100 Tage sind seit dem EM-Final vergangen. Wir haben darum bei elf, im Sommer auffälligen, Protagonisten nachgeforscht, wie sie sich in den letzten Wochen schlugen – und haben erstaunliches gefunden.
Doch bevor es los geht: Hier nochmals die kürzeste Zusammenfassung der EM:
So, jetzt also der Überblick:
Er war DER Held der EM – obwohl er nie spielte. Will Grigg was on fire. Der 25-Jährige wurde dauernd besungen. Das hat sich in der Nationalmannschaft nicht geändert. Und auch die Einsätze für den Stürmer haben sich nicht geändert. Neu ist aber, wer darüber entscheidet, ob Will Grigg spielt oder nicht. Das macht er jetzt nämlich selbst. Beim Länderspiel im September gegen Tschechien verzichtete er, weil sein erstes Baby im Anflug war.
Es kam dann Ende September zur Welt. Eigentlich hätte Grigg also im Oktober gegen San Marino und Deutschland wieder auflaufen können. Er wäre auch aufgeboten worden. Aber der Angreifer sagte ab: Er wollte die Zeit mit seinem Kind geniessen.
Im Klub läuft es Grigg übrigens weiterhin sehr gut. Nach dem Aufstieg mit Wigan erzielte er in bisher zwölf Partien fünf Tore und gab zwei Assists. Wigan grüsst aber aktuell von einem Abstiegsplatz.
Was war das für eine Aktion, als Hal Robson-Kanu im Viertelfinal mit einem Trick die belgische Abwehr aussteigen liess und zum 2:1 einschoss.
Arbeitslos war der 27-Jährige damals, weil er nicht mehr bei Reading bleiben wollte. Nach dem Tor fand er bei West Brom in der Premier League Unterschlupf.
Viel zum Einsatz kommt der Angreifer jedoch nicht. 15 Minuten in drei Einsätzen sind es bisher. Auch bei Wales wurde Robson-Kanu wieder zum Ergänzungsspieler. 15, 13 und 29 Minuten kam er in der WM-Quali zum Einsatz. Getroffen hat er seit dem Traumtor gegen Belgien nicht mehr.
Er war der Anführer der Wikinger in Frankreich. Die weiten Einwürfe, der Bart, der Blick für Ronaldo – Aron Gunnarsson war das personifizierte Island-Wunder.
Bei seinem Verein Cardiff lief es allerdings in der Championship bisher nicht. Die ersten zwei Partien sass der Mittelfeldspieler auf der Bank, dann kam er sechsmal zum Einsatz und verpasste die nächsten drei Partien wegen einer Wadenverletzung. Cardiff wechselte in der Länderspielpause den Trainer. Neu ist Neil Warnock verantwortlich. Er setzte wieder auf Gunnarsson.
Angeblich sei aber, neben anderen Vereinen, der HSV am Isländer interessiert – im Winter soll er wechseln. Den Hamburgern würde ein Führungsspieler gut tun. Klar ist einzig: Die Gerüchte um das Kämpferherz werden nicht abnehmen.
In der Nationalmannschaft holte der Aggressivleader in der WM-Quali zuerst zweimal Gelb, das dritte Spiel verpasste er verletzt.
Hach, was haben wir gelacht, als Simone Zaza im Elfmeterschiessen gegen Deutschland Anlauf holte und den Ball dann in den Nachthimmel drosch.
Im Sommer wurde der 28-Jährige kurz vor Ende des Transferfensters von Juve an West Ham ausgeliehen. Der Saisonstart war schlecht, Zazas Bilanz: 5 Spiele, 0 Tore. Von verschossenen Elfmeter ist ebenso wenig bekannt wie von lustigen Tänzen.
Zaza soll angeblich schon wieder auf dem Absprung sein. Valencia bekundet Interesse und auch Napoli habe den Stürmer auf dem Zettel. West-Ham-Trainer Slaven Bilic sagt aber: «Wir geben ihn nicht her.»
Joe Ledley war einer der prägenden Figuren beim Märchen von Wales. Nicht nur wegen seinem Bart, auch wegen seiner Tanzeinlage ist er uns noch in bester Erinnerung:
Usual antics from this ledge 😂 @joe16led 🔥👏🏻👏🏻 pic.twitter.com/FcXi1rXkRR
— David Cotterill (@cotterill_david) 1. Juli 2016
Auf Klubniveau blieb der Haudegen bei Crystal Palace. Den Stammplatz hat er nicht auf sicher, aber er kommt zum Einsatz. Genauso wie in der Nationalmannschaft, als er zuletzt den Assist zum 1:0 von Gareth Bale gegen Georgien (Endstand 1:1) gab.
Apropos Bale. Ledley verriet in der Zwischenzeit, warum Wales so erfolgreich war in Frankreich. Die Spieler hätten eines Tages gemütlich Wimbledon geschaut, als Superstar Bale mit zwei Tellern voll Muffins kam. Er hatte diese im Medienzentrum geklaut. Diese Anekdote und das anschliessende Muffin-Essen-Tee-Trinken-Tennis-Schauen habe das Team zusammengeschweisst.
