht es bei Dritteigentümerschaft? In den letzten zwei Transferperioden haben die Klubs der fünf grössten Ligen Europas (England, Spanien, Frankreich, Deutschland und Italien) 2050 Millionen Euro mit Transfers eingenommen und 2688 Millionen Euro für Transfers ausgegeben. Dabei fliessen die Geldströme längst nicht mehr ausschliesslich von Klub zu Klub.

Der Neymar-Transfer als Beispiel

Häufig partizipieren Hedgefonds, Investorengruppen, Spielerberater und der Spieler – also Dritte. Ein weiteres Beispiel, wie ein Transfer heute auch abgewickelt wird, ist der brasilianische Superstar Neymar. 116,3 Millionen Euro (inklusive Lohn) soll der FC Barcelona für das Gesamtpaket Neymar bezahlt haben.

Dessen Ex-Verein FC Santos hat aber nur 17,1 Millionen erhalten. 40 Millionen Euro kassiert eine Firma, die den Eltern von Neymar gehört. 10 Millionen streicht Neymar, 2,7 Millionen sein Vater als Handgeld ein. Und 7,65 Millionen gehen an zwei Investorengruppen.

Neymar (rechts): Mag Messi und sagte beim Transfer «Merci».
Neymar (rechts): Mag Messi und sagte beim Transfer «Merci».Bild: ETIENNE LAURENT/EPA/KEYSTONE
Neymar
AbonnierenAbonnieren

Platini geht dagegen vor – und Blatter zieht mit

Solche Vorgänge will die UEFA bekämpfen. Ion Lupescu, früherer rumänischer Nationalspieler und heute Mitglied der technischen Kommission der UEFA, erklärt wieso: «Wenn Dritte darüber entscheiden, wann, für welche Summe und an wen ein Spieler verkauft wird, so stört dies zwangsläufig die Spieler-Trainer-Beziehung.» UEFA-Präsident Michel Platini meint: «Es gibt immer mehr Fälle, in denen undurchsichtige Firmen in Steueroasen die Spieler besitzen und von irgendeinem unbekannten Manager oder Investmentfonds kontrolliert werden.»

Der europäische Fussballverband hat es sich zum Ziel gesetzt, die Geldströme und Besitzverhältnisse der Klubs zu kontrollieren. Und die FIFA zieht mit. Das erstaunt. Denn normalerweise lässt sich die FIFA von ihrem kleineren Bruder Uefa nicht unter Druck setzen. Als aber die UEFA drohte, Dritteigentümerschaften in ihren Wettbewerben zu verbieten, liess sich die Fifa zu einem überstürzten Handeln hinreissen.

Investoren sind europaweit Mitbesitzer von 1100 Fussballern

Ab dem 1. Mai ist deshalb die Third Party Ownership, also die Beteiligung von Dritten an Spielerrechten, verboten. Das hat die FIFA am 19. Dezember in Marrakesch beschlossen. Ausserdem gilt: Verträge, die vor dem 1. Januar 2015 abgeschlossen worden sind, behalten bis zum Laufende ihre Gültigkeit. Die Beteiligung an Spielern, die zwischen 1. Januar und 30. April vertraglich geregelt worden ist, hat nur ein Jahr Gültigkeit.

Der Fussballer ist längst auch Investitions-Objekt. Gemäss einer Studie, die von der European Club Association in Auftrag gegeben wurde, sind Investoren im europäischen Fussball an insgesamt 1100 Spieler beteiligt.

Natürlich gibt es die zwielichtigen Gestalten, die sich hinter einem Hedgefonds verschanzen und auf das schnelle Geld aus sind. Wie der Türke Fettah Tamince und der Kasache Tevfik Arif, die laut «Bloomberg News» mit der auf Malta domizilierten Firma Doyen den grössten im Fussball involvierten Hedgefonds aufgebaut haben. Arif wurde 2010 auf einer Jacht von der türkischen Polizei wegen Verdachts auf Prostitution festgenommen, später aber wieder freigesprochen. Mit dem TPO-Verbot wollen UEFA und FIFA Individuen wie Tamince und Arif den Zugriff auf den Fussball verhindern. Doch nicht alle Fussball-Investoren leben in der Halbwelt.

Finanzhai müsste man sein!
Finanzhai müsste man sein!Bild: Moment Editorial

Verwirrung in der Schweiz

In der Szene herrscht nun eine grosse Ungewissheit bezüglich TPO-Verbot. Ein Sportchef eines Super-League-Klubs sagte kürzlich, selbst bei der Fifa hätte er auf seine Fragen keine Antwort erhalten. Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League, sagt: «Das TPO-Verbot ist zu wenig durchdacht und wirft mehr Fragen auf, als es Antworten liefert.»

