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Das Themenspektrum hat sich verlagert. Bilanzen werden gezogen, die EM-Planung rollt an. Testspiele wie jenes in Wien am 17. November stehen auf dem Programm. Fragen zur strategischen Zukunft der Verbandsauswahl akzentuieren sich. Die kursweisenden Entscheide werden vorübergehend neben dem Terrain gefällt. Spurensuche in Tallinn.
Während die jüngere Fraktion der Spieler den vierten Vorstoss an eine EM-Endrunde in der Nacht auf Samstag in einem Zürcher Musik-Club zelebrierte, reflektierte Vladimir Petkovic den wichtigsten Erfolg seiner Laufbahn seit dem Cupsieg mit Lazio Rom im Kreis der Familie. Bei einem Glas Wein genoss der Nationalcoach den eher stillen Moment der grossen Genugtuung.
Die zahllosen SMS-Reaktionen bestärkten ihn darin, die Aufgaben im ersten Amtsjahr überwiegend gut und richtig gelöst zu haben: «Ich spürte die Zufriedenheit vieler Leute, die uns unterstützen.» Die Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit seien nahezu durchwegs wohlwollend und ermutigend. «95 Prozent senden positive Signale», ist sich Petkovic sicher.
Weitaus weniger entspannt beurteilt der Schweizer Selektionär einen Teil der medialen Aufarbeitung seines inzwischen 15-monatigen Engagements. Der Tessiner empfindet die Grundhaltung angesichts der positiven Bilanz generell als zu kritisch. Hinter der Skepsis der Journalisten vermutet er mehr: «Einige machen konstant Polemik gegen die Arbeit und die Person des Trainers. Damit habe ich Mühe.»
Über das beeindruckende Curriculum Vitae seines prominenten Vorgängers Ottmar Hitzfeld verfügt Petkovic nicht. Im Gegensatz zum zweifachen Champions-League-Sieger profitiert er nicht vom unsichtbaren Schutzschild des nahezu Unantastbaren. Aber damit war zu rechnen – auch mit der erhöhten Anspruchshaltung.
Es sind offenbar überwiegend weiche Faktoren, die bei Petkovic unangenehme Gefühle auslösen, denn die messbaren Kennzahlen auf dem Terrain stellt im Prinzip niemand infrage. Nur Ottmar Hitzfeld (2,08) und Roy Hodgson (2,00) erreichten im letzten Vierteljahrhundert im ersten Jahr einen besseren statistischen Durchschnittswert als der aktuelle Trainer mit seiner 1,91-Punkte-Marke.
Die Mutmassungen über seine Zukunft nach dem Sommer 2016 dämmen die leichte Unruhe oder «Polarisierung» (Petkovic) selbstredend nicht ein. Der 52-Jährige selber äussert sich zur möglichen Fortsetzung seiner SFV-Laufbahn nach der EURO indes auch nur diffus: «Beide Seiten müssen Ja sagen.»
Auf höchster Verbandsebene haben die Entscheidungsträger zwar keine Eile, aber doch die klare Absicht, die anstehenden Gespräche innerhalb der nächsten Wochen zu führen. «Unser Plan war immer, nach geschaffter EM-Qualifikation in aller Ruhe und ohne Hast zusammenzusitzen und die gemeinsame Zukunft zu erörtern», stellt SFV-Präsident Peter Gilliéron in Tallinn gegenüber der Sportinformation klar.
Es gehe mit Blick auf die längerfristigen Ziele darum, eine gemeinsame Basis zu finden, sagt Gilliéron – und relativiert die Causa bewusst: «Ich blicke diesen Gesprächen positiv entgegen.» Und dann schiebt der Chefstratege ein spannenden Zusatz nach: «Ich habe nie den Eindruck gewonnen, dass er lieber nicht weitermachen würde.»
Drei Tage nach dem Ersatzgoalie Roman Bürki wird nun auch Marwin Hitz, seit rund zwölf Monaten die Nummer 3 im nationalen Ranking, auf Pflichtspielebene debütieren. Den 28-jährigen Ostschweizer hatte Petkovic zuvor einzig beim 3:0 im Test im letzten Juni gegen Liechtenstein berücksichtigt.
Hitz, einst Leihspieler in der Challenge League und während fünf Saisons beim VfL Wolfsburg vorwiegend überzählig, weiss seinen «Aufstieg» in der SFV-Auswahl einzuschätzen: «Während meiner Karriere habe ich gelernt, wie schnell es in beide Richtungen gehen kann.» Er verfolge in der Regel schon eigene Ziele, «aber man muss sich im Fussball auch mal unterordnen können».
Hitz für seine klaglos akzeptierte Jokerrolle mit einem Einsatz von Beginn weg zu belohnen, ist nicht nur eine noble Teamplayer-Geste von Petkovic, sondern auch eine kleine Auszeichnung für dessen respektable Performance im Alltag. «Er hat sich das mit seiner Arbeit im Klub verdient.» In Augsburg hat er derzeit zwar mit sportlichen Turbulenzen zu kämpfen, seit seinem Transfer in den Südwesten Bayerns etablierte sich Hitz aber im vorderen Drittel der Bundesliga-Keeper.
Hitz ist derzeit der einzige Torhüter ohne Beschwerden. Sommer trainiert wegen seines Nasenbeinbruchs weiterhin mit einer Karbonmaske. Und Bürki musste die letzte Einheit vor dem Matchtag wegen einer Daumenstauchung abbrechen. In seinem Fall gaben die Mediziner Entwarnung: Der Dortmunder erlitt keine Kapselverletzung und steht dem Bayern-Verfolger ab Dienstag wieder zur Verfügung. (si/cma)