Eder machte sich im EM-Final mit seinem entscheidenden Tor unsterblich. Ganz glücklich machte ihn dies nicht. Oder zumindest wählte er seine Worte danach bedacht: «Es tut mir leid, dass ich gegen Frankreich traf, ich habe viele Freunde hier.»
Denn der 28-Jährige spielt weiterhin in Lille. Im Februar wurde er von Swansea an die Franzosen ausgeliehen, im Sommer übernahmen sie ihn fix. Aktuell steht der Angreifer nach neun Partien bei einem Tor und drei Assists.
Doch ob Eder in Frankreich glücklich wird? Er träumte schon als Kind von der Premier League. Die Abschiebung über den Kanal brach ihm das Herz. In 13 Partien bliebt der Schlaks ohne Tor in der englischen Liga. Er sieht sich in seiner Traumliga gescheitert. Zumindest vorerst.
Wenn einer als Entdeckung der EM bezeichnet werden kann, dann wohl Dimitri Payet. Er erlöste Frankreich im Startspiel und war immer ein Unruheherd für die Gegner.
Trotz diversen Angeboten blieb der 29-Jährige seinem Team West Ham treu – und erlebte den Katastrophenstart der Londoner hautnah mit.
Getroffen hat Payet im Klub bisher nur einmal – dafür könnte dies das Tor der Saison werden. Payet umdribbelte die halbe Mannschaft von Middlesborough, ehe er zum 1:1 einschob. Es war der erste Punktgewinn nach vier Pleiten für West Ham. Und gemäss englischen Zeitung habe ausgerechnet der Franzose davor seine Teamspieler zur Brust genommen.
In der Nationalmannschaft läuft es übrigens auch für Payet. Gegen Bulgarien erzielt er das Game-Winning-Tor beim 4:1, gegen Holland gab er den Assist zum 1:0-Sieg.
Vedran Corluka fiel an der EM in den ersten Partien mit blutiger Kopfwunde, lustigem Verband und noch viel lustigerer Badekappe auf.
Die Badekappe braucht er bei seinem Klub Lokomitive Moskau nicht mehr. Der Captain ist ein wichtiger Pfeiler bei den Russen. Allerdings fehlte er am Wochenende verletzt. Während den Länderspielen zog er sich gegen den Kosovo Adduktorenprobleme zu, gegen Finnland wurde er geschont.
Kurz: Blessuren bleiben, Badekappe geht.
Es war die Bankrotterklärung der EM: Russlands Captain Roman Schirkow wird beim 0:3 gegen Wales ausgewechselt, aber niemand will die Binde übernehmen. Am Ende muss Torhüter Igor Akinfejew als Spielführer amten.
Mittlerweile übernahm Stanislav Tschertschessow das Trainer-Amt der Russen. Und es scheint, als habe er einen neuen Captain gefunden. Innenverteidiger Wasili Beresutksij trug die Binde in allen drei Partien seit der EM. Er war übrigens auch zuvor Vize-Captain und lehnte das Amt gegen Wales noch ab. Ausgewechselt hat Tschertschessow seinen neuen Spielführer noch nie. Er wird wissen warum.
Armando Sadiku schoss sich mit dem ersten Tor Albaniens an einer Endrunde in die Geschichtsbücher. Er erzielte das 1:0 gegen Rumänien.
Der Angreifer kehrte im Sommer von Vaduz zum FC Zürich zurück und traf auch in der Challenge League fleissig. Vier Tore in acht Partien lassen sich sehen. Auch beim einzigen Nati-Spiel, bei welchem er nach der EM mitspielte, traf der Stürmer zum 1:0 gegen Mazedonien (2:1-Endstand). Im Heimatland ist er Nationalheld, zu seinem Standing beim FCZ sagt er vor zwei Wochen der NZZ: «Nun bin ich ein Star des FC Zürich.»
Aber Sadiku fällt derzeit verletzt aus. Vor einer Woche wurde er am Knie operiert. Die Meniskusverletzung zwingt ihn zu einer mehrwöchigen Pause. Beim FCZ wurde der Angreifer beim schwachen 1:1 gegen Le Mont schmerzlich vermisst.
Roy Hodgson nahm nach dem peinlichen Achtelfinal-Aus gegen Island (1:2) seinen Hut als Englands Nationaltrainer. Nachfolger Sam Allardyce war bekanntlich nur 67 Tage im Amt, weil er Journalisten in die Falle tappte. England reagierte daraufhin damit, dass Nationaltrainer künftig keine Nebeneinkünfte mehr haben dürfen.
Aber das betrifft Hodgson ja momentan nicht. Er ist arbeitslos. Doch der ehemalige Schweizer Nati-Trainer fühlt sich bereit für die nächste Aufgabe. Vor zwei Wochen sagte er: «Ich fühle mich gut und wenn ich ein gutes Angebot erhalte, das mir gefällt, dann nehme ich dieses an.»
Allardyce übrigens teilte gegen Hodgson auch noch aus. Dieser habe «die Spieler in den Schlaf geredet», mit seiner Art.