Marco Del Fabro, ein Sportanwalt aus Winterthur, erklärt: «Bei den Spielerfonds gibt es – und das wird bei der Betrachtung der TPO-Problematik häufig übersehen – klubbasierte und spielerbasierte Fonds, die unterschiedliche Interessen verfolgen: klubbasierte Spielerfonds dienen primär der Unterstützung des Klubs. Der spielerbasierte Fonds finanziert einem Klub verschiedene Spieler. Mit einem Verkauf dieser Spieler soll für den Spielerfonds wie für den Klub ein Gewinn erzielt werden. Der spielerbasierte Fonds ist ein eigentliches Investitionsvehikel. Hier zählt allein der Return on Investment. Es ist evident, dass diese beiden Arten von Spielerfonds aufgrund der unterschiedlichen Interessen nicht den gleichen Regularien unterliegen sollten.»

«TPO-Verbot verstösst gegen Schweizer Recht»

Die spanische und portugiesische Liga – weitere Parteien dürften folgen – haben Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen das TPO-Verbot eingereicht. Ihr Argument: Finanziell schwächere Klubs werden benachteiligt, weil ihnen der Zugang zu dieser Form des Fremdkapitals verwehrt wird. Del Fabro kommt zum Schluss: «Aus meiner Sicht dürfte das TPO-Verbot gegen europäisches Wettbewerbsrecht und auch gegen Art. 5 des schweizerischen Kartellgesetzes verstossen.»

Auch wenn die Ungewissheit gross ist: Auch der Schweizer Fussball wird vom TPO-Verbot stark betroffen sein. Del Fabro glaubt, dass unter anderem sowohl das Owners-Konstrukt bei GC als auch die Alleinherrschaft der Canepas beim FC Zürich gefährdet ist. Bei GC war es in der Vergangenheit üblich, dass die Owners die Liquiditätsprobleme gelöst und im Gegenzug dafür Spielerrechte erhielten. Beim FC Zürich ist es so, dass Präsident Ancillo Canepa über seine Firma Ancillo Canepa AG Spielertransfers abwickelt. Nur: Die Neuregelung der Fifa sieht vor, dass bei einem Transfer die Ablösesumme ausschliesslich von einer Klubkasse in die andere fliesst. Selbst der transferierte Spieler gilt als Drittpartei.

Die FCZ-Bosse Heliane und Ancillo Canepa bei der Vertragsverlängerung mit Burim Kukeli im vergangenen Herbst.
Die FCZ-Bosse Heliane und Ancillo Canepa bei der Vertragsverlängerung mit Burim Kukeli im vergangenen Herbst.Bild: FC Zürich

Abschaffung der obligatorischen Spielerlizenz

Neben dem Klub nahestehende Personen werden viele Transfers in der Schweiz auch von Beratern zumindest mitfinanziert – was nun nicht mehr erlaubt ist. «FIFA und UEFA haben den Bogen überspannt. Sie sind auf dem Trip der absurden, weltfremden Regulierungen. FIFA und UEFA sollten besser ihre Hausaufgaben erledigen und die Löhne der Spieler schützen», moniert Christoph Graf, Vizepräsident der Swiss Football Agents Association.

Aber nicht nur das TPO-Verbot macht Graf zu schaffen. Denn per 1. April hat die FIFA die obligatorische Lizenz für Spielervermittler abgeschafft. Im Gegenzug fordert die Fifa absolute Transparenz im Transfergeschäft. So sollen zum Ende der kommenden Saison erstmals alle Aufwendungen für Spielerberater publik gemacht werden. «Die FIFA gesteht damit ihre Unfähigkeit ein, die eigenen Regeln durchzusetzen», sagt Graf.

Liverpool-Stürmer Balotelli, Berater Raiola.
Liverpool-Stürmer Balotelli, Berater Raiola.Bild: Getty Images Europe

Schweizer Agenten wollen sich von schwarzen Schafen der Branche abgrenzen

«Die Abschaffung der Beraterlizenz in Kombination mit dem TPO-Verbot scheint mir politisch motiviert zu sein», so Graf. «Die Verbände wollen mit aller Macht den Einfluss der mächtigen Spieleragenten wie Mino Raiola und Jorge Mendes eindämmen.» Der in Holland aufgewachsene Süditaliener Raiola, unter anderem Berater von Zlatan Ibrahimovic, kokettierte jüngst sogar mit einer Kandidatur als FIFA-Präsident. Über Mendes, Berater von Cristiano Ronaldo und José Mourinho, flossen allein diesen Sommer vier der sieben teuersten Transfers.

Graf befürchtet, die Deregulierung öffne Kriminellen Tür und Tor zum Fussball. Deshalb ist er bestrebt, dass die Swiss Football Agents Association für die Öffentlichkeit künftig noch sichtbarer wird. «Wenn schon die Fifa keine Qualitätskontrolle durchführt, werden wir unsere Bemühungen punkto Weiterbildung und Qualitätsstandards weiter intensivieren.»

Das «Financial Fairplay» greift nicht

Das TPO-Verbot ist nicht die einzige Kampfzone. Eine andere heisst Financial Fairplay. Diese UEFA-Regelung sollte seit der Saison 2013/14 greifen. Grob umrissen besagt sie, dass kein Verein mehr Geld ausgeben darf, als er verdient. Doch noch immer gibt es etliche Klubs, die sich um diese Regel foutieren. Manchester City und Paris St-Germain sind die Prominentesten. 60 Millionen Euro Strafe hat ihnen die Uefa deshalb aufgebrummt – 40 Millionen werden zurückbezahlt, wenn die Klubs bis Sommer 2016 die Vorgaben einhalten.

Diese Ambivalenz lässt vermuten, die UEFA sei mit ihrem Papiertiger «Financial Fairplay» nicht wirklich glücklich. Schliesslich nahm sie vor einem Jahr eine Regelanpassung vor. Diese erlaubt es, gemeinsam mit den Vereinen eine Bestrafung auszuhandeln. Somit ist die UEFA nicht gezwungen, publikumswirksame Klubs von der Champions League auszuschliessen.

PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi aus Katar (links) bei einem Champions-League-Spiel in Paris.
PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi aus Katar (links) bei einem Champions-League-Spiel in Paris.Bild: Francois Mori/AP/KEYSTONE

Bosman-Anwalt macht mobil

Paris St-Germain und ManCity erhalten nicht nur von der Kontrollinstanz Unterstützung für ihren Expansionskurs. Der belgische Spieleragent Daniel Striani hat vor der EU-Kommission Klage eingereicht. Seiner Meinung nach verstösst das Financial Fairplay gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Allein das müsste die UEFA noch nicht beunruhigen. Hingegen der Name von Strianis Anwalt: Jean-Louis Dupont. Denn der Belgier hatte 1995 das Bosman-Urteil erwirkt. Dieses besagt, dass Fussballer nach Ende des Vertrages ablösefrei den Klub wechseln dürfen. Zudem brachte Dupont die im europäischen Sport bestehenden Restriktionen für Ausländer zu Fall.

Dupont ist der Ansicht, Financial Fairplay verstosse gegen drei Grundfreiheiten der Europäischen Union: die Arbeitnehmerfreizügigkeit (für Spieler), die Dienstleistungsfreiheit (für Spielerberater) und die Kapitalverkehrsfreiheit (für Investoren). Daneben ist vor einem Gericht in Frankreich eine weitere Klage gegen das Financial Fairplay hängig.

Jetzt auf

Wie Kinder beim Geburtstag ihrer Geschwister

Anwalt Emmanuel Daoud, der die klagenden Fangruppen von Paris St-Germain vertritt, sagt, das Verbot diene nur dazu, historisch etablierte Topklubs zu protegieren. Im Gegenzug werde Klubs wie PSG der Zutritt zum VIP-Raum des europäischen Klubfussballs verwehrt. Als Kompensation zum Ausgabenüberschuss drehen sie in Paris an der Preisspirale. Bis zu 300 Euro kostet heute ein Ticket auf der Haupttribüne für eine ordinäre Partie in der Ligue 1.

Fazit: FIFA und UEFA funktionieren derzeit wie Kinder beim Geburtstag ihrer Geschwister. Sie wollen nicht nur als erste wissen, was im Paket drin steckt. Sie reklamieren sogar den Inhalt für sich.

Der Parc des Princes in Paris: Ein Matchbesuch ist ein kostspieliges Vergnügen.
Der Parc des Princes in Paris: Ein Matchbesuch ist ein kostspieliges Vergnügen.Bild: Getty Images Europe
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
Diese (wortwörtlich) atemberaubende Trend-Sportart will Olympia 2028 aufmischen
Die Trendsportart «Underwater Torpedo» begeistert auf Social Media ein Millionenpublikum und erfreut sich in ihrem Herkunftsland, den USA, wachsender Beliebtheit. Die Schöpfer der Sportart, die einst als Training für US-Marinesoldaten entstanden war, haben jetzt ein ambitioniertes Ziel.

Beim sogenannten «Underwater Torpedo» braucht es nicht nur stählerne Muckis, sondern vor allem eine Lunge aus Stahl. Die Trendsportart, die erst 2017 in den USA ins Leben gerufen wurde, wird immer populärer – bei Sportlerinnen und Sportlern wie auch beim Publikum auf Social Media. Und das erstaunt nicht, wenn man die (wortwörtlich) atemberaubenden Bilder sieht:

Zur Story